5 · stalk and talk

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»Bitte, was?«, wiederholte ich meinen Gedanken überrascht und lief in Richtung Fenster.

Und da stand er ­- in echt - in 3D - wirklich. Er hielt sein Handy am Ohr und blickte grinsend hoch. »Mund zu, sonst sausen noch Fliegen rein.« Ich klappte mein Mund langsam zu und öffnete mein Fenster.

Dann legte ich auf und versuchte so leise wie es ging ihm etwas zuzurufen. »Was war dein Ziel? Dass, ich jetzt runterkomme?« Er zuckte mit den Achseln. »Es ist Samstag und du hast nichts Besseres, als zu Hause rumzusitzen, zutun.«

Ich hob meine Augenbrauen. »Entschuldige - aber, du bist hier der, der nichts Besseres zu tun hat, als mich an einem Samstagabend zu stalken.«

Er nickte anerkennend. »Touché.« Ich reckte mein Kinn vor und steckte meine Zunge raus.

»Warte. Woher weißt du eigentlich wo ich wohne?«, wollte ich wissen und legte mein Kopf schief.

»Deine Freundin - Ginger - eh, Gracie?« Er kratzte sich am Kopf. »Glenda.«, gab ich augenrollend zurück. Ich musste mich wohl daran gewöhnen, dass er sich keine Namen merken konnte.

»Ja, genau ­- die. Ich habe sie am Freitag nach der Schule gefragt, als du nicht zur Schule gekommen bist.«

Ich nickte. War ja klar, dass sie gleich mit meiner Adresse rausrücken würde. Sie wusste ja nicht, was ich alles über mich hören musste.

»Also, kommst du jetzt runter?« Er lehnte sich an die Wand unter meinem Zimmer. »Und dann?«, wollte ich wissen.

»Wirst du sehen - außerdem bist du mir das schuldig. Ich habe die Arbeit alleine weitergeschrieben, uns fehlt nur noch eine Seite!«, beschwerte er sich. Irgendwie sah er aus wie ein motziges, kleines Kind. Süß.

»Hast du verdient!«, rief ich zurück.

Dann passierte das, wovor ich schon die ganze Zeit Angst hatte. Meine Mom öffnete die Haustür. »Wer bist du?«, fragte sie neugierig und ging auf Vincent zu.

»Ich - Ich bin ein Freund von ihrer Tochter, Ma'am.«, gab er kleinlaut zurück und schaute hoch.

»Daya? Was hat das zu bedeuten?«, rief sie zu mir rüber und kreuzte ihre Arme vor der Brust.

»Das ist Vincent, der - der Junge mit dem ich die Strafarbeit schreiben muss.« Ihr Gesicht leuchtete umgehend auf und sie strahlte Vincent an. »Der gutaussehende Basketballkapitän?«

Ich steckte mein Kopf gleich wieder in mein Zimmer, um Vincent nicht ansehen zu müssen ­- oder Mom.

Dad sagte immer: „Der Pessimist flucht immer, wenn ihm ein Vogel auf den Kopf scheißt. Der Optimist freut sich, dass Kühe nicht fliegen können."

Mom hatte mir regelrecht auf den Kopf geschissen mit ihren Worten - aber es könnte noch schlimmer kommen, oder?

»Daya, Schatz. Du kannst ruhig mit deinem Freund raus, du warst gestern auch schon den ganzen Tag zu Hause - um Mitternacht bist du aber wieder da. Oh. Vincent könnte dich wieder zurückbringen, nicht wahr?«

Ich schaute wieder raus um Vincent's Reaktion sehen zu können. Das könnte ich mir einfach nicht entgehen lassen. »Sicher doch! Ich passe auf ihre Tochter auf.«, beteuerte dieser, während er zu mir hochgrinste.

»Lass den Armen nicht lange warten.«, fügte meine Mom dazu.

Ich ließ meinen Kopf genervt gegen die Fensterscheibe fallen und zog mir meine Jacke über ­-­ Hauptsache weg von Mom ­- sonst würde sie noch eine Kuh auf meinen Kopf scheißen lassen. »Bin gleich unten.«, murmelte ich.

»Los, lass uns gehen.« Ich zog ihn an seiner Jacke, damit Mom wieder schnell rein gehen konnte. Vincent nickte und folgte mir.

»Auf Wiedersehen, Ma'am.«, rief er zu meiner Mutter. »Viel Spaß - ach, und nenn' mich doch Jody.«, sagte sie fröhlich, während sie in das Haus lief.

Nach einer angenehmen Stille fragte Vincent: »Was habe ich verdient?«, und fixierte meine Augen.

Erst kniff ich verwirrt meine Augen zusammen, doch dann verstand ich was er meinte. Ich blieb stehen und blitzte ihn wütend an. »Wieso gibst du dich eigentlich mit einem Mädchen wie mir ab?«

Jetzt war er die Person, die stehen blieb und mich mit runzelnder Stirn anblickte. »Wie meinst du das?«

»Ich bin eine Klasse unter dir, keine Cheerleaderin, habe eine viel zu große Klappe für meine Größe und nerve.«, wiederholte ich Shane's Worte und lächelte in zuckersüß an.

Friss Staub, Sullivan.

Er klappte sein Mund auf, schaute mich entschuldigend an und drehte sich von mir weg. »Du hast es gehört. Ich hätte mir das denken können.«, murmelte er.

»Also ­- was willst du von mir, Vincent?«, trotz meiner Wut lief ich auf ihn zu.

Er drehte sich um und schaute mir in die Augen. »Und wenn wir beide alleine wären -« Er kam mir näher - so nah, dass ich schon seinen Atem auf meiner Nase spürte.
Shit, ich bekam Gänsehaut.

»- würdest du mich niemals küssen.«, beendete ich hauchend seinen Satz, während ich seine Lippen fixierte.

Nicht nur mein Körper zitterte ­- selbst mein Atem zitterte mit. Alles zitterte.

Er nickte, sein Blick wanderte von meinen Augen zu meinen Lippen. »Genau das - war gelogen.«, raunte er und nahm mein Gesicht in seine Hände. Ein schelmisches Grinsen umspielte seine Lippen.

»Was tust du da?«, hauchte ich, während mein Herz schien immer schneller zu schlagen.

Ein Lachen verließ seine Lippen. »Wirst du gleich sehen.«

Und dann sah ich es nicht nur.
Ich spürte es und ich schmeckte es.

Er küsste mich - Vincent Sullivan küsste Daya Michaels. Das Mädchen, das eine Klasse unter ihm war, keine Cheerleaderin war und gar nicht in seiner Liga spielte - um Welten nicht.

Während er mich küsste, drängte er mich an die kalte Mauer des Straßenrandes. Er fuhr mit den Händen über meinen Hals und wanderte zu meinem Schlüsselbein.

Unsicher strich ich ihm sanft über die Wange und suchte nach seinen Augen, die meinen Körper musterten. Dann sah er mich an und lächelte, er führte meine Hand an seine Lippen und küsste jeden einzelnen meiner Finger.

»Ähm.«, flüsterte ich mit heiser Stimme etwas irritiert.

Er grinste halb lächend und halb genervt und schloss mich in seine starken Arme. »Aber hey - sag das niemanden, ich würde dich ja niemals küssen wollen.«

Augenrollend gab ich mich seiner Umarmung hin.

Und dachte gar nicht darüber nach, dass ich ihn doch erst seit einigen Tagen kannte.

sadboyWhere stories live. Discover now