(6) Zärtlichkeit & Verbindung

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- Draco -

Als Granger mich entdeckte, sprang sie auf. Ich musste einfach grinsen.

„Erschreck doch nicht so. Keine Angst. Ich werde dich ganz sicher nicht nochmal so erschrecken", beruhigte ich sie spöttisch.

Granger warf mir einen vernichtenden Blick zu. „Ach doch, tu es doch bitte. Ich würde dich zu gern mit verkohltem Gesicht auf dem Boden liegen sehen", sagte sie und lächelte dabei plötzlich unschuldig.

Ich bemerkte, dass ihre Finger tatsächlich um ihren Zauberstab geklammert waren. 

Demonstrativ zog ich eine Augenbraue hoch. „Granger, möchtest du wirklich gegen die Schulregeln verstoßen?" 

„Ach, Gewalt und Drohungen sind dann aber wohl erlaubt, oder was?", regte sie sich auf.

Gleichzeitig las ich Bedauern in ihren Augen, als ärgere sie sich über sich selbst. „Das nennst du eine Drohung", musste ich da herzlich lachen. „Soll ich dir mal zeigen, was eine richtige Drohung ist?"

Daraufhin ging sie zurück und wäre beinahe über die Stufen gestolpert. Sie zückte ihren Zauberstab und hielt ihn bedrohlich auf mich gerichtet. Ihre Wangen röteten sich. 

„Ach Granger", seufzte ich und wandte mich gelangweilt ab. „Bilde dir doch nichts ein. Als würde ich meine Zeit mit dir verschwenden."

Die Gryffindor schloss die Augen und sah so aus, als schlucke sie ihren Ärger einfach hinunter. Sie setzte sich wieder hin und starrte irgendwo in den Himmel.

Ich lehnte mich wartend an die Hauswand. Wann kam dieser blöde Wildhüter denn endlich? Immerhin verschwendete ich hier kostbare Minuten meiner Freizeit.

Ich folge Grangers Blick zum Eulenturm, den sie vorhin schon konzentriert angesehen hatte. Die Eulen erweckten in mir den Drang, meinen Besen zu holen und mich ebenso hoch oben in die Lüfte zu begeben. Da oben gab es keine Sorgen. Da oben konnte mir niemand etwas sagen, nicht einmal mein Vater. Das da oben nannte man Freiheit.

Aus dem Augenwinkel sah ich, wie Weasley sich näherte. Wieso ihm Granger nichts von der Umstellung des Projektes gesagt hatte? Aber egal, das war ja nicht mein Problem. Ich versuchte sein Gebrabbel zu ignorieren, mit dem er Granger begrüßte.

Merlin sei dank erschien der riesige, bärtige Mann bald. Er hielt ein Päckchen in den großen Händen, so vorsichtig, als könnte es jeden Moment zerbrechen.

„Hallo Kinder. Tschuldigung für die Verspätung, die Übergabe is nich ganz nach Plan gelaufn." Er drückte Hermine sanft das braune Päckchen in die Hände. Es war quadratisch, etwas größer als ein Quaffel und mit einigen Bändern befestigt.

„Schön, dass es dir wieder besser geht, Ron", brummte der Halbriese fröhlich, während er die Tür aufschloss. „Muss nur ma kurz was holen, Augenblick", hörten wir seine Stimme von drinnen.

Er trug einige Decken hinaus. „Gut, dann kommt mit mir", leitete er uns. Wir gingen über die Wiese und kamen bald an einem scheunenartigen Gebäude an.

„Da grad keine Pferde im Stall sind, könn wir den ruhig fürs Projekt nutzn. Jedes kleine magische Tier unseres Unterrichts kann hier untergebracht werdn." Er öffnete die große Holztür.

Es stank nach Heu und nach Pferdemist. Ich hätte vor Freude aufspringen können, meine Freizeit nun hier verbringen zu müssen.

Er führte uns durch die Gänge mit den abgezäunten Bereichen. Bei dem letzten blieb er stehen. Es war alles leer geräumt, nur der blanke, kalte Steinboden war da.

„Jedes Team musses ja selbst einrichten wies das Tier gern hat", erklärte Hagrid. „Da ihr aber das einzige Ei habt müsst ihr ja extra was machn. Die anderen kommen erst nächste Woche. Deshalb helf ich euch." Er drückte Weasley die Decken in die Hand. „Viel Glück", rief er und verschwand dann.

„Das war's? Das war die Hilfe?", sprach ich meine Gedanken verdutzt aus. 

Granger kniete sich auf den kalten Boden und stellte das Paket bedächtig ab. „Malfoy, kannst du bitte nach einer Art Tisch oder Ablage Ausschau halten?", bat sie, ohne mich anzusehen.

Ich drehte mich um und sah mich in dem großen Stall um. In den anderen Boxen war tatsächlich nichts, aber ich fand einen Lagerraum, in dem ich eine bis zum Bauch große, mit Heu gefüllte Holzkiste entdeckte. Mit einem Schwebezauber beförderte ich sie zu den anderen.

„Danke", meinte Granger. Das Wiesel musterte mich mit einem misstrauischen, etwas zornigem Blick, den ich zu ignorieren beschloss.

Er breitete eine von Hagrids Decken über dem Heu aus. Granger legte das Päckchen sanft darauf ab und begann es langsam mit viel Fingerspitzengefühl zu öffnen. Ich konnte ihren schnellen Atem neben mir hören. Auch ich war seltsamerweise ein bisschen neugierig.

Mit unendlicher Langsamkeit zog sie das Papier weg. Darin war ein Pappkarton. Auch diesen öffnete sie. Zitterten ihre Finger etwa?

In dem Karton war zunächst nur Watte zu sehen. Sie griff vorsichtig hinein und hielt dann die Luft an. Wie das kostbarste der Welt, mit dieser Zärtlichkeit, zog sie ein beigefarbenes Ei heraus. Es hatte etwa die Größe einer geschlossenen Faust.

Ich nahm das Papier und den Karton weg, damit sie es in die Decke legen konnte. Weasley reichte Granger die restlichen Decken, welche sie sorgfältig um das Ei arrangierte. Dann trat sie zurück, zückte ihren Zauberstab und murmelte etwas.

Sogleich wurde mir angenehm warm. Die Gryffindor hatte einen Spruch gesprochen, bei dem sich die Wärme wie eine Luftblase um das Ei und seine Umgebung legte. Ich war mir sicher, dass sie auch die Temperatur genau bestimmt hatte.

Dann murmelte sie erneut etwas. Das Ei leuchtete kurz auf, erlosch wieder, dann leuchtete ihr Zauberstab ebenso kurz auf. „Ihr solltet euch auch mit ihm verbinden." Ihre Stimme glich beinahe einem Flüstern.

Ich tat es ihr nach, während sie Weasley erstmal den Zauberspruch erklären musste. Dabei spürte ich eine kurz auftretende Wärme in meinem Zauberstab und das hinterlassende Gefühl von tiefer Verbundenheit. Erstaunt starrte ich das Ei an.

Dann beschloss ich zu gehen, weil mir diese Atmosphäre zu seltsam wurde. „War's das?", fragte ich prompt. 

Granger sah mich an, als hätte sie für einen Moment meine Existenz vergessen. „Ähm, ja, klar." 

„Gut", entgegnete ich und machte mich schleunigst auf den Weg zur Schule zurück.

  *

„Draco, wo warst du?", fing mich Pansy im Gemeinschaftraum ab. 

„Beim blöden Hagrid, das Ei abholen", antwortete ich knapp. 

„Oh", meinte sie mitfühlend. „Willst du was unternehmen?" 

„Nee, das Training beginnt gleich", wich ich aus.

 „Achso, na dann kann ich doch sicher mitkommen", schlug sie mit großen Augen vor. Seit wir getrennt waren ging sie mir noch mehr auf die Nerven als in der Zeit unserer Beziehung. 

„Ja, sicher", bestätigte ich einfachheitshalber.

„Super", jubelte sie erfreut. Das brachte mich dann doch zu einem kleinen Lächeln.

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Rückmeldungen sind wie immer mehr als herzlich willkommen <3

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