Es gab nichts was ich im Moment ändern wollte

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Ich spürte die kleine Schachtel überdeutlich in meiner Jackentasche, auch wenn sie nur ein paar Gramm wog. Allen Menschen die älter als 15 waren und der deutschen Bevölkerung angehörten war ein Limit von einem Monat gesetzt worden sich die kleine Pille zu besorgen. Dafür dass nur eine einzige Tablette in der Verpackung war, war diese erstaunlich groß. Der Mann an der Kasse hatte jedoch erklärt, dass der Grund dafür die extrem lange Anleitung war. Ich hatte mich gefragt was so schwer daran sein sollte eine Tablette zu schlucken, doch hatte nicht weiter nachgefragt. Das ganze war mir noch nicht wirklich geheuer. Die Leute die M.O.R.T.E.M schon abgeholt hatten, schienen alle etwas bedrückt. Ständig fassten sie in ihre Jacken-, Hosen- und Handtaschen um nachzuschauen ob es noch da war. Es war sehr beunruhigend ständig seinen Tod mit sich herumzutragen. Mir drängte sich der Gedanke auf, dass sich gerade in diesem Moment vielleicht schon tausende Menschen das Medikament in den Mund schoben, in der Hoffnung ihrem erbärmlichen Leben zu entkommen, jetzt wo es so einfach war sich umzubringen. Mir wurde flau im Magen. Mein Leben war zurzeit zu schön um es zu beenden. Ich stieg in die U-Bahn und zählte die Stationen mit bis ich bei fünf angekommen war und ausstieg. Meine Frau wartete zuhause auf mich, gemeinsam mit meinem Sohn. Es gab nichts was ich an meinem Leben im Moment ändern wollte. Das wurde mir in dem Moment bewusst, als ich zum ersten Mal von M.O.R.T.E.M gehört hatte. Auch wenn man sich immer wieder beschwert wie schwer das Leben doch sei, so war der Tod doch noch etwas schwerer. Ich lief die letzten paar Straßen zu unserem Haus. Es war nicht sonderlich groß und auch schon etwas heruntergekommen. Früher hatte es meinen Eltern gehört, aber als sie (eines natürlichen Todes) starben, erbte ich es. Miriam stand gerade am Herd als ich eintrat, Ferdinand hatte sich an ihrem Bein festgeklammert. Ich gab den beiden einen liebevollen Kuss, dann begann ich schonmal den Tisch zu decken. „Und?" Fragte meine Frau. Sie sah etwas angespannt aus. „Ich hab's." Sie nickte wissend. „Ich werde morgen hingehen. Du musst währenddessen auf Nandi aufpassen. Ich glaube er wird krank." Zärtlich strich sie Ferdinand durch die wenigen Haare und dieser nieste wie zur Bestätigung. Leicht lächelnd befreite ich Miriam aus seinem festen Griff und setzte mich mit ihm auf dem Arm an den Tisch. Plötzlich spürte ich etwas kaltes an meinem Bein und zuckte zusammen. „Akeela!" Rief Ferdinand erfreut als kurz darauf eine schwarze Hundenase unter der Tischdecke hervorschaute. Begeistert stupste Ferdinand die feuchte Nase an und plötzlich war da auch noch ein Zunge die mein Kind abschleckte. „Akeela, auf deinen Platz!" Befahl ich streng und schnappte mir eine Serviette um die Hundesabber von dem fröhlich lachenden Kind zu wischen. Wieder wanderten meine Gedanken zu M.O.R.T.E.M und dass der kleine Junge irgendwann mal ebenfalls eine kleine Schachtel zugeschickt bekam mit einer Suizidtablette. Ich hieß das ganze nicht gut. Manche Menschen gingen zu gleichgültig mit ihrem Leben um, wussten es nicht zu schätzen und manche würden diese Tablette viel zu leichtsinnig nehmen. Gedankenverloren strich ich meinem Sohn durch die paar Haare. Dann stellte Miriam mit einem lauten Knall die Salatschüssel auf den Tisch und daneben die Fleischbällchen. „Jetzt mach dir nicht mehr so große Gedanken darüber! Iss etwas, dann geht's dir besser. Wir können nichts an der Situation ändern und wenn alles so läuft wie geplant, dann wird sich auch unser Leben nicht deswegen ändern." Sie küsste mich, nahm mir Ferdinand wieder ab und setzte ihn in seinen Hochstuhl. Dann begann sie mit ihm Flugzeug zu spielen und löffelte ihm nach und nach das Essen in den Mund. Ich schaute Ihnen zu, aß währenddessen selbst meinen Teller auf und dachte mir, wie normal es wirkte. Während diese Schachtel noch immer in meiner Hosentasche war und auf den Moment wartete an dem sie mein Herz zum Stillstand bringen würde.

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⏰ Letzte Aktualisierung: May 27, 2019 ⏰

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