Kapitel 4

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In der folgenden Zeit meldete ich mich nicht bei Josh, obwohl ich seine Nummer hatte. Nicht nur, weil ich mich nicht aufdrängen wollte, sondern auch, weil ich beleidigt war. Er hätte mir zumindest einen Hinweis geben können. Irgendetwas, das darauf schließen ließ, dass er mir die Sache erklären wollte. Er war einfach davongerauscht und hatte mich stehen lassen. Ich war noch nie von einem Mann so behandelt worden und fest entschlossen, das nicht zur Gewohnheit werden zu lassen. Aus diesem Grund hatte ich – ob ich wollte oder nicht – mit Josh abgeschlossen. Nur seine Nummer befand sich noch immer auf meinem Handy. Für den Fall, dass er doch noch mit mir reden würde.

Ich wartete einen Tag und dann eine Woche, in der ich viel zu oft an ihn dachte. Leider schien das nicht auf Gegenseitigkeit zu beruhen, denn das Telefon blieb stumm.

Man hatte mich abserviert, und ich fühlte mich furchtbar.

„Mach dir nichts draus, Ruby."

Audrey war immer da, wenn ich sie brauchte. Sie mochte mit ihrer wilden Art manchmal übers Ziel hinausschießen, doch das änderte nichts daran, dass sie meine beste Freundin war. Ich hatte mich an diesem Abend selbst bei ihr eingeladen, um mich umfassend trösten zu lassen. Weil ich Liebeskummer hatte, war sogar Layla gekommen.

„Ich habe keinen Liebeskummer", sagte ich schnippisch und hielt mich an dem Kübel Eis mit Karamellsoße fest, den ich schon zur Hälfte geleert hatte. Ich mochte dünn sein, aber ich konnte sehr viel essen. Zumindest, wenn es mich nicht kümmerte, ob mir danach übel wurde.

„Das musst du ja auch nicht", erwiderte Layla sanft und tätschelte meine Schulter. Sie trug ihren Pyjama, weil sie hier übernachten würde, und hatte ihr kastanienbraunes Haar zusammengeflochten. Audreys Mutter war mal wieder auf Geschäftsreise, deswegen hatten wir das Haus für uns.

„Es tut eben weh, wenn man so stehen gelassen wird. Da wäre jeder traurig", fügte Layla an. Sie fand immer die richtigen Worte für das, was wir nicht ausdrücken konnten. Ich sagte ihr immer, sie solle Autorin werden.

„Ja", antwortete ich zerknirscht. So wenig ich es auch zugeben wollte, so sehr hatte Joshs Verhalten mich getroffen. Zum ersten Mal war ich jemandem begegnet, mit dem ich mir mehr vorstellen konnte, und er verhielt sich ausgerechnet so. Es tat weh, mich an die intensiven Blicke zu erinnern, die wir miteinander getauscht hatten, aber ich war auch eine Frau und deswegen fiel es mir leicht, mich schlecht zu machen. Ich war zu jung für ihn und vielleicht auch nicht hübsch genug, oder möglicherweise hatte er einfach so schlimmen Ärger am Hals, dass ihm in letzter Sekunde eingefallen war, wie leichtsinnig eine Freundin wäre.

Was es auch war, es ließ mich den Löffel mit all meiner Macht tiefer in das Eis tauchen. Nimm das, Josh!

Ich hatte es noch nie zuvor ausprobiert und musste zugeben, dass die Mädchenmagazine recht hatten – es gab nichts Heilsameres als einen Abend mit zwei guten Freundinnen, kiloweise Eis und einem Gruselfilm. Bisher waren wir zu sehr damit beschäftigt gewesen, Josh zu verurteilen. Weil es mir langsam besser ging, konnten wir nun auch auf den Film achten. Es war ein sehr alter Film, den Audrey bei einer Videothekenauflösung gekauft hatte. Die Story ging darum, dass schlecht gemachte Werwölfe Soldaten fraßen. Genau die richtige Unterhaltung, um mit einem Auge hinzuschauen und dabei nach Herzenslust zu tratschen.

„Habt ihr gesehen, was Tiffany gestern anhatte?", wechselte Layla irgendwann das Thema. „Die Pailletten auf ihrem Oberteil waren augenkrebserregend."

Layla mochte die Gefühlvolle von uns sein, sie war allerdings auch die größte Klatschtante.

Audrey schlug vor Freude die Beine übereinander und biss in einen Schokoladenhasen, der noch von Ostern übrig geblieben war. „Sie hat sowieso einen seltsamen Geschmack."

Wolf - Under your Skin (Deutsch)Where stories live. Discover now