Kapitel 2

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Der nächste Morgen beginnt wieder einmal wie jeder andere auch, mein Wecker klingelt mich aus dem Bett, ich fühle mich schwach und das erste Mal seit Beginn meines Studiums habe ich keine Lust auf die Uni. Bashir und Hevin sind sauer, den Rest der Clique kann ich jetzt auch vergessen, weil die Hevin länger kennen und besser leiden können als mich. Trotzdem muss ich dort hin, schwächeln kommt gar nicht in Frage. Das einzig positive an diesem Morgen ist der verschwundene Pickel, endlich kann ich wieder einen Blick in den Spiegel wagen. „Laila, komm frühstücken mein Kind." Meine Mutter ruft mich aus der Küche. „Ich hab kein Appetit Mama." Meine Mutter, Amir und meine kleine Prinzessin Lina sitzen am Frühstückstisch. Meine kleine Schwester war für einige Tage bei meiner Tante väterlicherseits und hat ihr Gesellschaft geleistet. Meine Tante ist Mitte 40 und hat keine Kinder, obwohl sie seit ca. 20 Jahren verheiratet. Sowohl sie als auch ihr Mann waren beim Arzt, doch bis heute weiß man nicht woran es liegt. Selbst künstliche Befruchtungen haben bei ihr nicht angeschlagen, es ist traurig doch es ist Schicksal. Deshalb bringt meine Mutter meine kleine Schwester gerne mal zu ihr um ihr zu vermitteln, dass sie nicht alleine ist. Lina rennt auf mich zu und klammert sich wie ein Äffchen an meine Beine „Laaaaaaila!" schreit sie laut lachend. „Meine kleine Maus, endlich bist du wieder da und ich hab mich schon gewundert wieso die Sonne heute Morgen so stark scheint." Unsere Lina ist 8 Jahre alt und das Herzstück der Familie, alleine ihre kleinen Kulleraugen lassen jedes noch so harte Herz erweichen. „Laila gehen wir heute nach der Schule Eis essen, bitte??? Das Wetter ist so schön!" „Ich verspreche dir, wenn ich vor 17 Uhr Zuhause bin, gehen wir uns ein Eis holen ok?" „yuhhuuu!" sie umarmt mich, ihre Augen glänzen, wie glücklich man ein Kind mit solch kleinen Dingen machen kann. Als ich mich verabschiede um zum Bus zu laufen, drückt mir meine Mutter eine Dose in die Hand. „Nimm das mit, du musst was essen um fit zu sein." Sie gibt mir ein Kuss auf die Wange und ich verlasse das Haus, auf dem Weg zur Haltestelle sehe ich Straßenreiniger, die die besprühte Wand säubern. Auch Polizisten sind vor Ort, sie versuchen höchstwahrscheinlich rauszubekommen wer das gewesen ist. Unauffällig laufe ich über die Straße und warte auf den Bus. Während diesen 5 Minuten mustere ich die Gegend, die Ecke in der wir wohnen hat sich sehr verändert, irgendwie sieht sie heruntergekommen aus und in letzter Zeit laufen komische Gestalten hier rum. Das liegt daran, dass die Reichen unter uns alle mitten in der Stadt in angesehenen Vierteln leben, in unsere Gegend kommen sie allerhöchstens dann, wenn sie aufs Polizeirevier wollen, das hier seinen Sitz hat. Der Bus kommt angefahren, bevor ich einsteige überlege ich bereits wie ich reagieren soll, wenn ich Bashir sehe. Soll ich ihn grüßen und was wenn er mich ignoriert? Im Bus sehe ich mich um, doch entdecke ihn nicht, was mich sehr wundert. Bashir ist eigentlich immer zur selben Zeit wie ich im Bus, naja vielleicht fährt er heute mit einem Kollegen im Auto mit. Als ich in der Uni ankomme und der Unterricht beginnt, bewahrheitet sich meine Behauptung nicht, Bashir ist heute gar nicht anwesend. In der Pause, in der ich alleine auf einer Bank auf dem Campus sitze und den Obstsalat esse den Mutter mir mitgegeben hat, kommen Hevin und zwei weitere der Clique auf mich zu. „Wo ist Bashir?" Hevin redet in einem so unhöflichen und arroganten Ton, dass ich sie am liebsten fragen würde, für wen sie sich hält, aber das ist es nicht wert. „Ich weiß es nicht." Sage ich und stehe auf, es soll in keinster Weise so aussehen als würde ich abhauen, aber ich hab keinen Nerv auf eine Diskussion mit ihr. „Wie du weißt es nicht? Sonst bist du doch auch immer wo er ist!" Die Jungs, mit denen ich eigentlich kein Problem habe lachen „Mach mal einen Punkt Hevin! Bashir ist in meinen Augen nicht mehr als ein Freund, das sage ich dir und das habe ich ihm gestern auch gesagt nur um es mal klarzustellen. Und jetzt geh mir aus dem Weg, ich habe Kopfschmerzen." „Das hast du Bashir gesagt? Haha von wegen, wieso verdrehst du die Fakten? Bashir hat uns alles erzählt, du hast dich an ihn rangemacht und er hat dir einen Korb gegeben." Samir, ein Freund von Bashir sagt es so laut, dass sogar unser Dozent der genau in diesem Moment an uns vorbei läuft, das mitbekommt. „Wovon redest du? Ich hab mich an niemanden rangemacht!" „Naja da haben wir was anderes gehört." Erwidert Hevin in einem ironischen Ton und grinst. Ich kann es einfach nicht glauben, gestern noch stand er vor mir und hat mir vorgegaukelt etwas für mich zu empfinden und hinter meinem Rücken erzählt er seinen kindischen Freunden solche Märchen. Er hat mir einen unwiderruflichen Ruf verpasst, grundlos. Ich bin fassungslos, ich weiche der Clique aus und laufe enttäuscht in den Hörsaal. Die Worte von ihnen gehen mir nicht mehr aus dem Kopf, wie konnte ich nur so blauäugig sein und glauben dass er es ernst meint? Seit wann bin ich so naiv? Am liebsten würde ich meinen Kopf gegen die Wand hauen um endlich wieder klar zu kommen. Als der Dozent uns eine schriftliche Aufgabe verteilt, bleibt er an meinem Platz stehen. „Gibt es ein Problem?" flüstert er mir zu. Um ehrlich zu sein verstehe ich nicht, wieso er mich das heute erneut fragt, aber vielleicht einfach nur, weil er den Vorfall mit Hevin und den Jungs mitbekommen hat. „Ja." Mit einem aufgesetzten Lächeln versuche ich von meiner eigentlichen Laune abzulenken. „Laila, ich bin Dozent, aber auch ein Mensch, mit dem man reden kann. Wenn du Hilfe brauchst, lass es mich wissen." Er berührt mich mit der Hand an meiner Schulter und geht. Ich denke mir nichts dabei, denn für mich ist das ein netter Dozent der sich um das Wohl seiner Schüler bemüht, doch Hevin interpretiert direkt etwas falsches da rein und sagt flüsternd, aber absichtlich in einer Tonlage dass ich es höre zu Samir „Schau dir dieses Flittchen an, erst Bashir und jetzt sogar der Dozent. Die will sich die gute Noten bestimmt nicht durch Lernen holen." Die hintere Reihe lacht laut, jetzt reicht es mir, das geht zu weit. Ich bin ein ruhiger Mensch und halte mich generell von Stress fern, aber sowas lasse ich niemals auf mir sitzen. Ich stehe auf und stürme auf sie zu. „Was hast du da gerade gesagt?!" Ich schreie, ohne es zu realisieren. Hevin steht provokant lachend auf und sagt „Flittchen." Ich stoße sie nach hinten, eigentlich ist das nicht meine Art, aber es gibt niemanden auf dieser Erde der sich das Recht nehmen kann, mich so zu nennen. Plötzlich geht sie auf mich los und packt mich an den Haaren. Beleidigend versucht sie mich auf den Boden zu werfen, der Dozent rennt nach hinten, während alle anderen schockiert dabei zuschauen. Bevor Herr Al Bashrouf bei uns ankommt um Hevin von mir loszureißen, verpasst sie mir eine direkt ins Gesicht. Ich spüre wie ihr Ring gegen meine Unterlippe knallt, ich bleibe am Boden liegen. Für einen kurzen Moment schaltet mein Gehirn ab. Ich schließe meine Augen und frage mich wie es nur so weit kommen konnte. Herr Al Bashrouf stützt mich und hilft mir mich auf die Beine zu stellen. „Geht es dir gut? Laila, hey!" Er hält mich fest, weil ich für 1 Sekunde das Gleichgewicht verliere und beinahe wieder zu Boden falle. Mir ist schwarz vor Augen, nicht wegen dem Schlag, ich verspüre nicht einmal Schmerz- es ist einfach diese Situation. „Es geht mir gut." Ich löse mich von seiner Hand, laufe wortlos an meinen Platz, nehme meine Tasche und verlasse trotz der verzweifelten Rufe meines Dozenten den Raum. Fragt mich nicht wieso, aber ich breche in Tränen aus, erschöpft lehne ich mich an die Wand und atme erstmal tief ein und aus. Das ist alles zu viel für mich, ich muss hier raus. Draußen verspüre ich ein Brennen an meiner Lippe, ich packe meinen Taschenspiegel aus und stelle erschrocken fest, dass meine Lippe aufgeplatzt ist. Mit einem Taschentuch versuche ich das Blut zu stoppen, doch es hört nicht auf, die Stelle ist leicht angeschwollen, oh Gott was soll ich meinen Eltern bloß sagen? Gerade als ich in den Bus einsteigen will kommt mir Bashir entgegen, als ich ihn sehe halte ich sofort das Taschentuch an meinen Mund, damit er die Verletzung nicht sieht. Ich senke meinen Kopf und tu so als hätte ich ihn nicht bemerkt, doch er bleibt direkt vor mir stehen. „Hey wo gehst du denn jetzt schon hin?" Ich ignoriere ihn und laufe an ihm vorbei, aggressiv packt er meine Hand und sagt „Hör auf mit diesem Kindergarten! Es reicht Laila!" Das Taschentuch fällt auf den Boden, er sieht mich an und richtet meinen Kopf auf. „Was ist passiert? Wer war das?" fragt er besorgt. „Niemand ich bin gestürzt." Ich will nicht dass er mitbekommt was geschehen ist, heute ist schon genug passiert. „Das sieht nach keinem Sturz aus! Sag mir sofort wer das war!" Er schreit mich an und schüttelt mich „Sag mir wer das war Laila! Es war Hevin, richtig?" Er lässt mich los und rennt in die Uni rein. Mir wird bewusst dass nun ein großes Schlamassel geschehen wird, wenn ich ihn nicht aufhalte. Ich laufe ihm hinterher „Bashir bleib stehen, bitte!" Doch er dreht sich nicht einmal um, er steuert auf unseren Hörsaal zu und reißt die Tür auf. Schweratmend folge ich ihm, bereits vor der Tür höre ich ihn Hevins Namen schreien. „Was ist dein Problem? Wie kannst du es wagen deine Hand über sie zu erheben?" Er packt Hevin feste am Arm, sie versucht sich ängstlich loszureißen. Die Jungs versuchen Bashir zu beruhigen, bis der Dozent nach hinten stürmt und alle auseinander hält. „Wir sind hier nicht im Kindergarten! Was soll das? Halten Sie sich zurück Bashir!" Hevin fängt an zu weinen. „Ich soll mich zurückhalten? Haben Sie gesehen was sie Laila angetan hat? Ich will wissen wieso!" Wütend versucht Bashir zu Hevin durchzudrängen, doch vergebens, Herr Al Bashrouf hält ihn auf. „Sie hat sich an dich rangemacht! Obwohl sie genau weiß dass du mir gehörst, Bashir, hörst du?" Hevin platzt aus allen Nähten, sie schreit und weint gleichzeitig. Alle Anwesenden sind still und schauen neugierig dem Spektakel zu. „Ich gehöre dir?" fragt Bashir. „Was bildest du dir eigentlich ein? Ich habe dir schon 100 mal gesagt dass ich nichts von dir will. Außerdem ist das eine Sache zwischen uns beiden, Laila hat nichts damit zu tun! Ich bin derjenige der die Nähe gesucht hat und nicht sie! Ich bin derjenige der sich verliebt hat, nicht sie!" Alle schauen zu mir rüber, deren Blicke mustern mich von oben nach unten. „Lass sie in Ruhe, hast du gehört ?" Bashir richtet seine Jacke, er verlässt den Raum und zieht mich dabei mit sich aus dem Raum. Herr Al Bashrouf folgt uns „Laila, zeig mal her, lass uns zur Krankenschwester gehen." „Mir geht es gut, es ist nichts. Wenn es okay ist würde ich jetzt nach Hause gehen." Verständnisvoll nickt er, dann kommt er auf Bashir zu: „ So ein Verhalten dulde ich nicht. Das nächste Mal wird es Konsequenten geben! Ich denke es ist besser wenn Sie beide nach Hause gehen und sich beruhigen." Er verabschiedet sich und geht zurück. Wortlos laufen wir den Gang entlang, mein Kopf versinkt unter 1000 Fragen. „Es tut mir leid, Laila." Bashir bleibt stehen „Ich wollte dich nicht vor allen bloßstellen, aber ich musste Hevin zurecht weisen." „Ich muss mich entschuldigen Bashir. Ich war nicht fair dir gegenüber. Danke dass du mich beschützt hast und mir tut es auch leid dass du eben wegen mir lügen musstest." „Lügen?" Bashir schaut mich fragend an. „Laila jedes einzelne Wort eben war die Wahrheit, aber ich habe verstanden dass von deiner Seite nichts ist. Es ist okay, lass uns das Thema einfach vergessen." Er läuft mit mir Richtung WC, nimmt Papier und hält es unter kaltes Wasser. Während er mir erzählt dass er heute später in die Uni gekommen ist, weil er letzte Nacht nicht gut geschlafen hat, verarztet er mich. Sanft drückt er das Papier an meine verletzte Lippe, ich versuche irgendwohin zu schauen, Hauptsache nicht in seine Augen. Plötzlich streicht er eine Haarsträhne aus meinem Gesicht, in diesem Moment treffen sich unsere Blicke, mich überkommt wieder dieses wunderschöne Gefühl. Es ist komisch und ungewohnt, aber ich kann mich an keinen Moment in meinem Leben erinnern, an dem ich mich besser gefühlt habe. Seine Augen sehen so ehrlich aus, ich zweifle keine Sekunde an seinen Worten. Mir leuchtet ein, dass Hevin und die anderen bloß gelogen haben, um mich von ihm fern zu halten. Ich war die ganze Zeit über unehrlich, er verdient das nicht. Zum ersten Mal überwinde ich mich, hebe meine Hand und streiche über seine Wange. Verwundert schaut er mich an ohne einen Ton von sich zu geben. „Danke für alles." Ich lächle ihn an und gebe ihm ein Kuss auf die Wange. Der sonst so taffe und selbstverliebte Herr läuft rot an. Er fängt an zu lachen, packt mich in die Luft und umarmt mich. Kennt ihr das wenn ihr so glücklich seid dass ihr es nicht beschreiben könnt? Genauso fühle ich mich gerade, mein Herz rast und ich strahle übers ganze Gesicht. „Ich wusste du stehst auf mich!" Wir fangen an zu lachen, ich weiß nicht wie es ihm geht, doch ich habe soeben alles vergessen, es ist wie diese Erinnerungsraubmaschine die ich mir gewünscht habe. Ich habe sie gefunden, nur in Form eines gut aussehenden, verrückten Mannes. Bashir berührt ganz vorsichtig meine Hand als wir zum Ausgang laufen wollen, ich schlage sie lachend weg. „Bashir bist du verrückt? Was wenn uns jemand sieht?" Wie ich bereits zu Beginn gesagt habe, ich bin Muslimin, ich trage zwar kein Kopftuch und lebe im Vergleich zu anderen relativ modern, doch an gewisse Grenzen halte ich mich auch Prinzip. In der Öffentlichkeit mit einem Mann gesehen zu werden, der nicht zur Familie gehört, kann den Ruf einer Frau schlagartig zerstören. Viele Araber sehen A und erzählen nicht B oder C sondern Z, da wird eine harmlose Unterhaltung gleich in eine Affäre umgewandelt und das Gerücht verbreitet sich wie eine Grippe, ganz besonders in solch kleinen Gegenden wie unserer, in der jeder Jeden kennt. Bashir versteht sofort was ich meine, er ist selbst Moslem und kennt unsere Sitten, Gott sei Dank muss ich ihm die Spielregeln nicht noch erklären. „Was soll ich meinen Eltern wegen der Verletzung sagen?" frage ich verzweifelt während wir auf den Bus warten. Bashir überlegt kurz und fängt an laut zu lachen. „Wieso lachst du? Machst du dich etwa lustig über mich?" Ich haue ihm mit der Faust gegen den Oberarm. „Ich stelle mir gerade vor, wie du dich prügelst. Das sieht bestimmt lustig aus wenn du mit deinen dünnen Armen rumfuchtelst." Wo er Recht hat, hat er Recht. Nie im Leben habe ich mich geschlagen, oder wurde geschlagen, das war eine Premiere für mich heute. Eben war ich noch außer mir, aber jetzt muss ich irgendwie selbst drüber lachen. „Sag ihnen doch einfach, dass ich dir beim Küssen in die Lippe gebissen habe." Er lacht und läuft weg, weil er meinem Blick entnehmen kann, dass ich ihm gleich eine verpasse. Gemeinsam steigen wir in den Bus und genießen die Fahrt, Bashir nimmt meine Hand unauffällig und legt seine Jacke drüber, sodass keiner sieht dass wir Händchen halten. Zum ersten Mal verstehe ich wovon Freundinnen immer gesprochen haben, wenn sie gesagt haben sie hätten Schmetterlinge im Bauch. Es fühlt sich einfach nur gut an. Als der Bus an meiner Haltestelle hält, will ich mich von Bashir verabschieden, doch er steht auch auf. Wir verlassen den Bus. „Ich begleite dich." Sagt er und läuft weiter. „Nein das musst du nicht, ich wohne hier um die Ecke, ich möchte nicht mit dir gesehen werden." „Keine Sorge, ich laufe hinter dir, nur bis zur Ecke da vorne, ich muss meine Prinzessin doch beschützen." Wie süß dieser Satz aus seinem Mund klingt, er ist ja ein richtiger Gentleman. „Deine Prinzessin? Oh, daran könnte ich mich gewöhnen." Mit einem breiten Grinsen im Gesicht laufe ich vor, er läuft dicht hinter mir, als wir an der Ecke ankommen flüstert er „Laila." Ich drehe mich um, er schickt einen Luftkuss und bleibt stehen. Oh mein Gott ich bin überglücklich, was passiert mit mir? Es fühlt sich an als würde ich schweben. „Laila?" Vollkommen in Trance versunken sehe ich plötzlich meinen Cousin Mustafa vor mir stehen. „Hey!" Ich lächele ihn an und begrüße ihn. „Was ist passiert?" Perplex schaue ich ihn an „Was meinst du?" In meinem Kopf dreht sich alles um Bashir, ich bin gedanklich so weg dass ich die Verletzung in meinem Gesicht vergesse. „Deine Lippe? Lass mal sehen!" Er versucht mit seiner Hand über meinen Mund zu streichen, ich mache einen Schritt nach hinten. Ich weiß, die Reaktion ist unnötig weil er mein Cousin ist und ich ihn wirklich gerne hab, aber er weiß nicht dass Bashir hinter uns steht und alles sieht. Auf keinen Fall möchte ich dass er das falsch versteht. „Laila sag doch was los ist. Wer war das?" Besorgt schaut er mich an. „Niemand, das war ein Unfall." Ich gehe einen Schritt vor um ihm zu signalisieren dass ich weiterlaufen möchte, doch er gibt nicht nach. „Ein Unfall? Wieso lügst du mich an? Das sieht nach einem Schlag aus. Sag mir wer es war, ich kümmere mich drum." Noch nie habe ich Mustafa in so einer Gefühlslage gesehen. Er sieht wahnsinnig wütend aus und ich kann mir vorstellen dass er Hevin trotz der Tatsache, dass sie eine Frau ist, eine verpassen würde. „Mustafa, das war wirklich ein dummes Missgeschick. Eine Freundin wollte mir in der Pause was zeigen und hat mich mit der Hand an meiner Lippe getroffen. Blöderweise hat sie einen dicken Ring am Finger und tada, das ist dabei rausgekommen." Skeptisch mustert er die Verletzung, doch er glaubt mir und erklärt wie ich die Verletzung zuhause behandeln soll. Die Unterhaltung verläuft in eine witzige Richtung, wir reden und lachen über die Taten meines Onkels. Mustafa erzählt mir nämlich, wie er neulich einen Kunden vergrault hat. Gemeinsam laufen wir zu mir, vor dem Haus bleibt er stehen. „Willst du nicht mit rein?" frage ich und krame nach meinem Schlüssel. „Eigentlich wollte ich mit dir reden." Nachdenklich schaut er auf den Boden. „Ja dann komm doch mit rein." Endlich finde ich meinen Schlüssel und schließe die Tür auf. Es scheint niemand da zu sein, auf dem Küchentisch entdecke ich einen Zettel „Wir sind bei Yasmin, kommen gegen 7 wieder. Essen steht im Kühlschrank." Yasmin ist eine alte Freundin der Familie, die in der Nähe lebt. „Jawohl, jetzt habe ich genügend Ruhe und Zeit um abzuschalten." Ich schalte das Radio in der Küche ein und fange an zu tanzen. Das ist nicht üblich für mich, insbesondere nicht wenn jemand anwesend ist, aber Bashir hats mir angetan, ich glaube mein Körper steckt voller Glücksgefühle. „Du bist heute verdammt gut drauf. Was ist denn der Anlass?" Mustafa setzt sich an den Tisch und schaut mich hoffnungsvoll an mit der Erwartung eine Antwort zu bekommen. „Man könnte glatt sagen du bist verliebt." Lachend schenkt er sich Wasser ein. „Woher willst du wissen wie es aussieht wenn man verliebt ist?" Mein Cousin ist sehr gut aussehend und ihm mangelt es bestimmt nicht an Frauenanfragen, aber ich hab noch nie mitbekommen, dass er eine Freundin hat. „Ich weiß es, weil es mir nicht anders geht." Ich verschlucke mich an dem Wasser dass ich gerade trinken wollte. „Du?-Du?-Du? Du bist was?????" Ich stottere und setze mich zu ihm. Diese Worte aus seinem Mund, ich dachte ich würde diesen Tag niemals erleben. „Oh Gott erzähl mir alles! Seit wann, wer ist es und wieso hast du mir nichts gesagt? Ich dachte du vertraust mir." Mustafa atmet tief ein, er legt seine Hände auf den Tisch. „Schon sehr lange Laila, ich liebe diese Frau seit dem ersten Tag." „Oh mein Gott wie süß, ich schmelze Mustafa! Erzähl mir mehr." Neugierig rücke ich immer näher an ihn. „Erstmal kommst du mir entgegen und erzählst was mit dir ist, dann verrate ich mehr." Er lacht und piekt mich am Bauch. „Bashirrrrr lass das!" Ich lache laut ohne zu realisieren was ich da eben gesagt habe. „Bashir?" Mustafa schaut plötzlich ganz anders als eben. „Sorry ich meine Mustafa. Erzähl doch mal." „Nein Stopp, wer ist Bashir und wieso nennst du mich so?" „Sorry Musti, das war bloß ein Versehen, er ist niemand." Ich stehe auf und drehe mich um, verlegen schenke ich mir noch ein Glas Wasser ein. Er steht auf und kommt auf mich zu. „Haben wir nicht eben erst von Vertrauen gesprochen?!" Er nimmt mir das Glas aus der Hand und dirigiert mich zum Tisch. „Na wer ist Bashir? Ich habe dir auch mein Geheimnis verraten." „Okay." Schweren Herzens stehe ich erneut auf, ich kann bei dem Thema nicht sitzen bleiben, irgendwie bin ich total hibbelig. „Was solls, Musti ich erzähl es dir, du bist mein Cousin und gleichzeitig bester Freund! Bashir ist mein Freund." Rot angelaufen halte ich meine Hände vor mein Gesicht, es ist mir total unangenehm darüber zu sprechen, aber mein Cousin ist eine absolute Vertrauensperson. „Dein Freund?" Seinem Blick entnehme ich wie ihn diese Nachricht schockiert. „Ja nicht lang. Eigentlich erst seit heute." „Liebst du ihn?" Langsam kommt er auf mich zu und sieht mir tief in die Augen. Er wiederholt die Frage. „Ja mindestens genau so sehr wie du diese Frau liebst." Seine Gesichtsfarbe verändert sich, eigentlich habe ich gehofft dass er sich für mich freut so wie auch ich mich für ihn freue, aber seine Reaktion lässt zu wünschen übrig. Ich bin mir sicher, dass es daran liegt dass ich wie eine kleine Schwester für ihn bin und es nicht einfach ist zu hören, dass ein Anderer mein Herz gestohlen hat. Seinen Beschützerinstinkt habe ich schon immer sehr geschätzt. „Musti, ich bin kein kleines Mädchen mehr und er ist wirklich ein besonderer Mensch, mach dir keine Sorgen." Er nickt und nimmt seine Jacke. „Hey wo willst du denn hin?" frage ich und stelle mich vor ihn. „Ich habe vergessen dass ich meinem Vater noch helfen muss." Bevor er durch die Tür läuft, halte ich ihn fest- „Bist du enttäuscht oder sauer?" Er schüttelt den Kopf. „Nein Laila, ich freue mich für dich, nur wie du schon sagtest, ich mache mir Sorgen." Mich überkommt das Gefühl ihn umarmen zu wollen, ich stürze mich auf ihn und drücke ihn so fest, dass er nur schwer Luft bekommt. „Danke für alles, ich liebe dich Bruderherz." Mustafa streicht über meinen Kopf und flüstert „Ich liebe dich auch."

Laila- Die Flucht in das neue LebenWhere stories live. Discover now