Kapitel 1

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Ist das Glas halb voll oder halb leer? Eine richtige Antwort gibt es nicht. Es ist jedem selbst überlassen, was er sagt oder denkt. Für mich ist es aber halb leer und dafür habe ich sogar eine Begründung. Wenn etwas leer ist, befindet sich dort nichts, wie es ja bei dem oberen Teil des Glases der Fall wäre. Wenn etwas voll ist, dann passt nichts mehr rein, was nicht der Fall wäre, da nach oben noch Platz ist. Generell macht das Wort "halb" den Sinn von "voll" nieder, also kann das Glas überhaupt nicht halb voll sein. Theoretisch könnte man dies auch auf  "halb leer" beziehen und somit wäre die einzige Möglichkeit, dass das halbe Glas leer ist oder eben voll. Aber da stellt sich dann noch die Frage, wie man das halbe Glas definiert. Also wieder ein Zwiespalt, der ausdiskutierbar wäre, Betonung auf wäre. Ungefähr so geht es hin und her in meinem Kopf und das 60 Sekunden die Minute, 60 Minuten die Stunde, 24 Stunden des Tages, 365 1/4 Tage des Jahres und das nun seit fast 16 Jahren. Kompliziert oder? Ich denke, es ist unvorstellbar, wie sehr ich mich manchmal dafür hasse. Diese Gedanken können unerträglich werden, da ich sie natürlich nicht steuern kann. Ich kann nicht entscheiden, was ich denke oder wann ich es tue. Das kann einen Menschen ganz schön kaputt machen, vor allem in meinem Alter. Ich nehme an, dass meine komplexen Gedankengänge der Grund dafür sind, dass ich ein ungesundes Verhältnis von Selbst- und Fremdeinschätzung besitze. Um dies etwas zu verdeutlichen, gebe ich ein Beispiel, das mein (halber, da er noch Referendar ist,) Deutschlehrer gesagt hat: Die Leute, die zu DSDS gehen finden sich selber total geil und sind von sich selbst überzeugt. Da sie sich aber völlig falsch einschätzen und eigentlich nichts können, ist es für die Zuschauer sehr belustigend, da die natürlich merken, dass die meisten Kandidaten untalentiert sind. Bei mir ist das genau andersrum. Das meinte er jedenfalls zu mir. Wenn ich ehrlich bin, muss ich gestehen, dass mir diese Worte von ihm total die Sprache verschlagen haben. Ein sinnvoller Satz als Antwort kam nicht zu Stande. Ich weiß ja, dass ich genauso bin, wie er es vermutet und zu diesem Zeitpunkt das erste Mal richtig ausgesprochen hatte. Trotzdem war es ein komisches Gefühl, das mal von irgendwem anders zu hören, als meiner eigenen inneren Stimme. Das schlimmste war sowieso sein wehleidiger Blick als er diesen Vergleich aussprach. Auf mein Gestammel, welches eigentlich meine misslungene Antwort war, schaute er nur noch wehleidiger, fast so als würde er sich etwas Sorgen machen. Aber das kann nicht sein, nein, definitiv nicht. Es hat sich noch nie jemand ernsthaft Sorgen um mich gemacht. Wieso auch? Ich schaff das ja schon, jedenfalls ist das, das was alle anderen immer denken. "Lass sie nur machen, dass schafft sie schon alleine." Und was, wenn ich euch allen jetzt sage, dass dies nicht der Fall ist und auch noch nie wirklich wahr? Was macht ihr dann?

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⏰ Last updated: Mar 24, 2018 ⏰

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Schein-OptimistWhere stories live. Discover now