Wettbewerb-Mobbig

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@tiarabijou
Als ich allein war
Als ich allein war, damals, da zogen die Häuser lange Schatten, der Himmel war grau und trüb, die Luft stickig und mein Herz schwer.
Als ich allein war, da folgte mir der Hass und die Abscheu in den Augen der Menschen.
Als ich allein war, da folgte mir Zorn und Gewalt und Frust. Frust, der sich an mir ausließ. Frust, der mich zermürbte.

Ich bin nicht mehr allein.
Zumindest nicht wirklich. Ich habe eine sinnvolle Arbeit für mich gefunden - ich setze mich für andere Menschen ein. Für Gleichberechtigung, Bildung, Toleranz und Akzeptanz.

Lange gebraucht habe ich schon, dass muss ich wohl zugeben, aber mit den Jahren ist es mir gelungen, Licht ins Dunkel zu bringen, die Schatten meiner Vergangenheit in gleißendes  Licht zu tauchen. Es hat mir damals (manchmal auch noch heute) geholfen, als ich begriff, dass es nicht wirklich Hass oder Abscheu war, die meine Mitschüler früher dazu getrieben hatte, mich anzugreifen und zu erniedrigen. Nein, es war die Angst vor dem Neuen, Unbekannten. Der Unwille, sich weiterzuentwickeln. Die fehlende Intelligenz.

Vielleicht mag es unsympathisch erscheinen - ja, vielleicht scheint es nicht nur so, möglicherweise bin ich es auch ganz einfach - aber es hat mir geholfen, zu begreifen, dass ich meinen früheren Mobbern überlegen bin.

Letzte Woche habe ich beobachtet, dass auch sie dazu lernen können. Ich habe zwei meiner älteren Mitschüler in einer Bar für Homosexuelle entdeckt - sie waren dort sicher nicht zum Erniedrigen, sondern zum Genießen. Es hat den Anschein, als hätte ihr Leben genau den Wandel genommen, für dessen Wirkung sie mich damals beleidigt, getreten und verhöhnt hatten.

„Verspüren Sie Rachegedanken? Möchten sie es Ihren Mitschülern heimzahlen, ihr jetziges Leben ruinieren?", fragt mich mein Therapeut gerade. Obwohl ich nun schon seit so vielen Jahren in seiner Praxis ein und aus gehe, weiß ich noch immer nicht so recht, was ich von ihm halten soll. Ich habe zwar keine Vergleichsmöglichkeiten, aber stellt ein normaler Psychotherapeut solche Fragen? Ich habe nicht den geringsten Schimmer. Vermutlich lässt sich die Antwort auf diese Frage relativ leicht herausfinden, doch mir fehlt die nötige Motivation. Schließlich hat er mir bis jetzt doch geholfen, oder etwa nicht?
„Mr. Brooks, hören Sie mich?", holt mich seine Frage zurück in die Realität, hinaus aus meinem Gedankenwirrwarr. Ich nicke zögernd. Was ist seine Frage gewesen? Ach ja.
„Nein, ich verspüre keinerlei Gedanken, in diese Richtung."
Mein Therapeut macht sich eifrig Notizen. Was gibt es bei dieser Antwort denn so viel zu schreiben? Neugierig versuche ich, das Geschriebene zu entziffern, ohne dass er davon Wind bekommt, scheitere jedoch.
Mit einem strafenden Blick über die Ränder seiner Brille, bedeutet er mir, mich wie ein Erwachsener zu benehmen. Jedenfalls vermute ich, dass es so etwas in der Art heißen soll.
„Haben Sie ihnen verziehen?", wendet er sich darauf wieder in seinem Therapeuten-Ton an mich. Ich verneine. Verzeihen kann man das nämlich wahrlich nicht nennen. Verarbeitet würde ich wohl eher sagen.
„Werden Sie vergessen?"
„Niemals", antworte ich direkt, ohne zu zögern. So etwas könnte man nicht vergessen.

Das ist, als würde man eine Vase herunter werfen, zufrieden zusehen, wie sie in tausende von Scherben zerbarst, anschließend lachend auf ihren Bruchstücken herumtrampeln und dann gehen. Man verlässt sie ohne sich nach ihrem Wohlbefinden zu erkundigen (wohl angemerkt ist die Antwort auf die letzte Frage bei einer Vase vermutlich eher offensichtlich für jeden Betrachter, als dass sie ein Rätsel darstellt; aber wenigstens der Höflichkeit zu Liebe sollte man sich um sie sorgen. Was rede ich da von Höflichkeit - Menschlichkeit!). Keine Vase der Welt würde nach diesem Prozedere denken: Oh, schon okay, alles vergessen. Du warst ja nur...äh...frustriert? Geistig beschränkt, was dein Handeln angeht? Aber schon okay, alles Übel vergessen.

So ähnlich ist es mit Mobbing-Opfern meiner Meinung nach auch.
Manche verzeihen, andere ignorieren, wieder andere wüten, manche zerschellen wie Wellen an steinernen Felsen...aber niemand vergisst!

Ich kann nicht recht beschreiben, wie genau man die Art bezeichnet, wie ich damit umgehe. Ich habe meinen früheren Mobbern nicht verziehen, aber, nun ja...ich habe die Vergangenheit überwunden.
Und ich akzeptiere. Ich akzeptiere meinen komischen Psychiater, meine Vergangenheit, dass ich manchmal echt Probleme zu haben scheine, die unverschämt hohen Preise von Gemüsechips. Aber auf keinen Fall werde ich die sozialen Einschränkungen der Gleichberechtigung tolerieren und akzeptieren! Es ist mein Ziel, an den Grenzen der Toleranz zu rütteln, sie zum Einsturz zu bringen und erweitern!

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