„Was hätte er sonst tun soll Noah? Erwartest du wirklich von uns, dass wir nur stillschweigend zusehen? Hast du auch nur eine ungefähre Ahnung, wie das für uns ist, wenn wir dich so sehen?" Tyler hatte die Arme verschränkt und funkelte Noah an.

Erstaunt sah ich ihn an, ich hatte bisher noch nie erlebt, dass er lauter wurde. Auch Noah schien überrascht, fasste sich aber schnell wieder. „Es ist meine Entscheidung!"

Tyler schnaubte und ging einen Schritt auf ihn zu. „Es war deine, bis heute. Leb damit oder lass es, aber du hast nur noch uns oder denkst du wirklich dein Vater wird sich ändern? Nicht einmal du kannst so dumm sein!" Noah sah ihn an, dann legte er sich zurück in das Kissen. Wir anderen sahen schweigend zu.

„Ich möchte das ihr geht. Ich bin müde.", sagte er unter geschlossenen Augen. Seufzend erhoben sich die anderen und gingen Richtung Tür. Ich begleitete sie bis nach unten.

„Tyler, musstest du wirklich direkt damit anfangen?" Josh schüttelte den Kopf.

„Ich denke er hat alles richtig gemacht, irgendwer musste es mal sagen. Du weißt doch auch, dass es so nicht weiter gehen kann", verteidigte Kyle ihn und ich musste ihm zustimmen.

„Ich versuche es gleich noch mal, sehen wir uns morgen?" Die anderen nickten und verabschiedeten sich. Ich wartete bis ich hörte wie die Autotüren zuschlugen, dann ging ich wieder nach oben.

„Du hast mir-"

„-Noah, ich habe keine andere Möglichkeit gesehen. Was hättest du an meiner Stelle gemacht?", fragte ich ihn und ließ mich auf den Stuhl nieder.

Noah mied es weiterhin mich anzusehen und ich war froh darüber. „Ich hätte dich nicht verraten."

„Wenn ich da so wie du gelegen hätte? Vollkommen verwirrt und unter Schmerzen? Noah du müsstest dich einmal ansehen! Wenn du an meiner Stelle keinen Arzt gerufen hättest, dann wärst du kein Freund. Es tut mir leid, aber ich habe keine andere Lösung mehr gesehen."

Noah machte ein Geräusch, was ein Schnauben darstellen sollte, zumindest soweit ich es raten konnte. „Noah, du kannst doch nicht wirklich glauben, dass das hier" ich deute auf ihn, „ein blödes Missgeschick war! Ey komm, dein Vater hat auf dich gepinkelt! Verstehst du das? Du bist ihm scheiß egal."

„Er meinte es nicht so.", murmelte er leise wie ein Mantra. Und wahrscheinlich glaubt er das auch noch.

„ER MEINTE ES NICHT SO?" Ich stand auf und raufte mir die Haare. „Was daran konnte er denn anders gemeint haben? Erklär es mir, denn soweit ich das sehe, ist es ihm scheiß egal wie weit er geht. Oder warum haben sie nicht angerufen um zu fragen wie es dir geht? Warum musstest du mich heute Morgen rufen? Du weißt es genauso gut wie ich, aber ich verstehe nicht, warum du sie immer noch in Schutz nehmen willst." Unruhig tigerte ich durch das Zimmer und Noah schwieg.

Ich dachte schon er wäre eingeschlafen, doch als ich mich umdrehte und ihn ansah, sah ich wie Tränen aus seinen Augen ihren Weg in das Kissen suchten. „Wen hätte ich denn dann noch?" Die Verzweiflung war nicht zu überhören, Mitleid machte sich in mir breit und ich fühlte mich schlecht.

Ich reichte ihm ein Taschentuch. „Uns. Uns wirst du immer haben. Wir werden für dich da sein, aber das geht nur, wenn du uns dir helfen lässt." Noahs Körper bebte, obwohl kein Schluchzen seine Lippen verließ. Vorsichtig strich ich über seinen Arm. Die Zimmertür öffnete sich leise und Dad trat ein. Ich hatte gar nicht mitbekommen, dass er wieder zuhause war. 

Noah sah zu ihm hoch und versuchte die Tränen schnell wegzuwischen, doch Dad hatte sie bereits gesehen. „Wie geht es dir Junge?" Seine Stimme klang sanft, sanfter als ich sie je gehört hatte.

„Gut, danke Sir. Tut mir leid, dass ich hier bin.", entschuldigte sich Noah.

„Du musst dich nicht dafür entschuldigen, dass du da bist. Hat Liam dir gesagt, dass du erst einmal hier bleiben wirst, bis wir eine Lösung gefunden haben?"

Noah schüttelte unsicher den Kopf und suchte meinen Blick. Ich nickte bestätigend und die Anspannung wich aus seinem Körper. „Danke Sir."

Dad machte eine wegwerfende Handbewegung und stand auf. „Reden wir nicht darüber. Du wirst erst einmal wieder Fit, dann reden wir über die Zukunft." Dad nickte mir im Gehen zu.

Als die Tür ins Schloss fiel, drehte Noah seinen Kopf und sah mich an. Dankbarkeit lag in seinem Blick, doch bevor er etwas sagen konnte, sprach ich. „Wage es nicht dich zu bedanken, du hättest dasselbe für mich gemacht. Willst du was essen? Ich habe unten Brei für dich." Noah nickte und ich verschwand in die Küche.

Dass mein Tag damit enden würde, dass ich meinen Freund mit Brei fütterte, hätte ich heute Morgen nicht gedacht. „Erwarte aber nicht, dass ich mich als Krankenschwester verkleiden werde.", sagte ich, als ich ihm einen neuen Löffel hinhielt.

„Da kannst du ja froh sein, dass ich eine Schwester eh nicht gut fänden würde.", scherzte er, ehe er den Mund aufmachte. Ich lachte, aber mehr weil ich froh war, dass er wieder scherzen konnte, als es tatsächlich witzig gewesen wäre. Er hatte noch so einen langen Weg vor sich.

DeliriumOpowieści tętniące życiem. Odkryj je teraz