Kapitel 1

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 HARRY POV:

Heute war der erste Tag nach den Semesterferien und ich hatte mal wieder keine Lust aufzustehen. Mein Kopf tat weh und ich war immer noch total müde. Ich schloss meine Augen, seufzte laut und stand mit einem Ruck aus meinem Bett auf. Besser ich hätte es sein gelassen, denn jetzt musste ich mich am Bett festhalten, während ein stechender Schmerz durch meinen Kopf schoss. Meine Tabletten waren in der Küche, also ging ich erst mal dorthin. Ich würgte sofort zwei ihnen runter und trank ein Glas Wasser hinterher. Ich legte mich kurz auf die Couch und wartete auf die Wirkung der Medizin. Als ich um sieben Uhr meine Augen wieder aufschlug, hatte ich gerade noch eine halbe Stunde um mich fertig zu machen. Diesmal sprang zwar auch auf, aber vorsichtiger. Schnell zog ich frische Klamotten aus meinem Kleiderschrank und ging ins Badezimmer, um mich zu duschen.

Als ich mir zwanzig Minuten später meine Tasche über die Schulter hängte, schnappte ich meine Autoschlüssel und fuhr los.

Auch wenn das Studium nur ein Zeitvertreib war, wollte ich nicht zu spät kommen. Falls ihr euch jetzt fragt, wieso es nur ein Zeitvertreib ist. Ich werde wahrscheinlich vor meinem Abschluss sterben. Vor zwei Jahren habe ich erfahren, dass ich einen Gehirntumor habe. Man kann ihn nicht operativ entfernen und Chemo will ich nicht. Mal davon abgesehen ist es dafür sowieso schon zu spät. Der Tumor drückt auf das Gefühlszentrum im Gehirn, weshalb ich immer Stimmungsschwankungen habe. Je größer er wird, desto schlimmer werden sie und meine Kopfschmerzen nehmen zu. Der Arzt hat mir damals zweieinhalb Jahre gegeben. Also habe ich jetzt noch ein halbes Jahr. Darum habe ich mir eine Liste mit den Dingen gemacht, die ich vor meinem Tod noch machen möchte.

Einerseits habe ich Angst vorm sterben und andererseits auch nicht. Ich weiß, dass jeder Mensch irgendwann sterben muss aber ich habe Angst vor den Schmerzen. Und ich habe Angst, Leute zu verlassen, die mir dann hinterher trauern. Ich möchte keinen verletzten, aber meine besten Freunde und meine Familie brauche ich einfach. Sie haben mir klar zu verstehen gegeben, dass ich sie nicht loswerde indem ich sie fies behandle.

In den ersten paar Wochen nach meiner Diagnose war ich am Boden zerstört. Ich habe mich tagelang abends ins den Schlaf geweint. Ich habe geweint um die Zeit die ich, im Gegensatz zu allen anderen, nicht haben werde. Und als es dann irgendwann Klick gemacht hat und ich bemerkt habe das weinen nichts bringen wird, habe ich mir zwei Sachen versprochen. Als erstes habe ich mir versprochen die Zeit, die mir noch bleibt, für etwas sinnvolles zu nutzen und deswegen habe ich angefangen zu studieren. Heute fange ich mit meinem 3.Semester in dem Fach Gesang und Kunst an.

Das zweite was ich mir geschworen habe ist, mich nicht mehr zu verlieben. Ich mache das nicht um mir irgendetwas zu verbieten, sondern einfach nur weil ich keinen verletzten möchte. Wie schon gesagt will ich nicht, dass mir jemand hinterher trauert.

Als ich auf dem Campus ankam, standen schon einige Leute, darunter auch Niall und Liam, herum. Sie sind meine besten Freunde. Wir kennen uns seit dem Kindergarten und ich wusste, dass ich mich immer auf sie verlassen konnte. Als sie von meiner Diagnose erfuhren waren sie total geschockt, jedoch versuchen sie das Beste aus meiner verbleibenden Zeit zu machen. Genau dafür liebe ich die beiden so sehr, freundschaftlich versteht sich.

Ich ging freudestrahlend auf sie zu, schließlich hatten wir uns die ganzen Ferien nicht gesehen. Niall war bei seiner Familie in Irland gewesen, während Liam gemeinsam mit Sophia, seiner Freundin, im Urlaub gewesen war. Ich mochte sie nicht besonders. Alles an ihr war so aufgesetzt und für mich sah es so aus, als würde sie Liam nur ausnutzen wollen. Er war schließlich sehr beliebt, wegen seiner offenen und fröhlichen Art. Jedoch war es seine Sache, mit wem er zusammen war und ich konnte es ihm ja nicht verbieten. Niall und ich waren aber auch nicht unbeliebt. Niall war bekannt für seinen großen Appetit und war ziemlich beliebt bei den Mädchen. Es war auch irgendwie kein Wunder, denn mit seinen blonden Haaren und den blauen Augen sah er echt nicht schlecht aus.

Bei mir wussten jedoch die meisten von meiner Krankheit, weshalb mir oft bemitleidende Blicke zugeworfen wurden. Und genau das war der Punkt wieso ich nicht gerne über meine Krankheit rede. Mitleid ist nämlich das Letzte was ich gebrauchen kann. Ich finde es falsch wenn Leute nur nett zu mir sind, weil sie wissen das ich nicht mehr lange zu leben habe. Außerdem mag ich diesen Blick, der mir dann immer gezeigt wird, nicht. Ich fühle mich dann auch nicht besser, sondern eher schlechter.

Die andere Sache ist, dass ich schwul bin und viele Mädchen sich einen schwulen Freund wünschen. Das einzige Mädchen was ich aber wirklich zu meinen engen Freunden zählen konnte, war Keira. Eng umschlungen standen die Jungs und ich mindestens fünf Minuten da, bis wir uns langsam voneinander lösten. "Ich habe euch so vermisst Jungs!" Ich grinste sie mit meinem Grübchenlächeln an. "Wir dich auch Haz." So nannten mich die beiden schon seit dem Kindergarten. "Wie geht es dir heute morgen?" kam sofort die Frage von Liam. "Jetzt wieder gut!" "Also ging es dir nicht gut?" fragte diesmal Niall. "Jaa heute morgen bin ich Dummkopf zu schnell aufgestanden aber es ist wieder alles okay."

Ich vermied es über meine Schmerzen zu reden. Ich weiß das die beiden meine besten Freunde sind, aber ich möchte nicht, dass sie sich Sorgen um mich machen. Außerdem würde es den ganzen Spaß verderben, weil sie dann immer so hypervorsichtig werden und mir nichts mehr erlauben.

"Was haben wir jetzt eigentlich für Unterricht?" fragte ich in unsere kleine Runde, da mich gerade Keira mit einem kleinen Schrei begrüßt hatte, um sich dann einfach zu uns zu stellen und noch mit uns zu quatschen.

"Ähm ich glaube wir haben jetzt Kunstgeschichte." sagte sie und machte ein angewidertes Gesicht. Ich verstand überhaupt nicht, wieso sie Kunstgeschichte nicht mag. Ich liebe das Fach und durch die Nachricht es gleich in der ersten Stunde zu haben stieg meine Laune noch ein bisschen mehr.

Als wir uns in der Mittagspause in der Mensa an einen Tisch setzten, bombardierten wir uns gegenseitig mit Fragen über unsere Ferien. Ich lehnte mich einfach zurück und entspannte mich, während ich meinen Freunden dabei zuhörte, was sie alles so angestellt hatten.Es gab dann kuriose Geschichten, die von der einer Peinlichkeit in die nächste übergingen. Während wir uns alle vor lachen fast in die Hosen machten, gongte es schon zur nächsten Stunde.

Abends, nachdem Niall, Liam und ich noch kurz in unserer Stammkneipe gewesen waren, legte ich mich mit fürchterlichen Kopfschmerzen ins Bett. Alkohol war überhaupt nicht gut für den Tumor, weshalb ich eigentlich keinen Tropfen davon trinken sollte, aber manchmal tut man ja auch mal Dinge die nicht so super für einen sind. Ich hatte heute mal darauf verzichtet etwas zu trinken und bekam als Belohnung trotzdem Schmerzen. Das war machte mir mal wieder mein halbes Jahr bewusst.

Ich hatte noch ein halbes Jahr. Sechs Monate. 24 Wochen. 180 Tage. Das war der Rest meines Lebens. Den Tränen nahe, holte ich mit zittrigen Händen meine Liste unter dem Kopfkissen hervor.

Jetzt nicht heulen Styles. Du schaffst das. Denk positiv. Sei froh das du noch so VIEL Zeit hast. Außerdem solltest du nicht weinen, davon werden deine Kopfschmerzen nur noch schlimmer.

- einmal geküsst werden

- mein erstes mal erleben

- mich einmal verlieben

- glücklich sterben

Mist ich hatte wohl ausversehen die Liste erwischt, mit den Dingen, die ich nicht mehr machen konnte. Der Gedanke trieb mir Tränen in die Augen und ich musste tief durchatmen um mich wieder zu beruhigen. Ich legte meinen Kopf vorsichtig auf dem Kissen ab und dachte an die schöne Zeit, die ich heute mit meinen Freunden gehabt hatte. Wenn ich schon keine Beziehung mehr führen konnte, sollte ich doch froh sein mit dem was ich jetzt hatte. Denn das war das Wichtigste, was es gibt. FREUNDSCHAFT.

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Mein erstes Kapitel ist da! Ich hoffe euch gefällt die Story! Nur zur Vorwarnung: Sie wird traurig werden! Ich freue mich schon total auf das Kapitel von @Emily1309 uund ja mir fällt nichts mehr ein außer, dass wir uns total über Kommis und Votes freuen würden!

~Mary Lou

Better late than neverWhere stories live. Discover now