„Khalida. Täubchen", Walsh schnippte mit den Fingern, um ihre Aufmerksamkeit zurückzuerlangen, „Ich habe dir gerade einen Vortrag darüber gehalten, wie sehr ich es verabscheue, dass du hier bist, weil ich eigentlich zum Proben im Kern sein müsste und keine Zeit habe den Babysitter zu spielen."

„Schön", murmelte Cress, „Schön."

Sie trainierten weiter, Tag um Tag, Muskelkater um Muskelkater, bis die zwei Wochen vorüber waren und sie wieder einmal in der Küche standen und kochten.

„Also, wir kennen uns jetzt schon seit ein paar Tagen und du magst mich nicht, aber", setzte Cress an.

Walsh wirbelte ein Messer durch die Luft und fing es so geschickt wieder auf, als würde er in seiner Freizeit gerne mit scharfen Gegenständen jonglieren.

„Nimm's nicht persönlich, Khalidachen, ich mag niemanden."

„... aber erlaube mir das noch schlimmer zu machen, indem ich folgendes frage: ..."

Walsh salzte ungerührt das brutzelnde Fleisch, doch sie bemerkte, dass sie seine Aufmerksamkeit geweckt hatte.

Cress grinste.

„Hattest du mal was mir Rachelle?"

Sein Blick hätte sie auf der Stelle zu Staub zerfallen lassen müssen. Ihr Grinsen wurde nur noch breiter.

„Ach, sieh einer an. Warst du netter, bevor sie dich abserviert hat?"

„Ganz dünnes Eis, Khalida, ganz dünnes Eis."

Cress sagte nichts mehr, grinste nur in sich hinein und rührte eine Salatsoße zusammen.

„Es reicht! Hör' auf so zu grinsen!", giftete er irgendwann und sie brach in schallendes Gelächter aus.

„Und nur, dass das klar ist, ich habe sie abserviert", hängte er noch an, bevor er ihr ziemlich aggressiv einen Teller in die Hand drückte.

„Aber klar doch."

Sie aßen an den gegenüberliegenden Enden der Küche. Vorrübergehend hatten sie beide ihre Ruhe, weil sie absolut ausgehungert waren.

„Ich muss zugeben, ich bin ein bisschen enttäuscht, dass du noch nicht um Gnade gebettelt hast", bemerkte er nach einiger Zeit.

Cress hatte einen riesigen Fehler begangen, als sie ihn auf Rachelle angesprochen hatte. Als sie von ihrem Essen aufblickte und seinen Blick traf, wurde ihr klar, wie teuer sie dafür bezahlen würde. Doch das war es wert gewesen.

„Lebe deinen Traum, Walsh, lebe deinen Traum", murrte sie und stellte ihren Teller ab. Jeder einzelne ihrer Muskeln fühlte sich an wie Stein, als sie aufstand und sich mit einem „Nacht, Walsh" zum Gehen wandte.

„Du willst jetzt wirklich schlafen gehen, Khalida? So ganz wie das langweilige, kleine Mäuschen, das du bist?", fragte er plötzlich provokant.

„Falls du mich mit irgendwelchen Nachtläufen bestrafen willst: Nein. Scheiße nein", sagte sie über die Schulter.

„Wenn du danach noch richtig laufen kannst, dann wäre ich überrascht."

Langsam und mit hochgezogenen Augenbrauen wandte sie sich zu ihm um. Jetzt war es an ihm, die Augen zu verdrehen.

„Das hat sich falsch angehört. So meine ich das nicht."

„Fragst du mich, ob ich einen mit dir trinken gehe?"

„Ja. Ob du dich mit mir betrinken willst."

„Das hört sich aber weniger romantisch an."

„Romantisch? Komm schon, wir beide wissen doch nicht einmal, wie man das Wort ‚romantisch' schreibt."

„Und warum sollte ich mich grundlos mit dir betrinken? Damit ich mich am Ende noch verrate und du den Spaß deines Lebens hast?"

„Durchschaut."

„Ihr Gelben fallt doch schon um, wenn ihr Hustensaft riecht."

„Ist das eine Herausforderung?"

Zehn Minuten später drückte Walsh der Farblosen einen Drink in die Hand. Sie hatte jedoch nach Manier des Karobuben den Barkeeper bestochen, ihr statt Schnaps nur Wasser einzuschenken und verbrachte die nächste halbe Stunde damit zuzusehen, wie der Artist blasser wurde.

„Gut, dass wir das erst jetzt machen. Das hier hätte unser Lehrer-Schüler-Verhältnis ganz schön auf den Kopf gestellt", meinte sie irgendwann zu einem mit dem Kopf auf dem Tresen liegenden Walsh. Sie tätschelte ihm die blonden Locken. Wer hätte gedacht, dass sie im gelben Bezirk so viel Spaß haben würde?

Jemand tippte ihr auf die Schulter und Cress fuhr herum, bereit, zuzuschlagen. Doch es war nur Rachelle, die sie seit dem Tag ihrer Ankunft nicht mehr gesehen hatte. Die Tänzerin warf einen milde erfreuten Blick in Richtung ihres Exfreunds, bevor sie fragte:

„Du hast Walsh dazu bekommen, dich mit auf das Dach zu nehmen? Was bist du? Eine Göttin?"

„Nur sehr sarkastisch und gemein."

„Ah", über das Dröhnen der Musik hörte Cress sie kaum, „Bist du bereit?"

Bist du bereit für den gefährlichsten Alleingang in deiner Karriere?

Bist du bereit, dein Leben zu riskieren und dich an einen Ort zu begeben, den Menschen wie du niemals mit eigenen Augen gesehen haben, ohne kurz darauf hingerichtet zu werden?

Nein. War sie nicht. Doch sie war durchaus bereit, in einen gewissen aristokratischen Hintern zu treten.

SkythiefWhere stories live. Discover now