„Wir sollten besser alles reinbringen", sagte Wihinapa. Die anderen Frauen im Dorf wurden ebenfalls plötzlich geschäftig und begannen damit, die aufgespannten Häute zusammenzufalten und in die Zelte zu tragen.

Die Wolke ballte sich mit erschreckender Geschwindigkeit zusammen, während wir alles im Tipi verstauten. Sie füllte jetzt den gesamten Horizont aus und schien auf uns zuzurollen. Ein sturmartiger Wind hatte eingesetzt und trieb losgelöste Büschel vertrockneten Grases und abgerissene Sträucher über das Land. Kaninchen hoppelten in Scharen an uns vorbei und schienen sich gar nicht vor dem Dorf der Menschen zu scheuen. Der Himmel im Westen war jetzt fast ganz schwarz. Ich glaubte, Rauch zu riechen.

„Ein Präriefeuer", rief Wihinapa.

Wir standen am Eingang unseres Zeltes und ich hielt Zica an der Hand. Ihre Mutter war noch nicht zurückgekommen. Ich fröstelte trotz des heißen Winds.

„Was machen die Männer da?", fragte ich und musste ebenfalls meine Stimme erheben, damit der Wind meine Worte nicht wegtrug.

Die meisten Männer des Dorfes hatten sich gut fünfzig Meter außerhalb des Lagers in westlicher Richtung versammelt. Einige von ihnen begannen, das Gras dort in einer langen Linie in Brand zu setzen. Ich riss die Augen auf. Noch mehr Feuer? Waren sie verrückt?

„Sie zünden ein Gegenfeuer an, um dem Präriefeuer das Brennmaterial zu nehmen. Dann kommt es vielleicht nicht bis zu uns", sagte Wihinapa.

„Vielleicht? Und was, wenn doch?"

Wihinapa antwortete nicht. Zicas Augen waren groß und ängstlich. Sie klammerte sich an meine Hand und hielt mit dem anderen Arm ihre Puppe fest umschlungen. „Mama?", fragte sie.

„Sie kommt bestimmt bald wieder", versicherte ich ihr.

„Brecht die Zelte ab. Alle auf die andere Seite des Bachs." Eine laute männliche Stimme erhob sich über dem unheimlichen Heulen des Windes. Der Mann lief von Zelt zu Zelt und wiederholte den Befehl des Häuptlings immer wieder, damit alle ihn hörten.

Ich stand vollkommen verwirrt in dem Durcheinander aus wuselnden Menschen, das jetzt einsetzte, bis Wihinapa mich am Arm packte. „Hilf mir", rief sie mir ins Gesicht und zerrte mich ins Tipi. Zica wich nicht von meiner Seite. Sie hielt sich an meinem Kleid fest und schaute zu, wie wir uns so viele von den Ledertaschen, Decken und Fellen schnappten, wie wir tragen konnten.

Die Hunde waren schon längst weggelaufen. Einige Männer und Frauen rannten zur Pferdeherde und schnitten die Fesseln an den Beinen der Tiere durch, damit sie notfalls fliehen konnten. Die Packpferde führten sie zu den Zelten. Die Mustangs waren panisch und unser Brauner ließ sich kaum stillhalten, während Wihinapa ihm die Sachen auflud. Sie blieb erstaunlich ruhig. Mein Herz hingegen flatterte.

Dann brachen die Frauen in Windeseile die Tipis ab, denn ohne sie wären wir alle obdachlos. Ich zog die Pflöcke aus dem Boden und schaute dabei immer wieder zum nordwestlichen Horizont. Jetzt wusste ich, warum in dem Wort „Ehrfurcht" auch das Wort „Furcht" steckte. Ich empfand eine Mischung aus beidem, als ich auf die heranrasende schwarze Wand starrte; Ehrfurcht vor der Gewalt der Natur, und Angst um unser Leben und unseren Besitz. Unter den wogenden Qualmwolken konnte ich nun die ersten rot-zuckenden Flammen erkennen. Immer noch flohen Tausende von Vögeln vor dem Feuer, Prärirehühner rannten mit ausgestreckten Hälsen über die Erde und der Boden schien auf einmal lebendig zu sein vor Kaninchen, Erdhörnchen, Hasen und sogar Schlangen, die sich aus der Gefahrenzone schlängelten.

Ich versicherte mich immer wieder, dass Zica noch bei uns war. Sie wirkte vor Angst wie erstarrt, während sie uns zuschaute. Endlich waren die Lederwände abgenommen, zusammengefaltet und zwischen die Fichtenstangen gespannt, die wir den Pferden anhängten, um sie auf die andere Seite des Bachs zu führen. Der Wind schrie und tobte und brauste in meinen Ohren. Hohe gelbrote Flammen schossen aus der Rauchwand empor, loderten höher und griffen zitternd um sich.

Plötzlich Indianer - Eine ZeitreisegeschichteWhere stories live. Discover now