Kapitel 14 - Dean

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Will hatte sich mit seinem Geschenk Zeit gelassen. Es kam erst kurz vor Weihnachten an, als Dean seins schon lange verschickt hatte. Vielleicht war das auch gut so, denn wann immer er es im Wohnzimmer unter dem kümmerlichen Weihnachtsbaum sah, war die Vorfreude so groß, dass es ihn echte Überwindung kostete, es nicht sofort aufzumachen. Zu allem Überfluss hielt Deans Familie es mit den Geschenken eher traditionell: Am vierundzwanzigsten würden sie zusammen essen - seine Mum, Oliver und er selbst - und erst am fünfundzwanzigsten nach dem Frühstück die Geschenke auspacken. Wills Familie sah das lockerer, aber Will hatte ihm versprochen zu warten, damit sie ihre Geschenke zusammen auspacken konnten.

Wäre Oliver nicht gewesen, hätte Dean Weihnachten geliebt. Wenn seine Mum endlich einmal nicht arbeiten musste und zuhause war und kochte. Sie kochte zwar nicht besonders gut, aber darüber sah Dean nur allzu gern hinweg. Früher, vor Oliver, hatten Dean und sein Bruder Cam die Ferien immer dazu genutzt, um alle möglichen Dinge zu tun. Schneeballschlachten mit Kindern aus der Nachbarschaft, gefolgt von heißer Schokolade mit Marshmallows vor dem Fernseher, mit feuchten Haaren, roten Ohren und strahlenden Augen. Sie hatten mit ihren Weihnachtsgeschenken gespielt und sich Märchen von ihrer Mutter vorlesen lassen. Das war schon sehr lange her, aber Dean klammerte sich an diese Erinnerungen wie ein Ertrinkender an einen Rettungsring. Nach dem Desaster an Thanksgiving brauchte Dean natürlich gar nicht erst damit rechnen, Cam nach knapp einem Monat bereits wiederzusehen. Viel wahrscheinlicher war es, dass Cam dieses Haus nie wieder betreten würde. Dean vertrieb die aufsteigende Resignation und die Traurigkeit jedes Mal mit dem Gedanken an das Geschenk von Will. Zweifellos würde er ihn auch dieses Mal aufheitern, wie er es zu Thanksgiving auch schon getan hatte.

Freu dich nicht zu früh, es ist wirklich nicht so bemerkenswert, warnte Will ihn mehrmals im Voraus.

Dean glaubte ihm kein Wort. Er hätte sich auch über ein paar hässlicher Wollsocken gefreut, solange sie von Will kamen.

Am letzten Schultag wurde er von Kyara in eine knochenbrechende Umarmung gezogen. Sie fuhr über Weihnachten mit ihrer Familie zum Skifahren nach Aspen und es war jedes Jahr aufs Neue ein Weltuntergang für sie, ihre Freunde eine Woche lang nicht zu Gesicht zu bekommen.

„Ich werde vergessen, wie ihr ausseht!", rief sie dramatisch und machte eine Show daraus, Lemon anzustarren als wolle sie sich jede Kleinigkeit seines Gesichts einprägen.

Lemon grinste sie schräg an. „Und dann eine Woche lang in einer Hütte mit deinen Schwestern", ergänzte er schadenfroh.

„Ach, hör auf, es wird der Horror!" Sie übertrieb gewaltig. Dean wusste sehr genau, Kyara hätte mehrere Morde begangen, für jede ihrer Schwestern. Außerdem lud Kyara jedes Jahr ein Fotoalbum von der Zeit aus Aspen bei Facebook hoch und wer auch immer diese Fotos schoss, war ein Genie. Dean würde sich nie über etwas beschweren, bei dem derart geniale Bilder von ihm entstanden.

Kyara warf einen Arm um Alessandros Schultern, der gerade auf dem Weg nach draußen zum Parkplatz war und hielt ihn auf. „Und dich werde ich auch vermissen."

Alessandro wurde rot. „Äh, danke?"

„Das heißt 'ich werde dich auch vermissen', du Blödmann." Sie stieß ihn grinsend mit ihrer Hüfte an, ehe sie ihn losließ. Mit hochrotem Gesicht blieb er stehen und sah aus, als wollte er etwas sagen, ehe er leicht den Kopf schüttelte und sich mit einem halbherzigen Winken aus dem Staub machte.

„Foltere den Armen doch nicht so", beschwerte sich Lemon, ebenfalls kopfschüttelnd. „Frag ihn einfach, ob er mit dir ausgeht, da hast du doch sonst keine Hemmungen."

Kyara machte ein abfälliges Geräusch und überreichte Lemon ein Päckchen statt einer Antwort. „Erst an Weihnachten aufmachen."

„Verklag mich doch", entgegnete Lemon und riss das Geschenkpapier ab. Zum Vorschein kam eine hellgelbe Tasse mit einer Abbildung von Grumpy Cat und dem passenden Schriftzug „no" auf der gegenüberliegenden Seite.

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