Der Seelenleser

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Lachen tat gut. Es hielt schlimme Gedanken fern und fühlte sich richtig an. Und der Film war wirklich brüllend Komisch. Dank dem Streaming Dienst, musste er nicht mal mehr zur Videothek laufen und sich eine DVD ausleihen. Einfach online ein Profil erstellen, ein paar Euros für den Monat im Voraus zahlen und schon konnte er so viele Filme schauen wie er nur wollte. Die Welt draußen für einen Moment vergessen und es sich bequem machen, Er saß im Schneidersitz auf dem Sofa und Anton, sein lieber Kater lag schnurrend neben ihm. Er streichelte Antons warmes Fell und genoss den Moment. Alles war für einen Moment in Ordnung.

Die Türklingel kündigte ein weites Stück Gemütlichkeit an. Eine leckere Pizza Fungi von seiner liebsten Pizzeria. Dazu eine Flasche Cola und ein großer Becher Eiscreme. Frei Haus geliefert. Er stand langsam auf und streichelte Anton noch kurz beruhigend über das Köpfchen. Der Kater schaute was säuerlich drein, Unterbrechungen bei den Streicheleinheiten, mochte er so gar nicht. Nach dem Essen würde es noch genug davon geben um ihn wieder zu versöhnen. Er zog seine Geldbörse aus der Tasche und stapfte gut gelaunt zur Türe.

Bevor er sie öffnete, fühlte er einen Moment des Zögerns. So als wenn etwas in der Luft liegen würde. Als wenn eine ganz leise Stimme flüstern würde. Die Türe nicht zu öffnen. Doch der Gedanke an die köstliche Pizza war stärker und er öffnete lächelnd die Türe. Als er das Gesicht den Mannes dahinter erkannte, lächelte er nicht mehr. Der Mann war ein alter Bekannter, von dem er gehofft hatte, ihn nie wieder zu sehen. Natürlich bemerkte der Besucher wie er schaute und sagte hastig: „Michi, wir brauchen deine Hilfe... Es ist dringend!"

Michi hörte ihm nicht zu. Er versuchte sofort die Türe wieder ins Schloss zu werfen und stemmte sich gegen sie. „Nein!" Ihm selbst war gar nicht klar, das er etwas sagte. Er wollte nur eins. Die Türe schließen. Abschließen. Die Kette vorlegen. Am besten noch den Schrank vor die Türe wuchten. Sein Herz schien gleich Richtung Mond zu starten und seine Hände tropften ebenso wie seine Stirn vor Schweiß. Es hatte nur eine Sekunde gedauert. Nur den Anblick dieses einen Gesichts gefordert. Und sein Seelenfrieden war dahin. Er wollte schreien und weinen. Alles zu gleich.

Der Besucher hatte aber nicht locker gelassen und seinen Fuß zwischen Türe und Rahmen gestellt. Es musste weh tun, so wie Michi die Türe gegen seinen Schuh donnerte. Wieder und wieder. Aber er ließ nicht locker und rief durch den Spalt: „Michi! Wir brauchen deine Hilfe! Hör auf durch zu drehen!"

Michi presste sich gegen die Türe. Bereit stärker zu drücken, sollte sein Besucher versuchen die Türe auf zu bekommen. Aber es geschah nichts. Der Besucher drückte nicht gegen die Tür und stand nur still da. Und er redete weiter: „Es ist ein junge entführt worden! Er könnte noch leben... Wir können ihn vielleicht noch retten! Aber das schaffen wir nichts alleine!"

Michi schluckte schwer und versuchte die Panik aus den Gliedmaßen zu bekommen. Sein Magen schlug Saltos und machte Schraubenzieher. „Verschwinde einfach! Nie wieder! Du hast es letztes mal schon gesagt und ihr hab nicht auf mich gehört! Ihr habt nicht zugehört und ich muss damit leben! Du hast keine Ahnung wie das ist! Nie wieder! Verdammt, nie wieder! Verpiss dich einfach! Verpiss dich!"

Der Besucher blieb unbeeindruckt und mit einem mal schob er ein Foto durch den Türspalt. „Sieh dir sein Foto an! Er ist neun Jahre alt! Er hat keine Chance, nur mit dir hat er eine!" Michi starrte auf das Bild. Ein Foto wie es bei unzähligen Großeltern hin. Ein blonder Junge der in die Kamera lächelte. Ohne um das Entsetzen und die Schrecken der Welt zu wissen. Michi kniff die Augen zu. „Ich will nich... Ich kann nich... Du weißt nicht was du da verlangst. Ich ertrage das nicht nochmal... Ich kann nicht mehr..."

Seine Worte gingen in einem Schluchzen unter und seine Knie gaben nach. Er drückte sich nicht mehr länger gegen die Türe, sondern rutschte an ihr langsam zu Boden. Selbst jetzt, machte der Besucher keine Anstalten die Türe auf zu drücken. Im Gegenteil. Er nahm den Fuß aus dem Türspalt und sagte leise: „Es ist deine Entscheidung. Wenn du uns nicht hilfst, wird er sterben. Er ist das dritte Opfer. Die anderen beiden haben nach ihrer Entführung noch zwei Wochen gelebt. Er wird eine Woche vermisst. Wenn wir ihn nicht finden, wird er sterben. Ich bin unten im Auto. Ich warte eine Stunde auf dich. Dann fahre ich. Tu es für den Jungen. Bitte." Dann ging er weg von der Türe und die Treppe hinunter.

Der SeelenleserWo Geschichten leben. Entdecke jetzt