Kapitel 1 - Tipp: Schlafe nur im Unterricht, wenn du nicht im Unterricht bist.

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KAPITEL 1: Schlafe nur im Unterricht, wenn du nicht im Unterricht bist.

Als ich noch kleiner war und auch mit der Zeit, hat man mir mehr oder weniger aus Spaß beigebracht, dass alle guten Dinge drei seien. Egal in welcher Situation, in welchem Zusammenhang - immer waren es drei. Ich bin mir nicht sicher, ob die Leute, die mir das immer wieder vorgehalten haben, als wäre es eine wichtige Lebensweisheit, das aus Vergnügen oder einfach nur purer Langeweile gesagt haben. Aber mittlerweile bin ich mir sicher, dass es in jedem Fall im Unwissen war.

Drei Mal und nichts ist gut, rein gar nichts. Vielleicht wollten mich die Leute jedes Mal verarschen oder vielleicht haben sie auch einfach selbst nicht gewusst, was sie da sagten. Denn meiner Erfahrung nach ist dieses Sprichwort so weise wie der Versuch bei einem Hundert-Meter-Sprint mit High-Heels anzutreten.

Im Moment hatte ich mich noch nicht entscheiden können, was schlimmer war; die Tatsache, dass es bereits drei Mal vorgekommen war - und wahrscheinlich noch öfter -, oder dass es überhaupt passiert gewesen war. Eigentlich auch irrelevant, denn beide Tatsachen waren einfach nur schockierend. Was mich allerdings am meisten entsetzte: innerhalb einer Woche.

Verdammte drei Mal hatte er alles aufs Spiel gesetzt und ging ein Risiko vom Feinsten ein, alles zu zerstören, was er je aufgebaut hatte. Wenn das mal keine Meisterleistung war - großartig Dad. Ich sollte ihm eine Urkunde basteln, es schriftlich festhalten. Hatte er womöglich schon einen Rekord aufgestellt? Wie schnell verliere ich das Vertrauen und das Ansehen meiner Tochter in nur fünf Tagen?

Ich meine, das musste man doch auch mal zur Kenntnis nehmen, ihm hoch anrechnen, oder nicht? Wahrscheinlich würde er sich ernsthaft darüber freuen oder tat es bereits jetzt schon. Wobei, noch wusste er immerhin nicht, dass ich es wusste.

Sicher, ob das so bleiben sollte, war ich mir nicht. Ich wollte ihn so gerne dafür anschreien, ich wollte ihn wissen lassen, was er tat, was er zerstörte. Ich wollte, dass er wusste, dass er seine Tochter für unbestimmte Zeit verloren hatte, dass sie dabei war in ein Loch zu fallen. Ich wollte Mum wissen lassen, was ich wusste, ich wollte ihr die Augen öffnen. Doch ich konnte es nicht, ich durfte nicht. Vielleicht musste ich einsehen, dass, so bescheuert es klang, es besser wäre, würde es jetzt so bleiben, wie es war. Möglicherweise würde Dad selbst merken, dass er einen Fehler beging, immer wieder. Ich konnte sie nicht über mein Wissen informieren, das wäre mit hoher Wahrscheinlichkeit das Ende. Dann wäre ich diejenige gewesen welche, diejenige, die alles kaputt machte. Ich wollte das nicht, ausgerechnet das, und somit waren meine Möglichkeiten etwas dagegen zu unternehmen schlichtweg gering. Fast schon völlig zwecklos.

Ich könnte mit Dad reden, nur ihm erzählen, dass ich Bescheid wusste. Aber wenn ich ehrlich war, hatte ich zu große Angst. Vor seiner Reaktion, vor den Folgen, vor dem, was es auslösen würde. Ich sollte meine Klappe halten, so tun, als wäre nichts, als hätte ich nichts gesehen und alles wäre schön. Niemand würde streiten, niemand würde heulen müssen, nur ich vielleicht, aber das musste ich anhand der Fakten Wohl oder Übel in Kauf nehmen. Es wäre wahrscheinlich wirklich besser so, auch wenn ich zum jetzigen Zeitpunkt genau Null Ahnung hatte, wie lange ich dieses neuentstandene Geheimnis bewahren könnte.

Haben sie nicht auch immer gesagt, Schweigen wäre Gold? Mir war so. Gut möglich, dass sie mit dieser Weisheit mal etwas wirklich Nützliches geschöpft hatten, daran konnte ich mich dann für die nächsten Monate orientieren, sozusagen mein neuer roter Faden. Und glaubt mir, rot war dieser in jedem Fall.

Ich merkte praktisch gar nicht, wie sehr ich mit meinen Gedanken abgedriftet war, doch als mich ein heftiges Klopfen aus meinem Verstand holte, schreckte ich ertappt auf. War ja wieder mal gut gelaufen.

Kein Wunschkind - Mit Drogen dealt man nichtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt