Kapitel 68 - Das blinde Glück

Začít od začátku
                                    

Es fühlte sich an, als würde sie eine Papierwand durchstossen. Irgendwie fest und doch so einfach zu durchbrechen. Wo auch immer ihre Hand sich daraufhin befand, dort war es kalt. Kälter als hier. Sie spürte, wie sich Frost über ihre Fingerspitzen zog wie ein eisiger Handschuh. Gleichzeitig war da ein Wind, sehr sanft, fast als würde das, was sich da hinter dem Licht befand, atmen.
»Sie ist... noch hier...«, murmelte das Rehkitz völlig perplex.
»Wie macht Ihr das?«
»Falk!« Sie schob ihren Arm bis zur Schulter weiter hinein, spreizte die Finger.
»Was Ihr auch tut, geht nicht ganz hinein!«, riet ihr Aljona, die vor lauter Anspannung an ihren Nägeln zu knabbern begann.
Sabrina nickte, dann steckte sie den Kopf ins Licht...

Auf der anderen Seite war es, wie überall in der Starre. Dunkel und endlos. Trotzdem war hier etwas anders. Sabrina konnte spüren, dies war ein Teil der Zwischenwelt, den noch niemand ausser der Toten je betreten hatte. Kein Träumer und schon gar kein Lebender.
Genauso untypisch war die hier herrschende Kälte und dieser leichte Wind und obgleich Sabrina gegen jene immun war, fröstelte es sie.
Falk lag einige Meter von ihr entfernt. Er war bewusstlos. Bewusstlos und zu weit entfernt, um ihn erreichen zu können, ohne die Starre ganz zu betreten.
Sie öffnete den Mund, um ihn zu rufen, doch sein Name blieb ihr im Halse stecken, als sie auf einmal eine Bewegung in der Dunkelheit wahrnahm. Da war etwas! Und es kam näher...
Zwei goldene Funken tanzten in der Dunkelheit, wurden zu stechenden, klugen Augen. Schwarze Pfoten, wie in Russ oder Asche getunkt flogen über den schwarzen Grund. In allen möglichen Rottönen schimmerte der Pelz des Fuchses.
Dieses Tier war wunderschön, in seiner Pracht Cernunnos ebenbürtig. Doch während sie mit dem weissen Hirsch augenblicklich eine tiefe Verbindung geteilt hatte, war es mit diesem Wesen das komplette Gegenteil. Sie spürte, wie sich ihre Nackenhaare aufstellten und jede Zelle ihres Körpers versuchte, sie zum Umkehren zu bewegen. Doch der Fuchs tänzelte elegant immer näher heran, bis er direkt vor Falk stand. Er begann an ihm zu schnüffeln und ihn zu umkreisen wie ein Geier seine Beute.
Sabrina, deren ungutes Gefühl konstant rapide schlimmer wurde, konnte nicht anders, als irgendwas zu unternehmen. »Hey du!«, rief sie und pfiff durch die Zähne.
Der Fuchs reagierte nicht. Völlig unbeeindruckt begann er, auf Falks Brust zu klettern.
»Hey! Lass ihn in Ruhe, okay? Er... er muss mit mir kommen...«
Reineke zog die Lefzen zurück und stiess ein Geräusch aus, das beinahe klang wie ein Lachen. Nein, das klang nicht nur wie eines. Die Art, wie dieses Wesen sich verhielt, was auch immer es war, es hatte einen Verstand, daran hatte sie keinen Zweifel. Und es lachte sie aus!
Sabrina wurde wütend. Sie hatte genug. Sie wollte Falk und dann weg hier! Trotz ihrer Erschöpfung und ihrer Angst, war sie entschlossen. Sie straffte die Schultern und konzentrierte ihre Wut und verbliebende Kraft allein auf ihre nächsten Worte, die sogleich, erfüllt von der Macht der Herrscher, durch die Starre hallen würden: »Verschwinde! Ich befehle es!«
Der Fuchs riss den Kopf herum, sprang auf. Sein Fell sträubte sich, er bleckte die nadelspitzen Zähne und fauchte sie an.
Sabrina schluckte. Normalerweise zeigten Befehle, die mit der Macht der Herrscher erfüllt waren, die gewünschte Wirkung...
Der Fuchs verharrte einen Moment in dieser Position. Sehr langsam entspannte er sich wieder, senkte den Kopf und betrachtete Falk einen Moment. Schliesslich sprang er von seinem Brustkorb und wuselte kurz um ihn herum, dann schlich er sich an Falks Seite, biss in seinen Mantelärmel und begann, ihn in Sabrinas Richtung zu zerren. Das Tier war erstaunlich stark und so dauerte es nicht lange und schon lag Falk zu ihren Füssen.
»D-danke«, brachte Sabrina gerade so heraus. Eigentlich sollte sie diesem Fuchs misstrauen, er wirkte auf sie alles andere als freundlich, hatte eine regelrecht bösartige Ausstrahlung und jagte ihr einen Schauer über den Rücken, wann immer sie in die goldgelben Augen blickte und doch hatte er ihr geholfen! Abgesehen davon war sie viel zu sehr von dem Gefühl der Erlösung abgelenkt, das sie erfüllte, als sie Falk an seiner rechten Hand nehmen und ihn das letzte Stück an sich heranziehen konnte.
Der Fuchs war jedoch noch nicht mit ihr fertig. Er kläffte, sprang vor und biss Falk in die linke Handfläche.
Sabrina schrie auf und holte aus, doch das Tier hatte bereits wieder von dem Piraten abgelassen. Mit einem Jaulen, das einem Triumphgeheul glich, sprang das Wesen in die Richtung davon, aus der es gekommen war - zurück in die Dunkelheit...

Uralte Fassung (1): Twos - Die Prophezeiung von Feuer und EisKde žijí příběhy. Začni objevovat