Ich warf Federico ein flüchtiges Grinsen zu, als er in meine Richtung sah. Das ließ ihn aber nur noch unruhiger werden.

Er räusperte sich.

»Liebe Mitschüler, liebe Lehrer«, setzte er an. Sein italienischer Akzent war stärker als sonst, wie immer, wenn er sich in einer emotionalen Ausnahmesituation befand. »Mit dem Abschluss endet unsere gemeinsame Schulzeit. Vielleicht ist heute ein guter Zeitpunkt, um auf den Weg zurückzublicken, der hinter uns liegt.«

Pflichtbewusst wie er war, hatte er seine verschissene Rede schon ein paar Wochen zuvor vorbereitet. Während ich das Gras abwog und in Plastiktütchen füllte, hatte er mit konzentriertem Blick auf seinem Bleistift herumgekaut und eine Formulierung nach der andern umgestellt. Auch wenn wir unsere Zeit so unterschiedlich gestalteten, verbrachten wir sie meist zusammen.

Federico warf nach dem Ende seiner Rede ein flüchtiges Grinsen ins Publikum, ehe er die Bühne verließ und auf seinen Platz zurückkehrte. Ihm folgten der Schuldirektor und andere Kerle im Anzug, die sich einzig aufgrund dessen für etwas Wichtiges hielten. Sie waren arrogante Wichser, die meinten Macht innezuhaben und trotzdem von niemanden respektiert wurden.

Lächerliche Idioten, die keine Ahnung hatten. Als würde irgendwer in einem Viertel wie diesem etwas auf deren selbstbeweihräucherndes Gelaber geben.

Als die Feier sich ihrem Ende zugeneigt hatte, standen wir an den Stehtischen im Foyer beieinander. Es wurde gesoffen und geredet. Das taten sie ohnehin viel. Sie wussten nichts, aber viel zu sagen hatten sie alle.

Breit grinsend schlug ich meinem besten Freund auf die Schulter.

»Verdammt, du hast das echt geschafft. Respekt, Mann.«

Auch wenn es für mich völlig unnachvollziehbar war, war es immer Federicos Ziel gewesen, eines Tages als Jahrgangsbester diese verschissene Schule zu verlassen. Dafür hatte er gekämpft und es letzten Endes auch erreicht. Ein Verhalten, für das ich ihn zutiefst respektierte. Schließlich war ich nicht anders drauf.

»Danke.« Er warf mir ein ehrliches Lächeln zu. Es entblößte seine Zähne, die ein wenig schief waren, und ließ die Grübchen tief in seine Wangen graben.

»Diese ganzen scheiß Streber machen mich krank«, kam es von Leonardo, der seinen Blick über die umstehenden Tische gleiten ließ. Wie immer konnte er es nicht lassen, auf sich aufmerksam zu machen. Seufzend fuhr er sich durch die Haare.

»Sagst du nur, weil du nichts auf die Reihe kriegst!«, gab Federico zurück.

»Hältst dich für was Besseres, was?« Leonardo verschränkte die Arme vor der Brust und kaute auf seiner Unterlippe herum. »Dai cazzo, Fede!«

»Jungs, nicht streiten!«, mischte sich Gloria ein, doch schaffte es trotz ihres bestimmten Blickes nicht, die Diskussion ihrer beiden Brüder zu unterbrechen. Die zwei stritten sich weiterhin auf Italienisch, während ich die Hände in den Taschen meiner Jeans vergrub und meine Aufmerksamkeit auf die anderen Besucher des Abiballs lenkte.

Der ein oder andere warf mir einen musternden Blick zu, schließlich kannte man mich hier noch, auch wenn's eine ganze Weile her war, dass ich das letzte Mal den Unterricht besuchte.

Noch immer respektierten sie mich und ich war mir sicher, dass sich manche von ihnen einzig aufgrund meiner Anwesenheit unwohl fühlten. Ich genoss dieses Gefühl. Sie wussten, wer ich war und sie fürchteten mich.

Auch wenn es genug Menschen gab, die diese Lektion scheinbar noch nicht gelernt hatten.

»Das ist der Kerl, den sie in der Zehnten mit Drogen erwischt haben!«, nahm ich irgendwo hinter meinem Rücken wahr. Unauffällig drehte ich mich ein wenig und beobachtete aus dem Augenwinkel ein Mädel, das in meine Richtung nickte und dann mit gedämpfter Stimme seine Erzählung fortführte. Die Mutter folgte dem Nicken und sah mich abwertend an, ehe sie entrüstet mit dem Kopf schüttelte.

Die Verlierer - Könige der PlattenbautenWhere stories live. Discover now