01: Violet

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„Könnt ihr mal aufhören euch ständig gegenseitig die Zungen in den Hals zu stecken?", verlange ich von Ivres und Sina.

„Was? Ich hab dich nicht verstanden!"
Ich verdrehe genervt die Augen. Ivres nutzt jede Gelegenheit, um mich mit meinem Akzent zu ärgern. Es besteht kein Zweifel darin, dass er mich nicht verstanden hat.

„Du wolltest mir bei meinen Lyrik Hausaufgaben helfen. Schon vergessen?", jammere ich.

Wieso muss man in der Schule lernen, wie man ein Gedicht analysiert? Ich bezweifele, dass ich in zehn Jahren mal in einem Geschäft stehe und denke: „Wenn ich doch jetzt nur wüsste, wie man ein Gedicht interpretiert!" Das wird bestimmt nicht vorkommen.

„Ihr könnt auch noch später weiter euren Speichel austauschen. Wusstet ihr, dass...", ich schaffe es nicht meinen Satz zu beenden, da Sina mir ins Wort fällt.

„Meinst du so?", lacht sie und küsst Ivres demonstrativ.

Ich verziehe angewidert das Gesicht.
„Ich glaube kaum, dass ich das sage, aber ich bin froh, dass morgen Montag ist und ich wieder zur Schule muss. Dann muss ich das nicht den ganzen Tag ertragen."

Die beiden fangen an zu lachen. Sina ist quasi schon hier eingezogen. Sie verbringt fast jede freie Sekunde ihres Lebens hier. Ob sie überhaupt irgendetwas zu tun hat? Oder ein eigenes Zuhause?

„Na schön, ich helfe dir, damit du endlich Ruhe gibst", willigt Ivres endlich ein und lässt von seiner Freundin ab.

Innerlich atme ich erleichtert auf. Lange hätte ich mir das hier nicht mehr geben können. Ich kann nicht nachvollziehen, wie man verdammt nochmal so sehr an einer anderen Person kleben kann. Ich hatte mal einen Freund, aber so eng war unsere Beziehung nicht. Wir haben uns hin und wieder getroffen, hatten Sex und haben zusammen was mit Freunden gemacht. Es war nichts besonders für mich. Das zwischen Sina und Ivres scheint die große Liebe zu sein.

„Du bist eine richtige Nervensäge, was?", meint Sina und steht auf.

Sie trägt immer absichtlich etwas abgetragene Sachen und Sneakers, die den Eindruck machen, als würde sie diese schon seit drei Jahren nonstop tragen. Ihre Hosen haben immer Löcher und sehen alt aus. Irgendwie passt es aber zu ihr und sie sieht immer gut aus. Etwas neidisch bin ich schon auf sie. Sina hat ihren eigenen Stil schon lange gefunden, was ich auch gerne hätte.

„Wenn man lange genug nervt, kriegt man immer, was man möchte", erwidere ich mit einem Grinsen.

Das habe ich schon früh gelernt. Man muss nur lange genug auf andere einreden, um das zu bekommen, was man möchte.

„Wie auch immer. Ich gehe duschen", sagt sie und verschwindet nach oben.

Ich habe fast schon damit gerechnet, dass Ivres ihr folgen würde, damit sie gemeinsam duschen können, aber er sitzt noch auf dem Sofa und blickt mich an.

„Dann lass es uns hinter uns bringen, Violet", murmelt er wenig begeistert. Er wäre jetzt definitiv lieber mit Sina unter der Dusche, das sehe ich ihm an.

„Kannst du es nicht einfach für mich schreiben? Wozu studierst du diesen scheiß denn?"

„Das kommt gar nicht in die Tüte. Sei mal nicht so faul."

Ich stöhne genervt auf und werfe mein Buch auf den Couchtisch.
„Ich verstehe das aber nicht. Was will dieser blöde Dichter damit sagen, dass die Blumen rot sind. Die sind halt einfach rot", beklage ich mich.

„Jammer mal nicht so rum", meint Ivres , „bei mir funktioniert deine bescheuerte Masche nicht. Ich hab weit aus besseres zu tun, als mit einer 17-jährigen Hausaufgaben zu machen."

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