Skythief

7 - Halbmenschen

Hinter Cress knallten Türen ins Schloss, als sie sich in Richtung Schankraum bewegte, ohne sich noch einmal nach den Körpern am Boden umzublicken. Sie spuckte Blut aus, das ihr von der Nase in den Mund geronnen war. Ihr halbes Gesicht pulsierte vor Schmerz.

Chiby Wales, seines Zeichens Scharfschütze und Mechaniker, tippte sich an die Baskenmütze, als er sie rennen sah.

"Hübsch wie immer, Schattenvogel", grinste er angespannt, lud nach und schoss auf einen der Cyborgs unten im Schankraum. Cress ließ ihre brennenden Handgelenke kreisen, während sie sich zu ihm hinter die Balustrade der Galerie sinken ließ. Sie hatte nur einen Blick auf das Chaos erhascht, bevor sie vor zwei verirrten Kugeln in Deckung gegangen war.

„Haben sie nicht gesagt, wir wären voll besetzt?", brüllte Cress dem Scharfschützen durch Schreie und Schüsse zu.

„Sind wir", brüllte Chiby zurück. In gespielter Begeisterung riss er die Augen auf, „Sie können jetzt übrigens anscheinend klettern."

„Nicht dein Ernst?!"

Chiby linste über die Balustrade und feuerte. Zwei Cyborgs fielen in rascher Folge, bevor er sein uraltes Gewehr nachladen musste. Cress Augen tanzten über das Gemetzel. So viele Cyborgs waren schon ewig nicht mehr hier eingefallen. Was war nur los, heute Nacht? Wieso attackierten sie alle dasselbe Ziel? Es war beängstigend.

"Wo ist Mike?", fragte Cress.

Chiby hielt inne.

"Ich habe ihn noch nicht gesehen", war die beunruhigende Antwort. Fluchend sprang der Schatten auf.

"Halt sie mir vom Leib."

Chiby salutierte, während sie schon die Treppe hinunter stürmte.

Der alte Barmann war zwar nicht wehrlos, aber in so einer Flut ging jeder früher oder später unter. Cress mochte Mike genug, um zumindest zu versuchen, ihn zu retten. Außerdem würde der Kreuzbube ohne Mikes Engelsblut deutlich weniger verdienen.

Schüsse knallten, menschliche Schreie vermischten sich mit dem Gebrüll der Albträume, die das Lokal überfallen hatten.

Chibys zielsichere Schüsse ersparten der Diebin eine Horde Cyborgs. Sie sprang über den Tresen.

"Na, Mike? Bequem?"

Der Barkeeper hatte sich unter der Theke zusammengekauert, zwei Cyborgs lagen in einer scharlachroten Lache vor ihm auf den Holzboden.

"Die Flecken bekomme ich nie wieder raus", fluchte er, während sie neben ihm in Deckung ging. Ihr Blick fiel auf einen großen Glassplitter neben ihrem Schuh, auf dem noch ein Etikett klebte.

„Blut oder Wein?"

„Beides. Das ... "

Cress sollte nie erfahren, was der Barkeeper sagen wollte, als er empört den Mund öffnete, denn eine Kugel pfiff über die Köpfe der beiden Clubs hinweg und brachte das Fass voller Engelsblut zum Explodieren.

Eine Flut aus leuchtend blauer Flüssigkeit und Glasscherben rauschte auf sie herab. Spuckend und nach Atem ringend zog Cress sich hoch. Ein kurzer Blick auf die Glasscherben, die ihre Unterarme säumten. Einmal mehr war sie für die Qualität ihrer Unterarmschoner dankbar.

Der Alkohol brannte schrecklich in den Augen, als sie Mike hochzog.

"Etwas weniger Aggressives hätte es auch getan", ächzte die Diebin.

Der Barkeeper hatte einen langen Schnitt am Kopf und zitterte jetzt am ganzen Leib, obwohl er noch Momente zuvor so ruhig gewirkt hatte.

"Cress, du musst das abwaschen. Es zieht ein und macht dich betrunkener, als du es je warst."

Sie zog eine Grimasse und warf einen ihrer Dolche, um einem weiteren Gangmitglied, das sich schon mit zwei Cyborgs schlug, einen dritten Gegner zu ersparen.

"Fühlt sich so an", ächzte die Diebin und rollte ihre Schulter zurück.

Sie winkte Chiby, der sofort wieder anfing zu feuern, während ihre Haut zu brennen begann. Falls sich Regenbrand auch nur annähernd so anfühlte, verstand sie jetzt, wieso schon die kleinste Wolke alle dazu brachte, Schutz zu suchen.

Obwohl Chiby schoss wie ein Verrückter und Cress in seinen Nachladephasen ihr Bestes tat, um sich selbst und Mike am Leben zu halten, erreichte das Duo die Treppe nach oben nur mit Müh und Not. Cyborgs stapelten sich regelrecht dort, was die anderen nicht davon abzuhalten schien, ebenfalls den Aufstieg zu versuchen. Mike stolperte nach oben, während Cress sich den Cyborgs stellte, die sie verfolgt hatten.

Es war unmöglich zu sagen, was die Monster mehr anzog – das menschliche Blut oder der blaue Cocktail, der Cress Sicht jetzt schon verschwimmen ließ. Sie jagte einem besonders großen Exemplar die Klinge durch die Augenhöhle. Das Knacken von Glas und Kunststoff war ihr Lohn. Eine Sekunde lang hielt Cress das zweite, sterbende Augen gefangen, was bereits zu lang war. Eine Hand brach durch die Treppe, packte ihren Knöchel und zog. Sie war bereits halb durch die Treppe gebrochen, bevor Chiby schoss.