Tröstende Klänge

Beginne am Anfang
                                    

Meine Hoffnung erfüllt sich, denn ich höre sie noch immer in wehklagendem Ton berichten. Ich zwinge mich wieder zu einem Lächeln, nicke erneut und wende mich dem Meer zu. Am helllichten Tage würde man, nur an Hand der Wolken den Unterschied zwischen Himmel und Wasser erkennen, doch die Sonne beginnt zu versinken und setzt das Firmament in Brand. Orange, Rot und immer dunkler werdendes Violett vermischen sich zu einem Kunstwerk, welche keine Kamera dieser Welt einfangen kann. Ich sauge den Anblick tief in mein Innerstes, genieße die Farben und fühle mich Angesichts dieser gewaltigen Pracht, winzig wie ein Sandkorn in der Wüste.

Ein Knarzen reißt mich aus der Ehrfurcht und verkündet, dass wir uns unserem nächsten Zwischenstopp nähern – Split. Der Bus setzte seinen Weg bergab fort. Die Kurven bleiben und mehr als einmal habe ich das Gefühl, dass es uns von der Straße drängt, doch der Fahrer scheint sein Vehikel besser im Griff zu haben, als er uns glauben lässt. Immer mehr Häuser tauchen auf. Die Straße wird voller und Lampen erhellen die aufsteigende Nacht mit diffusen, künstlichem Licht. Wir kommen nur langsam vorwärts. Irgendwo auf dieser Straße muss eine Ampel mit der denkbar schlechtesten Einstellung stehen, denn wenn es mal vorwärts geht, dann kriecht der Bus nur zentimeterweise voran und bleibt für eine Ewigkeit stehen. Es dauert fast eine halbe Stunde bis wir die provisorische Ampel passieren und in die Stadt hineinfahren. Ein kleines Hubkonzert, bevor wir in einen viel zu großen Kreisverkehr hineinfahren, hat nun auch den letzten Fahrgast aus dem Schlaf gerissen. Der Wagen kämpft sich durch die überfüllten Straßen und biegt schlussendlich direkt am Hafen ein. Ich kann eine ganze Reihe von Bussen ausmachen und erkenne den Busbahnhof. Schwerfällig manövriert der Fahrer sein Gefährt in eine Parkbucht und öffnet die Tür. Einige der Passagiere haben ihr Ziel erreicht. Sie ziehen sich wieder ordentlich an, nehmen ihr Handgepäck und verlassen gutgelaunt den Bus. Ich entschließe mich, ein wenige Luft schnappen zu gehen, bevor es weitergeht. Kaum habe ich den klimatisierten Bus verlassen und meinen Fuß auf den heißen Asphalt gesetzt, erschlägt mich die Hitze. Abgasgestank kriecht in meine Nase. Die schwüle Hitze vermischt sich mit der Hitze der laufenden Motoren. Menschen stehen dicht aneinandergedrängt und warten auf den Einstieg. Manche tragen bloß eine Handtasche bei sich, andere Wanderrucksäcke. Eines haben alle gemein, sie sehen erschöpft aus. Zwischen den Stimmenwirrwarr der Touristen, dem Verkehrslärm und der Musik, die aus angrenzenden Cafés dringt, nehme ich eine hohe Stimme wahr, die in akzentschwerer Stimme, Zimmer anbieten.

„Zimmer...Sobe...Room....Camero“, dabei rollt sie das R so hart, dass selbst meine Muttersprache unverständlich klingt. Eine der Damen, sie trägt einen langen, weiten Rock und eine gestreifte Bluse, hält mir ihr Schild direkt vors Gesicht und versucht mich als Gast zu gewinnen. Ich lehne ab und will flüchten, doch die Dame packt ihr gebrochenes Deutsch aus und versucht mich zu überreden. Meiner Antwort schenkt sie kein Gehör und so versuche ich es mit den Brocken Kroatisch, welche ich über die Jahre aufgeschnappt habe. Hände und Füße kommen zum Einsatz und als ich keinen Ausweg mehr sehe, flüchte ich in das nächste Café. Erleichtert atme ich durch und möchte mir einen Kaffee vor der Weiterfahrt gönnen. Gemächlich stelle ich mich an und schaue immer wieder aus dem Fenster und vertraue der langsamen Art der Kroaten. Mein Bus steht unverändert dort. Abermals wandert mein Blick in Richtung des Fensters, doch ich werde abgelenkt. Ein Kind beginnt zu brüllen und ich richte mein Augenmerk auf den kleinen, schwarz gelockten Menschen. Für einen Augenblick vergesse ich den Bus im Auge zu behalten und als die Mutter das Kind beruhigt und mein Interesse schwindet, klappt mir der Kiefer runter. Mein Bus steht nicht mehr dort. Ohne zu bestellen, stürme ich aus dem Café auf die Straße. Ich sehe die Rücklichter in weiter Ferne und versuche dem Bus zu folgen, doch noch ehe ich auch nur ansatzweise ihm nahe komme, verschwindet er. Verlassen bleibe ich zurück und schrecke von dem Gehupe der Autos zurück, die mich von der Straße drängen. Hastig springe ich zur Seite und lande auf der Seite des Hafens. Mit Tränen in den Augen setze ich mich auf eine Bank und starre auf das Meer, welches mit dem Einbrechen der Dunkelheit, sein Blau verliert und sich schwarz verfärbt. Ein Aufschluchzen entfleucht meiner Kehle, denn die Einsamkeit legt sich wie eine Decke über mich und hält mich gefangen. Ich schließe meine Augen, kämpfe gegen aufsteigende Tränen und rufe mich selbst zur Ordnung. So wie ich es immer mache. Man weint nicht in der Öffentlichkeit, egal wie weh es tut.

Tröstende KlängeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt