Ich bekam plötzlich Angst bei dem Gedanken, allein im Wald zu sein, dem Typen wieder in die Arme zu laufen. Deshalb bemühte ich mich, auf die Beine zu kommen und Ohitika nachzulaufen. Im Gehen klopfte ich die Erde von meinem Kleid. Oh weh, nun hatte ich es doch schmutzig gemacht. Was würde Wihinapa sagen?

Er lief so rasch und mit geübten Schritten durch den Wald, dass seine Füße kaum ein Geräusch verursachten. Manchmal fürchtete ich, er würde in den Schatten vor mir verschwinden, und ich beeilte mich noch mehr. Wahrscheinlich klang ich für ihn wie ein rasendes Wildschwein, das durchs Unterholz bricht.

Kurz darauf tauchte das Dorf wieder vor uns auf. Ich war beinahe erleichtert und schüttelte über mich selbst den Kopf. Hier war ich also, eine Gefangene, die freiwillig und ohne Fesseln ihrem Wächter hinterherlief. Aber ... er hatte mich schließlich gerettet. Und nicht zum ersten Mal.

Im Tipi war Wihinapa wach und hockte vor der Feuerstelle. Sie hatte ein kleines Feuer gemacht, um etwas zu sehen. In ihren großen Augen spiegelte sich der Schein der Flammen. Als sie mich sah, sprang sie auf und rannte an Ohitika vorbei auf mich zu. Sie fasste mich bei den Schultern und redete rasch wie ein Wasserfall. Doch sie wirkte nicht wütend. Eher erleichtert. Wieder meldete sich mein schlechtes Gewissen.

Ohitika sagte weiterhin nichts, blickte mich auch nicht an. Er ignorierte mich einfach. Und diese Missachtung schmerzte mich mehr, als ich es zugeben wollte. Während Wihinapa weiterhin mit mir flüsterte, legte er sich auf sein Lager nahe des Eingangs und drehte uns den Rücken zu. Ich hingegen konnte noch lange nicht einschlafen.

* * *

Inzwischen war ich seit drei Tagen im Dorf und hatte mir überlegt, dass ich meine nächste Flucht besser planen sollte — wenn ich es denn wieder versuchte. Ich beschloss, mich hier erst einmal eine Weile umzusehen, die Umgebung kennenzulernen und vielleicht mehr darüber zu erfahren, wie ich zu einer Stadt käme. Deshalb verhielt ich mich möglichst unauffällig und versuchte, alles zu tun, was von mir erwartet wurde. Denn ich wusste, auch wenn er es nicht offensichtlich tat, dass Ohitika mich ganz genau im Auge behielt. Er war in den letzten Tagen im Dorf geblieben und mir gegenüber immer noch verschlossen, misstrauisch — wie konnte ich es ihm verübeln?

Der unheimliche Typ, der mich im Wald abgefangen hatte, war mir Dorf schon einige Male über den Weg gelaufen. Jedes Mal hatte ich seinen verächtlichen Blick gespürt und versucht, ihn zu ignorieren. Eines Tages fragte ich Wihinapa, wie sein Name war. Mit Worten und Gesten konnten wir uns halbwegs verständigen.

„Thokala-gleschka", sagte sie leise und sah dabei finster drein.

Ich hätte gern mehr über ihn erfahren.

Wihinapa versuchte generell, mir das Leben so leicht wie möglich zu machen, und ich war ihr dankbar dafür. Sie gab sich Mühe, mir ihre Sprache beizubringen, wann immer sie die Gelegenheit dazu hatte. Zumindest einige Wörter konnte ich jetzt manchmal aus den Gesprächen um mich herum heraushören. Besonders das Wort für Weiße, waschitschu, kam sehr häufig vor, wenn ich in der Nähe stand ...

Da ich morgens mit der Sonne aufstand und den ganzen Tag über beschäftigt war, all das Neue um mich herum aufzunehmen, war ich abends so müde, dass ich kaum noch dazu kam, mich nach meiner Familie und meinen Freunden zu sehnen. Würde ich sie je wiedersehen? Natürlich — noch gab ich die Hoffnung nicht auf!

Am dritten Abend saß ich mit Wihinapa im Tipi. Der Zelteingang war weit zurückgeschlagen, damit die leichte Brise, die sich nach einem Tag drückender Hitze erhoben hatte, ins Innere gelangen konnte. Ich schaute ihr andächtig dabei zu, wie sie im letzten Licht des Tages ein Stück Leder mit gefärbten Stachelschweinborsten bestickte. Sie war so geschickt darin! Ich selbst hatte mich noch nie für Handarbeit begeistern können und hoffte, dass ich das nicht lernen müsste.

Plötzlich Indianer - Eine ZeitreisegeschichteWhere stories live. Discover now