(4) Im verbotenen Wald

Start from the beginning
                                    

Daraufhin verzog sie ihr Gesicht. „Glaub mir Malfoy, auf deine Anwesenheit hätte ich gerne verzichtet", erwiderte sie gereizt.

Damit war die Diskussion anscheinend vorbei, da sie mir den Rücken zukehrte und durch den Eingang des Waldes schritt. Mir blieb nichts anderes übrig, als ihr hinterher zu gehen.

Ich bekam schon jetzt den Anflug leichter Kopfschmerzen. Der Wald war so dicht bewachsen, dass es augenblicklich einige Nuancen dunkler wurde. Es roch nach Erde, Blättern und Moos. Außerdem war es furchtbar still. 

Granger starrte mich an. „Scheinst ja super vorbereitet zu sein", meinte die Gryffindor sarkastisch. Ich erkannte sofort, warum. Sie trug einen großen Rucksack, aus dem klappernde Geräusche kamen, als sie ihn abzog und auf die Erde setzte. Ich dagegen hatte gar nichts dabei.

Sie zog sich Handschuhe über, bot mir aber keine an. Stattdessen hielt sie mir ein großes, gläsernes Gefäß hin. „Hier. Sammel einfach irgendwas, was sich bewegt." Wütend nahm ich es entgegen und starrte sie böse an. Machte dieses arrogante Schlammblut sich etwa über mich lustig? Irgendwas, was sich bewegt. Als wüsste ich nicht, was Insekten waren.

Unbeeindruckt wandte sie sich ab, holte ein weiteres Glas hervor und zog sich den Rucksack wieder auf. Gebückt schlichen wir herum, etwas entfernt voneinander, den Blick auf den Boden gerichtet. Als ich etwas später den ersten braunen, fetten Käfer entdeckte packte ich ihn einfach mit den bloßen Fingern und warf ihn ins Glas.

Zögernd sah ich zu Grangers Glas herüber, in dem schon ein paar Insekten lagen, die sich nicht bewegten. Sie bemerkte meinen Blick. „Ich schläfere sie ein. Wenn das Glas voll ist werde ich einfach den Sauerstoff entfernen. So müssen sie nicht leiden", erklärte sie mir.

Seufzend zog ich meinen Zauberstab hervor und tat es ihr nach. 

„Wenn es geht, halt Ausschau nach weich aussehenden Insekten ohne dicken Panzer. Direkt nach dem Schlüpfen wird der Augurey es so leichter haben, etwas zu fressen. Ein paar härtere Insekten sind aber auch gut, um seinen Schnabel langsam zu kräftigen", schilderte sie, während sie konzentriert den Boden durchsuchte.

„Aha", äußerte ich mich bloß dazu.

Ich entdeckte einen alten Baumstumpf, in dem es vor Insekten nur so wimmelte. Schnell füllte sich mein Glas mit schlafenden Käfern und Heuschrecken, hier und da auch ein paar Schnecken.

„Sobald wir das Ei erhalten haben, ist es wichtig, dass wir es warm und geschützt halten. Wir sollten einen Zauber darauf legen, um informiert zu sein, wenn der Augurey zu schlüpfen beginnt. Wir sollten dann alle dabei sein, damit wir von Anfang an Bezugspersonen für den Vogel darstellen. Das ist wichtig, weil es sonst etwas schwerer werden kann, sein Vertrauen zu gewinnen. Anfangs müssen wir ihn dann genug füttern, dann wird er schnell selbstständig und kann selbst jagen fliegen", rasselte Granger herunter, als hätte sie das alles auswendig gelernt. Hatte sie wahrscheinlich auch.

Die Kopfschmerzen nahmen zu, meine Schläfen pochten schmerzhaft. Konnte sie nicht einfach mal still sein?

Mein Glas war voll. Erstaunt sah sie mich an, als ich es ihr wortlos überreichte. Zufrieden nahm sie es und steckte es in ihren Rucksack. Ihres war auch schon fast voll. „Naja und dann müssen wir dafür sorgen, dass er mit seinem Geschrei nicht ganz Hogwarts in Unruhe versetzt. Das wäre ein Problem, da es diesen Sommer ja relativ oft regnet. Aber ich bin sicher, dass wir das hinkriegen. Das Ei von Hagrid ist übrigens vom verbotenen Markt, wo es verkauft werden sollte. Er hat es gerettet, sozusagen. Es hätte dann bestimmt als Vogel für die Wettervorhersage leben müssen, eng in einem Käfig eingesperrt...", laberte sie weiter und weiter.

Meine Schläfen pochten noch heftiger und ich schloss die Augen. Die Hand mit meinem Zauberstab zuckte, ich war kurz davor ihr einen Fluch auf den Hals zu hetzen, der sie zum schweigen bringen würde. Ich hörte nicht einmal mehr zu, aber sie redete immer noch. „Granger", fauchte ich da plötzlich laut und wütend.

Ohne nachzudenken packte ich ihre Handgelenke und schubste ihren Körper gegen den nächstbesten Baum. Erschrocken weiteten sich ihre Augen. Ihr offenes Glas fiel zu Boden, doch die Insekten darin schliefen ja sowieso.

Mit großer Genugtuung sah ich Angst und Panik in ihren Augen. Die ach so tolle, klassenbeste arrogante Besserwisserin Hermine Granger hatte Angst vor mir.

Ich sah ihr tief in die aufgerissenen Augen. Sie glichen einem erschrockenen Reh. Ich konnte ihren schnellen Atem hören und in meinem Gesicht spüren. All das dauerte nur den Bruchteil von wenigen Sekunden.

Also hatte sie doch Angst. Angst vor meiner Familie. Angst vor uns Malfoys. Es war nicht so, als wäre sie noch nie von jemandem meiner Familie verletzt worden. Ich konnte die Flashbacks und qualvollen Erinnerungen vor ihrem inneren Auge ja beinahe miterleben.

Ihre Hände stießen mich hart von ihr weg. Sie atmete schwer und starrte mich konsterniert an. 

Höhnisch grinste ich. „Du kannst ja doch mal die Klappe halten."

„W-was?", stammelte sie. Dann – Stille. Diese genoss ich fast ebenso sehr wie ihre sichtliche Verwirrung.

Ich sammelte die verstreuten Insekten ein und stopfte sie in das Glas zurück. Granger sah mich noch immer geschockt ein. „Jetzt mal ehrlich, mach dir nicht ins Hemd und übertreib nicht. Ich wollte nur, dass du die Klappe hältst", sagte ich und hielt ihr das Glas entgegen.

„Ist das dein Ernst?", fragte sie in ruhiger Lautstärke, mit entsetztem Tonfall. "Fass mich nie wieder an. Nie wieder."

„Granger, beruhig dich", meinte ich. Ich bereute die Aktion jetzt schon. Aber auch nur ein kleines bisschen. Dabei wollte ich eigentlich nur, dass sie mal ruhig war. Klar, ihr zu zeigen wer hier wen demütigen konnte und das Sagen hatte natürlich auch.

Sie redete kein Wort mehr mit mir, packte ihren Rucksack und kochte dabei immer noch vor Wut. Ihr Kopf war hochrot, ihre Augenbrauen zuckten. Mit schnellen, schweren Schritten ging sie zurück zum Schulgelände. Ich folgte ihr.

Am Eingang drehte sie sich noch einmal zu mir um. „Wenn du mich noch einmal anfasst dann wirst du es gewaltig bereuen, Malfoy", zischte sie mich an. Dann schritt sie schnell Richtung Schulgebäude. Sie tat mir nicht leid. Irgendwie musste ich mich bei diesem Projekt ja amüsieren. 

Petrichor | ✓Where stories live. Discover now