success N°2

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Als ich am nächsten Tag zur Arbeit kam und im Personalraum meine Schürze anzog, kam Lian dazu. Sie musterte mich seltsam, aber sagte voerst kein Wort.
Erst nachdem sie ihre Tasche in ihren Spind gelegt und ihre Schürze geholt hatte, sprach sie mich an.

"Warst du trainieren oder warum stellst du dich so an beim Überziehen?"
Lian war eine Person, die erst einmal für sich abchecken musste, was sie sagen konnte und was nicht. Im Endeffekt sagte sie einem aber doch alles und das in dem abwertensten Ton, den sie drauf hatte.
"Ich habe heute Nacht falsch gelegen. Du weißt, dass ich nicht trainieren gehe."

"Du musst doch irgendeinen Ausgleich haben, zu dem ganzen Fast Food, das du isst. Als ob du von Natur aus so schlank bleibst. Das kannst du mir nicht auf die Nase binden."
Ohne Probleme zog sich die junge Frau ihre blaue Schürze um, ich hatte es auch endlich geschafft.

Meine Arme taten so weh von meiner Lage diese Nacht und auch mein Rücken fühlte sich nicht besser an. Von meinen Kopfschmerzen musste ich gar nicht erst anfangen.
"Was ist los, Danbi? Du siehst aus, als hättest du heute Nacht einen Geist gesehen."
"Sagen wir, ich habe jemanden wiedergetroffen, der für mich bisher auch nichts weiter als eine Geistergestalt war. War's das dann mit deinen Fragen? Gut, dann ran an die Arbeit."

Lian sah mich ironisch lächelnd an.
"Pass auf was du sagst, wenn hier jemand jemanden rumkommandieren kann, dann ich ja wohl dich. Du bist noch nicht ganz durch mit der Ausbildung und ich bin vier Jahre älter."
Ich verdrehte die Augen und hakte mich bei der Schwarzhaarigen unter. Schlendernd betraten wir die Gruppe der drei- bis sechsjährigen und begrüßten die Kinder herzlich, die nach und nach eintrafen.

Um kurz vor sechs Uhr Abends war es ziemlich ruhig in der Gruppe. Mittlerweile waren alle Kinder abgeholt worden, bis auf eines.
Es war immer das selbe, immer bis kurz nach Schluss musste der kleine Yuseol auf seinen Vater warten, welcher ein richtiger Workerholic war.
Meist holte er ihn nicht einmal selbst ab, sondern schickte einen vermeindlichen Onkel, welcher nicht einmal wirklich zur Verwandschaft gehörte. Von einer Mutter hatte ich noch nie etwas gesehen.

"Danbi, können wir das Spiel noch einmal spielen?", fragte der Fünfjährige zum dritten mal und ich nickte erschöpft. Der Junge bemerkte selbst, dass ich wohl nicht mehr ganz bei der Sache war, ließ sich davon aber nicht stören und teilte die Karten aus.
"Yuseol!", rief eine raue Stimme und der Junge sah schnell auf, sprang auf die Beine und lief auf seinen Fake-Onkel zu.
"Onkel Yoongi! Übernachte ich wieder bei dir?", fragte er erfreut.

Der Schwarzhaarige hob den Jungen hoch, als dieser bei ihm ankam und tippte auf seine beiden Grübchen. Ich hatte es schon häufiger beobachtet, das machte er ausnahmslos jedes Mal, wenn er Yuseol abholte.
"Aber natürlich. Ich bringe ihn morgen auch, ich hoffe Namjoon hat bescheid gesagt.", wandte sich der junge Mann an mich, während ich das Spiel zurück in die Schachtel räumte.
Yuseol kämpfte sich aus den Armen des Mannes, kam angestürmt und half mir alles wegzuräumen.
Wenigstens war der Kleine gut erzogen, daran mangelte es ihm nicht.

"Nein, hat er nicht. Aber es ist nichts neues, ich weiß ja mittlerweile, dass Mr. Kim viel zutun hat."
"Es war sehr spontan. Aber entschuldigen muss er sich selber. Das ist nicht meine Aufgabe.", erklärte der junge Mann.
Yuseol nahm mir während dessen die Schachtel aus der Hand, stellte sie zurück an ihren Platz und rannte dann zu mir zurück, um mich bei der Hand zu nehmen und mit sich zu seinem Onkel zu ziehen.
"Mach dir nicht so viele Gedanken, Danbi. Ich finde es nicht schlimm den ganzen Tag bei dir zu sein."

Ich lächelte den Kleinen müde an. Trotzdem fand ich es nicht in Ordnung, dass er so lange hier auf seinen Vater warten musste, wenn er nicht einmal selbst Zeit hatte, seinen Sohn abzuholen.
"Na dann, können wir, Yuseol?", fragte der ruhige Mann den Jungen, warf aber während dessen einen kurzen, grüblerischen Blick zu mir.
"Einen Moment.", sagte dieser schnell, zog an meiner Hand und ich hockte mich zu ihm hinunter.

Mit einem überprüfenden Blick, dass sein Onkel nicht lauschte, flüsterte er mir ganz leise etwas ins Ohr.
"Ich wünschte, ich hätte eine Mutter, die genauso ist wie du.", sagte er leise. Dann schlang er seine Arme um meinen Hals und ich erwiederte seine Umarmung.

Und ich würde mich freuen, wenn ich irgendwann einmal einen Sohn haben würde, der so war wie er.

Nach dieser Verabschiedung verließen die beiden den Kindergarten für diesen Tag und ich legte im Personalraum meine Schürze ab.
Lian war gerade dabei die Kaffeeküche sauber zu machen und im Büro waren auch noch ein paar Kolleginnen, die einige Sachen abklärten.
Ich verabschiedete mich im Büro und rief Lian zu, dass wir uns morgen wieder sahen, dann trat ich hinaus in die angenehme Kälte.

Der Herbst brach gerade an, die Straßen waren nass, aber ich hatte Glück, dass es nicht regnete.
In der Nähe meiner neuen Wohngegend, schaute ich in einem Lebensmittelmarkt vobei und suchte mir etwas, was ich heute Essen konnte.
Auch wenn ich viel zu häufig ungesund aß, ich aß über den Tag verteilt nicht genug, was womöglich erklärte, warum das Essen bei mir nicht ansetzte.
Nicht immer nutzte ich die kurze Mittagspause um etwas zu mir zu nehmen, viel lieber wartete ich bis Abends und aß dann.

Ich nahm mir irgendein Mikrovellengericht, welches ich sicherlich auch im Backofen erwärmen konnte, einen Kaffee und eine Zeitschrift, die in unmittelbarer Nähe zur Kasse standen und bezahlte.
Als ich aus dem Laden verschwinden wollte, prallte ich beinahe mit einer anderen Person zusammen, konnte aber noch früh genug ausweichen und ging einfach an dem Typen vorbei, ohne ihn anzusehen, oder eine Entschuldigung auszusprechen.
Er hatte es ja ebenfalls nicht getan.

Ich sah mich kurz zu ihm um, er trug hellblaue Jeans und eine dunkelgrüne Bomberjacke, in der er seine Hände versteckt hatte. Seine Gangart erinnerte mich an Hoseoks. Lässig, aber mit Haltung.
Er war sicherlich auch ein Tänzer oder ähnliches, auch wenn es für mich schon relativ lange her war, ich erkannte es immer noch sofort.

Grübelnd lief ich durch die Straßen. Das nächste Mal, wenn Mr. Kim seinen Sohn abholte, musste ich dringend mit ihm sprechen. So konnte das nicht weiter gehen, der arme Junge konnte doch nicht den ganzen Tag, von halb sieben morgens, bis sechs Uhr abends in der Einrichtung bleiben. Er brauchte seine Familie, oder zumindest den Teil, der davon noch übrig geblieben war.

Auch wenn es ohne Frage schwer war, als alleinerziehender Vater, irgendwie musste es dafür eine Lösung geben.
Und wenn es nur so weit ging, dass Mr. Kim seinen Sohn immer persönlich abholte und mindestens eine halbe Stunde früher. Nach den Anzügen zu urteilen, die er immer trug, hatte er einen Bürojob, vielleicht sogar eine höhere Position, die Anzüge sahen sehr fein und maßgeschneidert aus. Da konnte man sich doch auch mal etwas früher von der Arbeit losreißen, das sollte kein Problem sein.

Ich blickte auf mein Handy, ein billiges Tastentelefon, weil ich mir zur Zeit nicht mehr leisten konnte. Aber es störte mich nicht. Ich konnte mir zwar die letzten Bilder von Hoseok und mir, welche ich gerettet hatte, darauf nicht ansehen, aber zum Anrufen und SMS schreiben reichte es aus. Mehr brauchte ich momentan nicht.
Die Uhr zeigte sieben Uhr an. Ich war mal wieder ganz schön am trödeln, aber die frische Luft tat mir gut, nach diesem arbeitsreichen Tag.

Als ich die Tür zum Wohnhaus aufschloss, war es stockduster im Hausflur. Ehe ich jedoch den Lichtschalter betätigen konnte, ging das Licht an und ich hörte joggende Schritte von oben herunter kommen.

Mit der Plastiktüte in der einen Hand und meiner Handtasche in der anderen, erklomm ich die Stufen und als ich bei dem ersten Viertel zu meiner Wohnung ankam, sah ich Jimin, wie er die Treppen nun beinahe heruntersprintete und mich komplett ignorierte, als er an mir vorbei raste.
Es war auf jedenfall besser so und so konnte ich einfach in Ruhe in meine Wohnung spazieren und mir nicht weiter Gedanken über ihn machen.

Leichter gesagt, als getan, denn auch, wenn es mich nichts anging, interessierte es mich schon irgendwie, wo er nun noch so eilig hinraste.

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infallible || jung hoseokWhere stories live. Discover now