„Mein Name?"

„Ha. Ja. Neuen Namen in Lakota." Er zog die Brauen zusammen, da es ihm nicht gelang, sich nicht besser auszudrücken.

Ich fühlte mich erst geehrt, dass man mir einen Namen gegeben hatte — dann befürchtete ich, dass es vielleicht so etwas hieß wie ‚Fällt auf die Nase' oder etwas ähnlich Unschmeichelhaftes.

„Wakin ...", versuchte ich es und stockte, da es viel zu lang und kompliziert gewesen war. „Ich glaube, ich bleibe erst mal bei Malie", sagte ich mit einem schiefen Grinsen.

Ob er mich verstanden hatte, wusste ich nicht, aber seine Mundwinkel zuckten nach oben und in seine schwarzen Augen trat ein Funkeln, das ganz tief in meinem Bauch ein leises Prickeln hervorrief, als hätte ich Cola getrunken, die in meinem Magen noch weitersprudelte. Um mich abzulenken, wandte ich mich dem kleinen Mädchen zu und fragte es, wie es hieß. „Taku eniciyapi he?"

„Zica", sagte sie und steckte das Ende eines ihrer Zöpfe in den Mund. Wie süß! Das bedeutete Eichhörnchen, wenn ich mich richtig erinnerte.

Ohitika nahm sich das Buch und schrieb eines der Worte daraus ab in den Sand. Dann versuchte er, es auszusprechen, und ich half ihm dabei. Auch Wihinapa kam irgendwann dazu und schaute und hörte uns zu, während sie dunkelblaue Beeren in einer Schüssel zerstampfte, die sie vermutlich zum Färben benutzen wollte. Ich war so vertieft, dass ich erst nach einer Weile bemerkte, dass sich vor einem Zelt in der Nähe eine Gruppe von Mädchen angesammelt hatte, die missmutig zu uns herüberstarrten und miteinander tuschelten. Ich hatte sie schon oft im Dorf gesehen, sie waren alle etwa in meinem Alter und hatten mich bisher weitgehend ignoriert.

Als auch Ohitika aufblickte und zufällig in ihre Richtung schaute, hielten sie alle die Hände vor den Mund und kicherten, wobei sie sich verschämt abwandten. Aha, dachte ich, daher wehte der Wind. An unserer Schule hatte ich genug Mädchen gesehen, die sich so verhielten. Sie waren eifersüchtig, weil ich so viel Zeit mit Ohitika verbrachte, während er sie nicht einmal beachtete.

Aber einbilden konnte ich mir darauf nichts. Mit mir gab er sich ganz sicher auch nur ab, weil er dazu gezwungen war und etwas von mir lernen wollte.

Ich stand auf, um ein wenig meine Beine zu strecken. Die kleine Zica hockte noch immer neben mir und spielte mit einem geschnitzten Holzpferdchen. Sie schaute fragend zu mir auf und hielt mir ihr Pferd hin. „Schunkawakan", sagte sie. Ich nickte lächelnd. Zu gern hätte ich mir einmal die Pferde aus der Nähe angesehen. Die Mustangherde weidete etwas abseits vom Dorf und wurde Tag und Nacht von jungen Männern bewacht. Ich fragte mich, ob ich unseren Unterricht nicht kurz unterbrechen könnte, um sie zu besuchen.

Da trat ein ungebetener Besucher vor uns hin. Ohitika erhob sich sofort, als er Thokala-gleschka erkannte. Er war nackt bis auf den Lendenschurz und Gürtel, in dem ein Messer steckte. Der Blick, mit dem er Ohitika musterte, war kühl und betont überlegen. Die beiden maßen sich mit offensichtlicher Abneigung und ich erinnerte mich, dass Wihinapa angedeutet hatte, dass die Konkurrenz zwischen ihnen schon lange bestand.

Thokala-gleschka sagte etwas, aus dem ich nur das Wort für Pferd heraushörte. Ohitika nickte knapp und erwiderte: „Hau."

Dann ging Thokala-gleschka gemessenen Schrittes davon. Die Blicke der Mädchen, die noch immer vor dem anderen Zelt beieinanderstanden, folgten ihm.

* * *

Am nächsten Tag erfuhr ich, was Thokala-gleschka von Ohitika gewollt hatte. Am Morgen, bevor die Hitze des Tages ihre volle Macht entfaltete, versammelte sich praktisch das ganze Dorf entlang einer baumlosen Strecke etwas außerhalb des Wäldchens. Hier begann die Prärie. Die hügelige Graslandschaft zog sich bis zum Horizont und eine leichte Brise wiegte das Gras wie die Wellen eines grünen Ozeans.

Plötzlich Indianer - Eine ZeitreisegeschichteWhere stories live. Discover now