Laurents Stimme durchbrach meine Gedanken.

„Wir sahen ein paar auf unnatürliche Weise getötete Tiere“, sagte er mit ruhiger Stimme, sein französischer Akzent war kaum zu hören. „Da sind wir neugierig geworden. Ich bin übrigens Laurent, das sind Victoria und James“, erklärte er, auf seine Begleiter deutend.

Edward spannte seinen Kiefer an, doch er löste seine Spannung ein wenig. „Ich bin Edward, das ist Bella.“ Er machte eine Bewegung hinter sich. Ich fuhr zusammen, als ich sah, wie James seine Nasenflügel blähte. Auch Edward war das nicht entgangen, doch er blieb ruhig. „Wir haben hier einen festern Wohnsitz, unser Jagdgebiet beschränkt sich auf die Tiere in den Olympic Mountains, gelegentlich auch auf die entlang der Coast Ranges. Ich weiß nicht, ob ihr schon einmal von einer Art wie unserer gehört habt – in der Nähe von Denali gibt es eine weitere Gruppe, die so lebt wie wir.“

 „Dann tut es uns aufrichtig Leid, dass wir in eurem Gebiet Unruhe gestiftet haben. Wir wussten nicht, dass auf diesen Ort Anspruch erhoben wird.“ Als Zeichen seiner Entschuldigung hob Laurent seine Hände.

„Wenn ihr euch in Zukunft zügeln könnt, werden wir darüber hinwegsehen können.“

Laurent schüttelte den Kopf, das Lächeln blieb unverändert. „Wir sind eigentlich nach Norden unterwegs, also werden wir euch nicht weiter belästigen.“ In seine Augen trat ein unheimliches Interesse. „Wie könnt ihr so überleben?“

„Das ist eine ziemlich lange Geschichte“, sagte Edward und schnaubte.

Es war das erste Mal, dass sich Victoria zu Wort meldete. Ihre Stimme war ein hohes Piepsen, trotzdem wirkte sie wild und unbezähmbar. „Wie ihr sicherlich wisst, haben wir alle Zeit der Welt.“

„Ein andermal, wenn ihr erlaubt“, sagte Edward kopfschüttelnd und nahm meine Hand, „denn wir waren gerade auf dem Weg zurück in unser Haus. Wenn ich euch noch einmal daran erinnern darf, nicht in unserer Umgebung zu jagen, möchte ich mich jetzt von euch verabschieden. Guten Abend noch.“ Die überhöfliche Art, die er an den Tag legte, bereitete mir ein mulmiges Gefühl. Ihm gefielen ihre Gedanken anscheinend nicht.

„Oh, natürlich. Vielleicht sieht man sich irgendwann mal wieder. Euch auch noch einen guten Abend“, sagte er und drehte sich um. Victoria tat es ihm nach, nur James stand noch einen Augenblick wachsam da und durchbohrte mich mit seinen blutunterlaufenen Augen.

Als er sich auch endlich von mir abwandte, seufzte ich leise und genoss die Erleichterung, die sich in mir ausbreitete. Doch leider währte meine Vorfreude nicht lange, denn ein sachter Windstoß berührte meine Haare und wog sie in sich, trieb meinen Geruch sozusagen direkt zu James, der sich abrupt umdrehte und seine mordlustigen Augen auf mich richtete. Mich durchzuckte ein Schauer, als ich an das nun Bevorstehende dachte, und meine Knie wurden weich. Edward erstarrte neben mir wieder zu einer Marmorstatue.

James machte einen Ausfallschritt und kauerte sich hin, sein gesamter Körper war bereit zum Sprung, vielleicht sogar für eine mögliche Jagd nach mir und meinem leckeren Duft. Edward duckte sich ebenfalls in die Hocke und entblößte seine weiß schimmernden, spitzen Zähne. Aus seiner Kehle drang ein wildes, ungeheures Knurren, gefährlicher und verschreckender, als ich es bisher zu Ohren bekommen hatte. Vielleicht war es sogar das Bedrohlichste, was ich je gehört hatte. Schauer an Schauer liefen mir den Rücken runter und breiteten sich in einer rasenden Gänsehaut über meinem ganzen Körper aus. Ich drohte, jeden Moment umzukippen.

Blitzschnell standen Laurent und Victoria wieder an James’ Seite, sie grinsten frech und überlegen in unsere Richtung. Für einen Moment schloss Laurent seine Augen, nur um mich den Bruchteil einer Sekunde später mit hungrigen Blicken zu fürchten.

Bis(s) zum Erwachen - Wie ein Déjà-vuWhere stories live. Discover now