Ein Mensch

16 2 1
                                    

- „ Einem Freund begegnet man mit Übermut, einem Bekannten mit Freundlichkeit, einem Fremden mit Misstrauen, doch etwas ganz und gar Unbekanntem begegnet man mit Furcht. Und aus Furcht erwachsen schreckliche Dinge"
Tilfibhur, Wächter der vier Heiligtümer

Es war ein Tag wie jeder andere auch. Die Kinder turnten auf den Hängebrücken herum, während ihre Mütter Häuser reparierten oder Kleidung flickten und die Männer sich zur Jagd aufmachten. Auch Berùvyar schärfte noch einmal seine Klinge und kontrollierte die Spitzen seiner Pfeile, als er leise Schritte hörte, die definitiv nicht von einem Elfen stammen konnten. Dennoch waren sie sehr leise. Dem jungen Elfen fiel kein Wesen ein, welches lauter als ein Relgrranif und dennoch so leise gehen konnte. Es war definitiv zweibeinig und hatte weder Hufe noch Pfoten noch Schuhe, stattdessen traf nackte Haut auf den Grund.
Berùvyar war nicht der einzige, der die Schritte wahrgenommen hatte. Das ganze Dorf war verstummt und warte gespannt und ratlos, welches Wesen auf der Lichtung erscheinen würde.
Es sah aus wie ein Elfenkind. Ein großer, schwarzer Mantel ließ keinen Blick auf die Gestalt selber, doch die Umrisse waren weder die gebückte Haltung der Relgrranif noch hatte sie die langen Gliedmaßen der Zsafrahk. Am meisten glich die Gestalt wirklich einem Elfen.
Berùvyar stockte, denn die Gestalt erinnerte ihn noch an ein anderes Wesen. Eines, dass er aus seiner frühen Jugend kannte: einen Menschen.
Er fuhr hoch und schaute ungläubig zu dem Ältesten. Der jedoch regte sich kein Stück und hatte den Blick immernoch fest auf die Gestalt am Boden gehaftet. Sie war dem Pfad gefolgt, doch dort, wo die Kinder ihn zur optischen Täuschung ausgetreten hatten, zögerte sie und trat wieder einen Schritt zurück. Sie blieb eine ganze Weile dort stehen, wo die Elfen den Aufstieg ins Dorf begannen, doch selbst wenn sie ihn entdeckt hatte, wäre er zu weit oben für sie. Berùvyar war gerade davon überzeugt, dass die Gestalt nun weiter gehen würde, als eine klare Stimme durch den Wald hinauf in die Siedlung drang. "Verzeiht mir mein ungebetenes Eindringen, Ältester, ich bin eine Reisende und bitte um Rast", sprach sie. Es war in der Sprache der Elfen, sogar mit dem perfekten Akzent des Südens. Keiner der Dorfbewohner kam aus dem Staunen raus, denn die Stimme klang reif und rein. Es konnte kein Kind sein, doch warum konnte sie dann ihre Sprache? Ebenso hatte sie an einen Kodex der Elfen appelliert, der anderen Völkern nicht bekannt war, und hatte den Ältesten um Rast gebeten, doch sich dafür nicht zu ihm umgedreht. Das wiederum hieß, dass sie nicht wusste, wo er war, weshalb sie kein Elf sein konnte. Sie war ja eh viel zu klein.
Der Älteste atmete einmal tief durch und antwortete dann: "Zeig uns dein Gesicht!" Die Gestalt drehte sich um, so dass sie nun dem Ältesten in die Augen schauen konnten und zog die Kapuze ein kleines bisschen zurück. Berùvyar konnte nur ein wenig weißes Haar sehen, doch der Älteste und die Elfen um ihn herum waren blass wie der Sand am Südmeer geworden und bewegten sich nicht. Was auch immer sie war, es war schockierend. Dann räusperte er sich und sah sich suchend im Dorf umher, bis sein Blick auf Berùvyar fiel. "Geh und trag sie hinauf", wies er ihn an und der junge Elf tat wie geheißen. Er kletterte flink herunter, dann ließ er sich vor ihr nieder, so dass sie auf seinen Rücken steigen konnte.
Sie streckte eine Hand aus, die so blass war, dass sie ihm weiß wie eine Perle erschien, bis sie auf seinen Rücken stieß. Dann tastete sie mit beiden Händen über seinen Rücken, bis sie seine Schultern gefunden hatte und klammerte sich an ihm fest. Berùvyar kletterte mit ihr nach oben und ließ sie vor dem Ältesten herunter. Wieder streckte sie erst einen Fuß zum Boden aus, dann den anderen, bis sie sicher stand und bestätigte damit die Vermutung des Elfen: sie war blind. Und das erklärte einiges. "Du batest um Rast und wir gewähren sie dir", sprach er die rituellen Worte. Dann zögerte er unentschlossen. "Ich denke ich weiß, was in ihren Kopf umher geht. Ich bin 19 Jahre alt.", sagte das Mädchen. In Berùvyars Kopf drehte sich alles. Seid etwas über 18 Jahren gab es keine Menschen mehr auf dieser Welt. "Ich kann ihnen weder Ja noch nein sagen, doch ich denke, dass sie zu dem gleichen Schluss gekommen sind wie ich", führte sie fort. "Es tut mir Leid, dass ich Ihre Jagd verzögere, doch ich brauche Hilfe."
Der Älteste zeufzte noch einmal, dann erhob er seine Stimme. "Ab heute, bis sie zu gehen wünscht, werden wir diese Menschenfrau bei uns beherbergen", teilte er mit und sofort wurde es laut. Die Elfen im Dorf reagierten unterschiedlich. Die Kinder ungläubig und begeistert, die Jugendlichen verwirrt. Alle, die alt genug waren, die Menschen kennen gelernt zu haben, waren nicht mehr sonderlich überrascht, doch je älter sie waren, desto verbitterter wurde ihr Gesicht. Doch sie alle wussten, dass sie ihre Traditionen und Gesetze nicht brechen würden, somit legte niemand Widerspruch ein. "Ich danke Ihnen, Ältester", erwiderte das Mädchen und neigt seinen Kopf zu einer angedeuteten Verbeugung, wie es hier im Süden üblich war. "Wie ihr schon angemerkt habt, wollten wir Jagen gehen, also werden wir ihre Geschichte wohl auf heute Abend verlegen müssen", schloss der Älteste ab und zeigte Berùvyar mit einer Handgeste, dass er ihr ein Zimmer geben sollte. Er überlegte, wie er sie am besten Führen konnte, denn er wollte sie nicht durch tragen demütigen, als sie sich schon bei ihm einhakte. Das Mädchen schlurfte ein wenig mit den Füßen über dem Boden, und Berùvyar wunderte sich, dass es ihm nicht vorher schon aufgefallen war.
Er brachte sie in das Zimmer, welches er nach dem Tod seiner Mutter nicht mehr betreten hatte. Es würde nun als Gästezimmer dienen und das war eine Erleichterung für den Elfen. Er säuberte alles, während das Mädchen reglos im Raum stand. Als er fertig war, zog sie sich ihren Mantel aus und hielt ihn Berùvyar hin, welcher ihn nahm und an einen Haken hängte. Er war dick und das Mädchen musste unheimlich geschwitzt haben, doch nun, wo er ihre Haut sehen konnte, wunderte er sich nicht sonderlich. Sie war noch viel blasser als Nachtelfen und die konnten in der Sonne schon nicht raus gehen.
Sie war sehr schlank gebaut und ihre Augen würden in einem kräftigem Grün leuchten, wenn nicht der milchige Schleier der Blinden darüber liegen würde. Sie hatte volles, weißes Haar, welches sie geflochten über ihre Schulter gelegt hatte und ihr dennoch fast bis zu den Knien ging. Sie umklammert ein schwarzes Bündel, weshalb Berùvyar ihre Hand nahm und langsam zu einem Vorsprung neben dem Bett führte. Sie ertasten es schnell und legte ihr Bündel darauf ab.

To już koniec opublikowanych części.

⏰ Ostatnio Aktualizowane: Jul 10, 2017 ⏰

Dodaj to dzieło do Biblioteki, aby dostawać powiadomienia o nowych częściach!

Das Kind des weißen DrachensOpowieści tętniące życiem. Odkryj je teraz