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Nun ja, was soll ich sagen?

Ich hatte echt nicht erwartet, das ich nach meinem Missgeschick in der 6. Klasse, noch einmal nicht spätestens nach drei Tagen duschen gehen würde.

Ich war damals in Tim Burkley verliebt. Er war zwei Jahre älter als ich und wirklich sehr hübsch. Wenn ich nicht umgezogen wäre und etwas mehr Selbstbewusstsein hätte, würde ich ihn heute bestimmt um ein Date bitten.
Auf jeden Fall hatte ich eben nach 3 Tagen immer noch nicht geduscht und in diesem Moment kam er auf mich zu. Meine Knie fingen an zu schlottern und ich dachte, meine Träume gingen in Erfüllung, aber sobald er in meine Nähe kam, hielt er sich die Nase zu, drehte sich so schnell wie möglich um und versuchte zügig aus meiner Reichweite zu kommen. Dann fing er an über mich mit seinen Freunden zu lachen.
Seither dusche ich spätestens jeden Abend. Meine alte beste Freundin sagte mir ständig, das seie nicht gut für meine Haut gewesen, aber so etwas sollte mir nicht nochmal passieren. Nie nie nie nie niemals.
Und trotzdem m stand ich jetzt ungewaschen in meinem neuen Zimmer und wartete auf restliche Anweisungen meines Dads.
Relativ schnell wurde mir bewusst, dass das wohl nicht passieren wird, denn 5 Minuten später hörte ich, wie mein Vater die Haustür hinter sich zu warf und fröhlich pfeifend zu seinem Auto ging. JeglicherVersuch ihn zurückzuhalten scheiterte.
Ich musste mich wohl darauf gefasst machen, die Situation mit Tim Burkley erneut zu durchleben.
Und das, an meinem ersten Schultag in einer neuen Stadt und einem neuen Umfeld.
Super.

Ich schnappte mir meine restlichen Sachen, packte in meine Tasche einen Block Papier und Stifte, nahm mir aus der Küche einen Apfel mit und verließ das Haus.

Meine Müdigkeit erschwerte das Gehen und eigentlich auch alle anderen Fähigkeiten, die im Wachzustand eigentlich schon kaum funktionierten. Mein Enthusiasmus in die Schule zu gehen, die Neue zu sein, von allen angegafft zu werden, lag bei Null. Sind wir mal ehrlich, niemand - wirklich niemand - stellt sich freiwillig ungeduscht und allein vor eine riesige Gruppe fremder Menschen und stellt sich vor. So funktionierte das einfach nicht.
So gesehen hatte ich also ziemlich wenig Lust, jetzt auch nur einen Schritt weiterzugehen.
Ich betrachtete unser neues Umfeld und um ehrlich zu sein, wollte ich mich gerade vor lauter Kitsch in einen der Gärten übergeben. Die Nachbarn hatten sich anscheinend gedacht, dass ein Farbverlauf von Pink ins Gelb eine wahrlich tolle Kombination wäre, weshalb sie selbstverständlich ihre Häuser in einem solchen strichen. Die Dächer passten zum Briefkasten, die Bäume zum Zaun und der Gartenzwerg zur Fußmatte.
Ich wollte mich gerade auf die geputzte Straße werfen, meine Jacke zum Kissen zusammenrollen und mich auf ewig schlafen legen, als ein Auto neben mir hielt.
In ihm saß ein Mädchen mit braunen langen Haaren und einer dicken Sonnenbrille im Gesicht. Meiner Meinung nach, ist das bloß eine Überkompensierung der krankhaft geordneten Umgebungen.

„Bist du neu hier?", ihre Stimme klang weich und freundlich, trotzdem hinderte mich die Stimme meines Vaters, welche immer noch in meinem Kopf spukte, daran ihr vollkommen zu trauen.
Ich stellte mir vor, wie er und ich uns gegenüber sitzen und er eine Taschenlampe unter sein Gesicht hielt, um gruselig auszusehen.
April, er setzt mit seiner flüsternden Friedhofsstimme ein vertraue niemandem, wenn er nicht ich ist. Ein kleines Schmuneln macht sich breit. Du wirst verschleppt und in einer unhygienischen Küche ausgenommen. Dann werden deine Organe auf dem Schwarzmarkt verkauft und dein Leben zieht durch andere, während du tot bist.
Er hatte immer einen Hang zum Drama.

„Ja, wir sind gestern hier hergezogen", ich lächelte sie freundlich an und warf einen Blick auf meine Uhr. Ich hatte zwar keine Lust auf den Ort der sich Schule nannte, aber Zuspätkommen am ersten Tag, wäre sehr respektlos.
„Du gehst doch bestimmt auch auf die Sunny High, oder? Ich kann dich mitnehmen"
Ich wollte ablehnen, da ich dachte es wäre bloß eine Höflichkeitsfloskel gewesen. Ich setzte bereits dazu an, aber das Mädchen unterbrach mich.: „Ich bestehe darauf. Ich gehöre zum Begrüßungskomitee an meiner Schule. Es wäre unhöflich dich alleine fahren zu lassen."
Beeindruckt, von der Tatsache dass diese High School ein Begrüßungskomitee hatte, stieg ich in den Wagen und warf die Tür hinter mir mit einem ‚Wumms' zu.

Ich hätte nicht gedacht, dass die Autofahrt so, naja, gesprächig wird. Eigentlich konnte Ally nämlich gar nicht mehr aufhören zu reden.

„Wo kommst du her?"
„Hast du einen Freund?" (Dies ließ sie übrigens mit einem Augenbrauenwackeln im Raum stehen)
„Wie siehts in deiner Familie aus? Sind deine Eltern geschieden, getrennt, zusammen oder bist du adoptiert?"

Selbstverständlich ist mir klar, dass man in einem Begrüßungskomitee quasi daran gebunden ist viel reden zu können, aber wie kann ich mir die erste Sitzung dieses Komitees vorstellen?
"Wie haben alle, lange darauf gewartet und endlich hat uns die Schule ein Begrüßungskomitee ermöglicht. Kommen wir gleich zum wichtigsten Part dieses Komitees. - die Begrüßung. Stellt ihnen richtig viele Fragen, damit sie sich für den Moment überfordert fühlen und dann mit ihren richtigen Freunden voll durchstarten. Ihr wisst, unser Motto ist schließlich: 'Übertriebene Überforderung haut die Leute völlig um.'"
Um Gottes Willen. Du denkst schon wieder über zu viele Details nach, April. Und du wirst dabei viel zu unrealistisch.

"Alles in Ordnung bei dir? Du wirkst ziemlich abwesend."
Ich sah Ally an, legte ein Lächeln auf meine Lippen und drehte den Spieß um.

"Hast du einen Freund?"
"Nein."
"Sind deine Eltern zusammen, oder getrennt?" Diese Frage erschien mir absurd, aber vielleicht merkte sie ja dadurch selbst, wie dämlich diese Frage ist.
"Sie sind verheiratet."
Es folgte das selbe Fragenmeer, welches auch auf mich eingeprasselt war.
Spätestens bei einer Frage wirkte sie wie das blühende Leben.
"Und hast du Geschwister?"
Sie fing über alle Maßen an zu grinsen und wirkte wie weggetreten: "Ja, einen Zwillingsbruder. Sein Name ist Noah. Eigentlich sind wir gleich alt, aber manchmal kommt es selbst mir so vor, als wäre er älter. Er versucht mich ständig zu beschützen."
Ich nehme an, ihr gefällt dieser Fakt nicht, denn sie verzieht das Gesicht stark.
„Es gibt Momente, da könnte ich ihn zum Mond schießen, aber auch welche in denen ich ihn einfach ganz fest an mich drücken möchte."
Dass wir uns erst seit knapp zehn Minuten kennen, scheint gerade völlig in den Hintergrund zu rutschen. Sie konnte nicht mehr aufhören, von ihm zu erzählen. Ally erzählte so detailliert von ihrem Bruder, dass sich diese zehn Minuten nicht mehr wie zehn Minuten anfühlten. Wir unterhielten uns bis wir am Sekretariat angelangt waren, waren wir immer nich nicht fertig mit reden. Es war, als kannten wir uns seit Ewigkeiten.

Bang, Bang, BangWhere stories live. Discover now