Mut, welcher schnell wieder verschwindet

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,,Oh mein Gott, das sieht ja mal mega gut aus. Du wirst von Mal zu Mal immer besser, Tim.'', lobte mich Jonas lächelnd und klopfte mir auf die Schulter. Ich schenkte ihm ein dankbares Lächeln zurück und betrachtete ebenfalls grinsend mein neu erschaffenes Werk. 

Ich war wirklich ziemlich stolz auf mich und auf das, was ich dort eben frisch an den Waggon gesprayt hatte.
Ich hoffte so sehr darauf, dass dieser noch für einige Wochen stehen würde, damit ich mein wohl bestes Werk noch für einige Wochen bestauen und eventuell auch noch Marcel live zeigen konnte, weil dieser schließlich auch ein Faible für sowas hatte. 

,,Ich bin richtig neidisch, man. Ich habe heute nur richtige kacke gesprayt.'' Jonas schmollte, deutete auf seinen gesprayten Waggon, welcher einfach unfassbar gut aussah und ich lachte kurz auf.

,,Laber' keinen Mist, so gut wie du werde ich eh nie.'', widersprach ich ihm und richtete grinsend meinen Blick auf den Boden, während ich einige Steine zusammenscharrte.
,,Das würde ich so nicht sagen. Du musst einfach nur weiter fleißig üben und dann klappt das schon von ganz alleine. Ist ja schließlich noch kein Meister vom Himmel gefallen.'', sagte er lächelnd, klopfte mir auf die Schulter und kramte dann in seiner Jackentasche rum.
Kurz darauf hielt mir Jonas eine Kippe unter die Nase, welche ich natürlich sofort dankend entgegen nahm. 

Ich lehnte mich an einen noch nicht beschmierten Waggon und sah dem Rest dabei zu, wie sie fleißig und mit großer Leidenschaft ebenfalls ein paar Waggons ansprayten, welche irgendwann bald auf einem Schrottplatz landen würden, was für uns manchmal ziemlich schade war, weil eindeutig zu wenige unsere Werke sahen. 

Die Einzigen, die gerade außerhalb von mir und Jonas nicht sprayten, waren Nicky und Andre, weil diese, diese Woche Wache schieben mussten, damit wir jemanden hatten, der uns rechtzeitig Bescheid sagte, wenn die Polizei in Anmarsch war, damit wir noch zügig unsere Sachen packen und von der Polizei wegrennen konnten, um nicht erwischt zu werden. 

Als ich mir nochmal jeden Einzelnen ansah und sah, mit wie viel Spaß und Freude, sie die Waggons vollsprayten, zuckten meine Mundwinkel nach oben und ich blies den Rauch meiner Zigarette aus, ehe ich meinen Blick wieder auf den Boden richtete und ein paar Steine zusammenscharrte. 

Jetzt wo ich nicht mehr mit dem Sprayen beschäftigt war, hingen meine Gedanken wieder bei Frau Lautermann und der Sache, die ich heute an den Tag gelegt hatte.
Ich wollte das doch eigentlich gar nicht, denn sie hätte mir sicherlich keinen Ärger gegeben, weil ich so gesehen nichts gemacht hatte, außer vielleicht ein paar Mal, wenn auch größtenteils gespielt, aufgelacht habe.
Aber natürlich musste ich kleiner Lauch mal wieder auf den größten Macker machen, nur damit mich meine Gang feierte und ich keine Beleidigungen ab bekam, was für ein Feigling ich doch sei, weil ich mir von irgendeiner Tusse etwas vorschreiben ließ. Vor allem war das dann noch eine Frau und das gefiel vor allem Ronny gar nicht, wenn eine Frau das Sagen hatte, weil er immer noch im Mittelalter lebte. Dabei meinte sie es doch nur gut zu mir.  

Ich war auch schon die ganze Zeit am überlegen, wie ich das meiner Mutter erklären sollte, aber ich fand einfach keinen passenden Grund dafür, der dafür sprach, dass ich Frau Lautermann so dumm anmachen durfte. 

Außerdem hatte meine Mutter nie eine positive Meinung zu all diesen Leuten hier gehabt und das wusste ich ganz genau, weil sie es mir oft genug an den Kopf knallte.
Sie hasste jeden einzelnen hier abgöttisch, weil sie laut meiner Mama alle einen sehr schlechten Einfluss auf mich hatten und ich hatte es noch nie geschafft, ihre Meinung diesbezüglich zu verändern. Und nach dieser Aktion konnte ich mir das erst recht abschminken. 

,,Hey, ist was?'', fragte Jonas und sah mich besorgt an. Ich schaute nur verwirrt zu ihm und er legte den Kopf schief. 
,,Ach, ne...also doch...ne.'', nuschelte ich leise und er lachte kurz auf. 
,,Was denn jetzt?'', fragte er lachend. 
,,Ich weiß auch nicht. Also...ob was ist halt.'', sagte ich unsicher und zog an meiner Zigarette, um mich zu beruhigen. 

Tell My MamaWhere stories live. Discover now