Yusuf sah mich an und ich zeigte ihm in Gebärdensprache, was sein Bruder gerade gebrüllt hatte.

»Und jetzt?« fragte Toprak wütend und stützte die Hände auf seine Hüften. Sein knallrotes Gesicht war auf mich gerichtet »Heiratest du diesen Penner, oder was?«

»Siehst du einen anderen Ausweg?!« erwiderte ich ihm. Parallel dazu gebärdete ich natürlich alles.

»Ausweg?« Toprak schüttelte fassungslos seinen Kopf. »Indem du ihm gehorchst? Du hast den Verstand verloren. Das habe ich dir bereits in Istanbul gesagt« erinnerte er mich und zeigte mit dem Finger in die Ferne »als dieser kranke Penner in unseren Unterricht gestürzt ist!«

Nun drehte er sich zu seinem Zwillingsbruder, der immer noch auf der Couch saß. »Wieso lässt du so etwas zu? Nach all dem, was Eşkazan uns angetan hat? Und anderen unschuldigen? Dieses Mädchen ist schwanger und das ist meine Schuld! Wieso lässt du zu, dass er Züleyha auf diese Weise erpressen kann?« gebärdete Toprak.

»Sie hört nicht auf mich« zeigte Yusuf zurück »Und ich verstehe nicht, wieso Ünal es auf mich abgesehen hat...«

Toprak atmete tief ein. Nach einem kurzen Moment, kam er an die Couch und hockte sich vor seinen Bruder. Mit erwartungsvollen Augen, wartete er auf irgendetwas. Oder versuchte er Yusuf etwas zu sagen? War das diese besondere Verbindung zwischen Zwillingen? Yusuf strich sich über seinen kahlen Kopf und schüttelte seinen Kopf, als ob er wüsste, was sein Bruder meinte.

»Erinnerst du dich denn gar nicht?« gebärdete Toprak endlich und zeigte auf seine Narbe, die parallel über seiner Augenbraue verlief. Yusuf verneinte mit seinem Schweigen und senkte seinen Kopf.

»Yusuf hat es mir erzählt« flüsterte ich, obwohl ich es auch laut hätte sagen können. Immerhin sah Yusuf nicht zu mir. »Das mit euren Eltern... dem illegalen Auto... sein Gedächtnisverlust.«

Toprak schnaufte laut und stand auf. »Kann ich dich mal kurz sprechen« fragte er und lief in das nächste Arbeitszimmer hinein. Bevor ich ihm folgte, nickte ich Yusuf zuversichtlich an. Es ist alles in Ordnung, formte ich mit meinen Lippen.

*

»Du willst sterben, oder?«
»Wie bitte?«

Ich verstand nicht, was er meinte. Er wusste doch nun die Lage, in der ich steckte! Toprak kochte vor Wut, dennoch versuchte er sich zu halten, immerhin war Roland gestorben und das müssten wir respektieren.

»Ünal hat schon damals mit 17 ohne zu blinzeln dafür gesorgt, seinem besten Freund ein schwarzes Auto zu verschaffen, nur um dich zu gewinnen! Glaubst du er würde es heute nicht wagen, dich oder Banu zu erledigen?!«

Was?! »Mich zu... gewinnen?«

»Sei froh, dass mein Bruder krank ist und trauert, sonst hätte ich dich längst hier rausgeschmissen!« Toprak wurde nun lauter, aber das schien ihm nicht aufzufallen. Jetzt reicht's!

»Mich hier raus schmeißen?« wiederholte ich ihn wütend »Seit wann sorgst du dich darum, wie es Yusuf hier in Deutschland geht?! Für dich saß er zwei Monate im Knast! Und was ist dein Dank dafür?!«

Toprak stand still und schluckte, nachdem er das gehört hatte. »Du hast keine Ahnung, Züleyha. Glaubst du, mir ging es gut, während mein Bruder sich für mich geopfert hat?! Es war meine Schuld, mit 17 Auto zu fahren. Nicht seine. Er hatte mich davor gewarnt, aber daran kann er sich nicht mal mehr erinnern. Wie unsere Eltern im Auto geschimpft haben! Wie sie gestorben sind! Er weiß nichts davon! Das ist mein einziger Halt. Wenn er sich erinnert hätte, würde er mich hassen.«

Sprechende HändeWhere stories live. Discover now