1- "Was willst du tun? Ihre Balkonpflanzen austrocknen lassen?"

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Die Leute wichen vor mir zurück, als könne meine bloße Nähe sie ebenfalls in Missgeburten verwandeln. Als hätte ich den bösen Blick. Den ich mir jetzt gerade auch wirklich wünschte. Nicht für lange. Nur kurz.

Leider musste ich stattdessen auf ihren Aberglauben vertrauen, der sie zittern ließ, wie eine Herde Schafe vor einem Skarabäen-Käfer. Sie alle spürten meine Kraft wie eine Glocke um mich herum. Ich weitete sie auf ihr volles Maß von drei Schritten Durchmesser aus.
Wer dachte, dass das herunterfallende Wasser hinter mir dramatisch war, musste enttäuscht werden. Ich hatte einfach nicht die Reichweite.

Sie wichen zurück, machten mir Platz, bis...

Ein kleiner Junge wurde vor mir auf den Weg geschubst. Kaum älter als Garcy. Seine Mutter versteckte sich hinter den breiten Rücken zweier Männer, dieselben dunklen Haare, die Finger bangend auf die Lippen gepresst.
Mit entschlossen gesetztem Kiefer kam er auf mich zu, ein Messer in seiner Faust.

Scharf zog ich Luft in die Lunge. Sie wollten doch nicht... dachten nicht...
„Stopp!", ich streckte eine Hand aus, doch er hatte sich bereits entschieden. Kein zweiter Blick zu den Umstehenden. All seine Aufmerksamkeit lag auf mir.

Mit den Leuten im Rücken konnte ich nicht zurückweichen. Im letzten Augenblick zog ich meine Kraft zu mir, damit ihm nichts geschah, ehe er die Klinge über meinen Arm zog.

Die Menschenmenge keuchte auf. Wichen vor mir zurück, die Finger nach dem kleinen Jungen ausgestreckt, der mich weiterhin wie gebannt anstarrte.

Ich japste ebenfalls, eine Hand auf den Schnitt pressend. Der Schmerz machte es schwer, meine Kräfte zurückzuhalten. Ich kämpfte mit ihnen, bis meine Muskeln bebten.

„Sie blutet", flüsterte eine Frau hinter mir, „Fast wie ein Mensch."

Mein Halt lockerte sich weiter, wie jemand der über einem Abgrund hing. Aber der Junge bewegte sich nicht.
„Verschwinde", zischte ich ihn zwischen zusammengepressten Zähnen an.

Meine Worte brachen den Bann auf den Anwesenden, den mein Blut geschlagen hatte. Jemand stürzte nach vorne und zog ihn rücklings weg, kurz bevor ich die Kontrolle verlor.
Es war eine kleine Erleichterung, die mich fast in die Knie zwang.

Langsam, mit flackernder Aufmerksamkeit suchte ich mir einen Weg zum anderen Ende des Marktplatzes. Atemlose Stille mir auf den Fersen.

Niemand traute sich, mich noch einmal anzugreifen. Aber ihre Blicke fraßen sich tiefer unter meine Haut, als der Schnitt es geschafft hatte.

Schwerfällig drehte ich mich im Schatten der angrenzenden Häuser zur Versammlung um.
„Ihr solltet beten, dass ich die Reiter finde, die sie geholt haben", die Drohung ließ mich beben.
„Oder ihr sucht euch ein neues Zuhause", ein Schulterzucken, „Dann würde ich flehen, dass Garcy euch nicht findet."

Und zu meinem Glück glaubten sie mir.

Zumindest versuchte niemand, mich mit einer Mistgabel zu erstechen, bis die zwei verhüllten Gestalten mich drei Straßen weiter einholten.

„Das waren große Worte, von einer Wasserbändigerin", die Stimme gehörte zu einem Kerl, ein oder zwei Jahre älter als ich. Sie glitt meinen Rücken herunter wie eine kalte Hand.
„Was willst du tun? Ihre Balkonpflanzen austrocknen lassen?"

Ich verlangsamte meine Schritte und drehte mich zu ihnen um. Der Schnitt unter meinen Fingern brannte und Blut tropfte auf meine einzige Kleidung.
Ein humorloses Lächeln ließ meine Mundwinkel zucken, als er die Kapuze zurückschlug und ein unnatürlich hübsches Gesicht zeigte. Rußfarbene Haare und helle Sommersprossen. Und seinem selbstzufriedenen Ausdruck nach zu urteilen, wusste er auch, welche Wirkung er erzielte.

Jagd der Nebelflüsterer- Die VogelfängerWhere stories live. Discover now