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Während dem restlichen Essen unterhalten sich Mum und Anne darüber, was sie im Urlaub alles vorhatten und welche Sehenswürdigkeiten sie sich anschauen würden.
Manchmal kam mir kurz der Gedanke doch mitzufahren, dass ich keine Lust auf Österreich hatte, war da nicht der einzige Grund warum ich zuhause blieb. Mein älterer Bruder Finn würde sonst hinterher bleiben, er hatte wie beschlossen wurde, der Urlaub würde heuer in die Berge gehen, seine Meinung schon klar darüber geäußert. Als ich ihm dann oben im Flur traf, grinste er über beide Ohren und meinte nur: Endlich kann ich mal eine Party zu mir nachhause verlagern und sie werden es nicht mal mitbekommen.
Ich schüttelte nur den Kopf, für mich war es klar dass ich das nicht zu lassen konnte.
Denn da wo mein Bruder war, war meistens auch Harry. Sie sind mehr oder weniger gut befreundet, was ich überhaupt nicht unterstütze aber mein Bruder hat sowieso nur lauter Arschlöcher als Freunde, die jedes Wochenende besoffen in irgendeiner Ecke liegen. Finn war früher auch so, ich will nicht sagen dass es nicht mehr passiert, aber es geschieht weniger und ich will auch das es so bleibt, weil ich weiß er wartet nur auf die Gelegenheit, dass keiner die Augen mehr auf ihn richtet und er somit freien Lauf hat, aber nicht mit mir. Ich werde ihn nicht auch noch dabei unterstützen und mit Mum und Dad in den Urlaub zu fahren damit er freie Bahn hat. Nein. Weil ich genau weiß, dass es eskalieren würde wie in solchen Hollywood-filmen. Hangover oder was auch immer. Außerdem ist Österreich nicht wirklich besonders, ich war dort schon oft.

>Wo ist Finn eigentlich?<, Harrys Stimme, lässt mich ruckartig den Kopf heben und aus meinen Gedanken gleiten.

Sein Blick ruht dabei fragend auf meiner Mutter.
>Heute ist Freitag, Freitags geht er mit den Hunden der Nachbarin Gassi<, sie lächelt dabei, sichtlich stolz.

Harry wirkt verwundert, dann verkneift er sich ein Lachen.
>Er geht mit Hunden Gassi?<

>Davon könntest du dir eine Scheibe abschneiden<, seine Mutter funkelt ihn böse an.

Harry räuspert sich hingegen nur und senkt den Blick halb lachend auf seinen Teller.
Ich funkle ihn auch böse an, nur dass er es nicht sieht.

>Er müsste eigentlich bald zurück sein<, versucht meine Mum das Gespräch erneut aufzufangen.

Kaum hat sie den Satz beendet, wird auch schon die Tür aufgeschleudert und Finn stürmt ins Haus.
>Diese scheiß Köter<

Harry verschluckt sich fast an seinem Trinken, während ich und Mum uns entgeistert anschauen.

>Finn, wir haben Gäste!<, erinnert ihn meine Mum.

Da kommt Finn bei der Tür herein und hebt entschuldigend die Hände.

Harry kann sich sein Lachen nicht mehr verkneifen und prustet los. Ich atme genervt aus und stütze den Kopf in die Hände. Ich hasse es wenn die beiden zusammen sind. Ich hasse es wirklich. Harry hat keinen guten Einfluss auf meinen Bruder, das weiß unsere Mum und er auch, nur will er es nicht einsehen. Ich könnte nie Freunde haben, die so sind wie Harry. Finn verstellt sich, wenn er mit ihm abhängt und mit seinen anderen Freunden, zumindest war das so als ich sie einmal zusammen erlebt hatte, ich hatte ihn nicht wiedererkannt, aber er ist nicht wie Harry, ich weiß dass er nicht so ist, dafür ist mein Bruder einfach zu gut. Oder er hat zwei Seiten, aber das will ich mir nicht vorstellen. Diese betrunken Geschichten am Wochenende tragen allerdings nicht zu einer Besserung bei. Ich kann sagen, dass es früher schlimmer war. Einmal hat Dad ihm einfach den Zugriff zu seinem Schlagzeug verwehrt und Finn ohne Schlagzeug? Nicht möglich. Die Idee hätte auch von mir sein können, aber eigentlich sollte ich mich nicht dazu gezwungen fühlen, Finn zu beschützen, aber er macht es nicht anders, er beschützt mich wo er kann. Ich liebe es ihn als Bruder zu haben, aber nicht diesen Finn, welcher mit Harry abhängt sondern mein Finn. Das einzig gute an Finns Freundschaft mit Harry ist ihre Band. Das wars dann aber auch schon.

>Und wie war es?< meine Mum verschränkt die Hände vor der Brust und sieht erwartend zu Finn, der schüttelt jedoch nur den Kopf und murmelt ein leises "Wie immer", dann hebt er den Kopf und macht eine einladende Bewegung mit der Hand, die Harry dazu auffordern soll, mitzukommen. 

>Komm wir gehen rauf, Kumpel<, er macht die Handbewegung erneut und Harry zögert keine Sekunde, legt seine Serviette zur Seite, schiebt den Stuhl mit einem grässlichen Geräusch zurück und steht auf.

>Das Essen war ausgezeichnet<, dabei blickt er zu meiner Mutter, die lächelnd nickt, dann wendet sie sich wieder an meinen Bruder.

>Finn, willst du gar nichts essen, du musst doch Hunger haben<

>Ja, nach diesem anstrengenden Spaziergang<, Harry lacht und ich verdrehe erneut die Augen.

>Nein Mum, keinen Hunger<, erklärt er sich.

>Hundefutter gefuttert?<, Harry schlägt ihm gegen die Schulter.

>Lustig<, Finn legt den Kopf schief, sichtlich nicht amüsiert.

Zuerst mustert Mum ihn misstrauisch, aber dann will sie sich wohl nicht länger damit beschäftigen, denn sie weiß, dass es sowieso nichts hilft und winkt ab >Aber zum Kuchen kommt ihr dann hinunter, ja?<

>Jaja<, murmelt Finn und macht sich auf den Weg zur Treppe.

Harry folgt meinem Bruder, aber Finn stoppt und dreht sich mitten auf der Treppe nach mir um.

>Willst du nicht mitkommen, Florina?<, fragt er mich.

Seit wann nennt er mich denn bitte Florina?, eigentlich hatte ich mich bei ihm an Rina gewöhnt. Ich ziehe die Augenbrauen verwundert zusammen, warum sollte ich mit hochkommen? Er holt mich nie mit seinen Freunden in ein Zimmer, eines muss ich ihm lassen, wenigstens weiß er, dass seine Freunde kein guter Umgang für mich sind. Ich gehe im Kopf die Möglichkeiten durch, um herauszufinden, was er von mir wollen könnte, aber es fällt mir nichts ein, deswegen lehne ich ab.

>Eh, eher nicht<, jetzt ziehe ich meine Augenbrauen in die Höhe um ihm insgeheim zu fragen, was das soll, er jedoch macht mit seinem Kopf eine hektische Bewegung, die mir wohl andeuten soll aufzustehen. Manchmal hasse ich es, dass ich so verdammt neugierig bin, eindeutig eine Schwäche von mir. Also stehe ich auf, eleganter wie Harry, denn mein Sessel macht beim Zurückschieben keine grässlichen Geräusche.

>Meinetwegen<, murmle ich dabei und gehe nach den beiden die Treppe hinauf.


Flower Print [HS]Where stories live. Discover now