Am nächsten Morgen wurde ich wie immer von Audra geweckt. Alles verlief so normal wie es zu solchen Zeiten laufen konnte.

Liam schlief so fest, dass er nicht einmal bemerkte, wie Aldric ihn wecken wollte und Aldric verzweifelte, da Liams Schlaf so fest wie ein Stein war.

„Warte, ich mach das.", brummte ich verschlafen, als ich zu Liam ins Zimmer kam und meine Hand auf sein Bett richtete.

„Das wird jetzt unschön ...", murmelte Aldric und verschwand schnell, denn niemand wollte einen wütenden Liam erleben und niemand konnte ihm dann Stand halten. Niemand, außer mir.

Ich spürte die Kälte, die in jeden Zentimeter des Zimmers kroch wie die Schatten wenn die Sonne unterging. Die Temperatur fiel und Eiskristalle bildeten sich um Liam herum. Dieser zog seine Bettdecke grummelnd höher. Doch das half ihm nicht. Denn seine Bettdecke war bereits vereist. Schlagartig riss er seine Augen auf, ein Knurren ertönte und schneller als es das menschliche Auge wahrnehmen konnte, hockte er in einer lauernden Position außerhalb des Bettes.

Als er bemerkte, dass es nur ich war, knurrte er wütend. „Freya ...!" Liams Stimme bebte wütend. Ich grinste nur. „Guten Morgen, Liam!"

Das schien ihm den Rest zu geben, denn sofort sprang er mich wie ein wild gewordenes Tier an, das er im Prinzip ja auch in irgendeiner Art und Weise war.

Lachend schubste ich ihn von mir herunter und er kam hart auf dem Boden auf.

„Hast du jetzt nicht erwartet, was?", neckte ich ihn und er knurrte erneut. Aldric und Audra hatten am Anfang einmal den Fehler gemacht, Liam mit einem Eimer Wasser zu wecken, da er nicht aus dem Bett kam. Danach hatten sie es nie wieder getan. Sie hatten Glück gehabt, dass ich neben an gewesen war.

„Liam, es gibt Frühstück!", trällerte ich, während ich seinen Attacken auswich. Schlagartig blieb er stehen, grummelte etwas nicht gerade Höfliches und ging dann ohne ein Wort zu sagen nach unten. Er war kein Morgenmensch. Genau betrachtet war er nicht einmal ein Mensch. Aber ich auch nicht.

Ich folgte ihm nach unten, wo der Tisch bereits gedeckt war. Aldric und Audra hatten schon gegessen, da sie beide heute irgendwelche Termine hatten.

„Bis später!", sagte Audra, drückte Liam und mir einen Kuss auf die Stirn und verschwand aus der Tür.

„Stellt nichts an!", sagte Aldric und zwinkerte uns zu, ehe er seiner Frau aus dem Haus folgte. Ich griff mir ein Brötchen. Liam tat es mir gleich.

Schweigend verging das Frühstück. „Vergiss nicht, du musst noch den Müll raus bringen.", sagte Liam schadenfroh grinsend.

Zu seiner Verwirrung jedoch grinste ich. „Und du musst die Toilette putzen."

Sein Grinsen verflog. „Nein. Nein, muss ich nicht."

Ich runzelte gespielt nachdenklich meine Stirn. „Sicher?" Ich deutete auf den kleinen Zettel, den Audra noch auf den Tisch gelegt hatte.

Ich nahm ihn mir, räusperte mich grinsend und las vor. „Lieber Liam, da ich es vergessen hatte zu erwähnen, könntest du bitte noch die Toilette putzen? Es reicht, wenn du nur die im Erdgeschoss machst. Danke, Audra."

Liam sah mich finster an und stand auf. Jetzt war er beleidigt. Aber bis spätestens heute Mittag würde sich das gelegt haben.

Also machte ich mich daran mich fertig zu machen und schnappte mir danach die Müllbeutel.

Die Luft draußen war warm, stellte ich schlecht gelaunt fest. Die nächste Hitzewelle würde bald kommen. An diesen Tagen würde ich mich wie die letzten Jahre über im Haus verbarrikadieren. Die Hitze tat mir nicht gut. Leise fluchend schritt ich über die Einfahrt. Ein paar Vögel zogen über mir zwitschernd ihre Kreise. Selbst der Wind war warm und brachte schon jetzt nur trockene, warme Luft. Dafür stand alles in voller Blüte. Die Bäume waren groß und grün, bei den Pflanzen der Nachbarn blühten die Blumen. Hin und wieder summte eine Biene. Ich konnte diese Viecher nicht leiden. Sie waren lästig. Bei den Mülltonnen angekommen, fegte ein eisiger Wind sie auf und ich schmiss die Tüten in die jeweilige Tonne. Der Wind ließ die Deckel scheppernd zu krachen. Dennoch wischte ich mir meine Hände an meiner Hose ab, doch hielt dann inne. Ich wurde beobachtet. Sofort richtete ich mich auf, meine Augen scannten misstrauisch meine Umgebung ab. Es war alles wie immer im Golden Quarter. Scheinbar. Die vornehmen Häuser, die Straße, alles. Hinter den Häusern auf der anderen Straßenseite erstreckte sich ein Waldstück. Dorthin gelangte man, wenn man zwischen zwei Villen durchging, allerdings müsste man das fremde Grundstück dafür betreten.

Ich wandte mich ab, dennoch blieb ich aufmerksam, meine Sinne geschärft. Doch plötzlich bemerkte ich in meinem Augenwinkel eine Bewegung. Sofort drehte ich mich wieder dorthin und blickte direkt in die grün-blauen Augen eines Mädchens. Wie hatte sie sich anschleichen können? An mich konnte sich niemand anschleichen!

Sie grinste. In ihrer Hand hielt sie irgendein elektronisches Gerät. Anscheinend war das dafür verantwortlich. Es schien meine Sinne zu unterdrücken. Es war hauptsächlich weiß, nicht mehr als ein großer Würfel, der oben rot aufblinkte. Ich starrte den Würfel an. Na super. Sie gehörte vermutlich zu Ambrosia und im Sommer war es für mich wegen der Hitze nicht gerade ein Leichtes auf meine Fähigkeiten zuzugreifen, da mich die Hitze schwächte. Auch wenn ich dennoch stärker als ein Mensch war. Immerhin konnte ich auf meine tierischen Fähigkeiten zählen, wenn ich es schon nicht auf meine eisigen Fähigkeiten konnte. Deshalb war das Haus immer schön gekühlt. Liam dagegen mochte den Winter nicht, weswegen es im Haus dann geheizt wurde. Merkwürdiger Weise machte es uns aber nichts aus, wenn der jeweils andere seine Fähigkeiten gegen einen verwendete.

„Hallo, wen haben wir denn da?" Grinsend betrachtete sie mich, lief um mich herum, musterte mich, als sei ich ein Stück Fleisch, irgendeine Ware, die sie sich angucken wollte. Ihr langes, feuerrotes Haar wehte im Wind. Es war ein guter Kontrast zu ihren schwarzen Klamotten. Sie war genauso alt wie ich, wenn überhaupt war sie ein Jahr älter.

Sie umkreiste mich weiterhin, als sei ich nur ein Produkt im Schaufenster eines Kaufhauses. Ein Knurren entstieg meiner Kehle. Sie lachte nur.

„Wird das Hündchen wütend?", stichelte sie. Hündchen. Hündchen! Ich mochte vielleicht vieles sein, aber ganz sicher kein Hündchen! Und mein Knurren klang ganz und gar nicht wie das eines Hundes!

Sie lachte, als sie meine Verärgerung bemerkte.

„Hat Brenda Votiá das Hündchen verärgert? Hat sie es verärgert?", provozierte sie weiter, während sie so tat, als würde sie mit einem Kleinkind sprechen. Ich ballte meine Hände zu Fäusten, sodass es knackte. Mein Fingerknochen traten unter der Haut empor, so sehr spannte ich mich an.

Um dem ganzen noch die Krone aufzusetzen streckte sie auch noch ihre Hand aus, um mir wie bei einem Hund den Kopf zu tätscheln! Zischend wich ich zurück, darauf konzentriert, sie nicht zu verletzen. So gerne ich es auch wollte, ich durfte es nicht. Würde ich sie verletzten – und sie gehörte zu den Menschen – würde man mich zweifellos hinrichten lassen.

Freya Winter - MutantWhere stories live. Discover now