Dees und Katys erste Begegnung

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Ich war gerade auf dem Weg zurück nach Hause.
Den ganzen Vormittag hatte ich bei der Thompsons verbracht. Um genau zu sein hatte Ash mich dazu überredet, ihren gigantischen Kleiderschrank aufzuräumen.
Auf dem Rücksitz meines VWs türmten sich stapelweise „alte, unmodische Fetzen", wie Ash die noch ziemlich neunen Klamotten bezeichnete. Ich fand sie jedenfalls noch zu schade zu wegwerfen.
Die ganze Aufräumerei hatte mich hungrig macht. Ich bog mit quietschenden Reifen auf den Parkplatz des Foodlands ein.
Ziemlich sicher hatte Daemon die Tonne Essen, die ich gestern gekauft hatte, schon aufgegessen.
In dem Moment klingelte mein Handy. Ich fischte es mit einer Hand aus meiner pinken Tasche.
Daemon. Wenn man vom Teufel sprach.
Seufzend ging ich ran. „Daemon", seufzte ich. „Was willst du?"
„Wo bist du?" Ich verdrehte die Augen.
Sein dämlicher Beschützerinstinkt ging mir auf die Nerven.
„Ich bin nur einkaufen", ich stieg aus dem Auto. „Keine Sorge. Ich wurde nicht von einer Arumarmee überrannt."
„Einkaufen also", seine Stimme klang angespannt. „Gerade war das Mädchen hier, das vor ein paar Tagen nebenan eingezogen ist. Sie wollte auch einkaufen fahren", Daemon klang belustigt.
Ein Mädchen war nebenan eingezogen? Das wusste ich noch gar nicht. Sofort machte ich mir Hoffnungen. Bestimmt war sie nett und vielleicht sogar in meinem Alter. Ich hätte so gerne eine normale Freundin. Ich hüpfte aufgeregt auf der Stelle. Und jetzt war sie hier? Im Foodland? Es hätte nicht mehr viel gefehlt und ich wäre in Aliengeschwindigkeit ins Geschäft gerast um sie kennenzulernen.
„Mach dir keine großen Hoffnungen", unterbrach Deamons scheinbar gelangweilte Stimme meine Aufregung.
„Sie ist 13 und sieht aus wie ein Typ. Außerdem heißt sie Katy."
Was zum Teufel... „Was ist bitte an dem Namen Katy falsch..."
„Bring mir Eiscreme mit", unterbrach mein Bruder mich und legte auf.
Dieser Arsch. Ich warf meine Tasche in den Einkaufswagen und schob ihn ins Geschäft.
Ich warf gedankenverloren allen möglichen Kram in den Wagen, hielt aber immer Ausschau nach der neuen Nachbarin.
Dann sah ich sie. Natürlich sah sie nicht im Geringsten so aus, wie Daemon sie beschrieben hatte. Sie war so alt wie ich, und hatte lange hellbraune Haare.
Ohne lange nachzudenken, ging ich auf sie zu. „Katy?", sprach ich sie vorsichtig an.
Sie hatte mich wohl nicht bemerkt, denn sie zuckte zusammen und ließ den Karton Eier, den sie in der Hand hielt , fallen.
„Mist", fluchte sie.
Sofort war es mir furchtbar peinlich. „Oh, das tut mir leid! Ich habe dich erschreckt, das passiert mir dauernd." Ja. Dank meiner Superalienkräfte.
Erst jetzt schaute sie mich an. Sie hatte ein hübsches, herzförmiges Gesicht und graue Augen.
Ich lächelte sie an. „Ich bin Daemons Schwester. Ich heiße Dee." Ich stellte einen neunen Karton Eier in ihren Wagen. „Neue Eier!"
Mein Herz klopfte mir bis zum Hals, was wenn sie mich nicht mochte?  Sie sah ein bisschen überrumpelt aus. Ich quatschte weiter, einfach ohne über das nachzudenken, was ich da sagte. „Du hast vor ungefähr einer halben Stunde mit ihm gesprochen. Du hast bei uns geklingelt, um... nach dem Weg zu fragen."
Sie verzog das Gesicht als sie Daemons Namen hörte. Was hatte er nur gesagt? Wenn er gemein zu ihr gewesen war, dann...
„Tut mir leid, ich habe nicht damit gerechnet, dass hier jemand meinen Namen kennen könnte." Sie machte eine kurze Pause. „Er hat dich angerufen?"
„Ja." Ich zog meinen Wagen einem amoklaufendenKleinkind aus dem Weg. „ Aber ich hab auch schon mitbekommen, wie ihr eingezogen seit und hatte sowieso vorbeikommen wollen. Als er mir dann sagte, dass dass du hier wärst, wollte ich dich unbedingt sofort kennenlernen und habe nach dir gesucht. Er hat mir beschrieben, wie du aussiehst."
Kathy Blick verdunkelte sich kurz.
Was hatte Daemon angestellt? „Nur das du ganz anders aussiehst, als er behauptet hat, aber egal, ich wusste ohnehin, dass du es warst", beeilte ich mich zu sagen. „Es ist quasi unmöglich, hier nicht jeden zu kennen." Katy schaute dem schmuddeligen Kind hinterher. „Ich glaube nicht, dass dein Bruder mich mag."
„Was?" Sie bestätigte meine Vermutung also.
Katy wandte sich ab. „Er war nicht sehr...hilfsbereit."
„Oh nein", es tat mir so leid. Dabei war es nichtmal meine Schuld. Ich versuchte die Situation herabzuspielen.
Ich lachte. „Tut mir leid. Mein Bruder ist ziemlich launisch."
„Ich bin mir sicher, dass es mehr war als nur schlechte Laune." Sie war wirklich gekränkt.
Hoffentlich dachte sie nicht, ich wäre auch wie er und möchte mich jetzt nicht. Ich schüttelte den Kopf. „Er hat einen schlechten Tag. Er zickt dann immer total rum, glaub mir. Er hat nichts gegen dich. Wir sind Zwillinge." Sofort dachte ich an Dawson und es versetzte mir einen Stich. „Selbst ich würde ihn, an allen Tagen, die auf G enden, liebend gerne umbringen. Daemon umgibt sich eben mit einer raue. Schale. Er hat eben Probleme...", mit allem und jedem. „...Leuten."
Sie lacht humorlos. „Was du nicht sagst."
Ich musste das Gespräch unbedingt von meinem sozialinkompeteneten Bruder weglenken. „Auf jeden Fall bin ich froh, dich hier getroffen zu haben. Ich war nicht sicher, ob wirklich ein Mädchen in meinem Alter nebenan eingezogen ist, sonst wäre ich schon früher rübergekommen." 
Irgendwie sah sie immer noch überrumpelt aus.
Vielleicht quatschte ich einfach zu viel.
Hinter mir hörte ich ein Geräuch. Der kleine, schmuddelige Junge war dabei, das Milchregal zu erklimmen. Katy war meinem Blick gefolgt und entschied, dass sie anscheinend auch Milch brauchte.
Plötzlich bog die Mutter des Jungens um die Ecke. Sie brüllte ihn an, aber dann sah sie mich und erstarrte. Oh nein... Ich umklammerte meinenWagen fester.
Mir war das ganze furchtbar unangenehm. Ich würde nie auf die Idee kommen, den Kind irgendwas zu tun. Ich starrte den Boden an. Was sollte Katy nur denken?
„Timothy, du kommst sofort hierher!", ihr Stimme klang schrill. Sie packte das Kind und zog ihn eilig aus meiner Nähe. „Was habe ich gesagt?", zischte sie. „Du hältst dich von denen fern!"
Konnte es noch schlimmer werden?
„Was war das den?", Katy wandte sich überrascht an mich, als die Frau mit dem Kind die Flucht ergriffen hatte.
Ich zwang mich zu lächeln. „Kleinstadt. Die Einheimischen sind manchmal komisch. Das darf man nicht zu ernst nehmen. Du bist doch bestimmt total genervt vom auspacken und dann musst du auch noch einkaufen. Das sind die beiden schlimmsten Dinge, die man sich vorstellen kann. Die Hölle könnte daraus gemacht sein. Stell dir vor, du müsstest bin in alle Ewigkeit Kartons auspacken und einkaufen gehen." Wenn ich nervös war, redetet ich nur noch mehr. Hoffentlich nervte sie das nicht.
Meine Befürchtungen lösten sich in Luft auf, als sie lächelte.
Wir gingen zur Kasse und bezahlten. Während ich meine Einkäufe einlud überlegte ich, ob sie später noch Lust hatte, sich mit mir zu treffen. Ich wollte nicht aufdringlich sein.
Ich fragte sie.
„Ich wollte eigentlich das verwilderte Blumenbeet in unserem Vorgarten in Angriff nehmen", sagte sie und schloss den Kofferraum ihrer Schrottkarre.
Ich merkte, wie meine Mundwinkel sich nach unten zogen. Enttäuschung machte sich in mir breit
„Magst du vielleicht helfen?", fragte sie.
Sofort hob sich meine Laune wieder. Ich hatte noch nie gegärtnert. Aber vielleicht machte es ja Spaß.
„Oh das klingt wunderbar. Ich bringe nur schnell meine Einkäufe nach Hause und danach komme ich sofort wieder. Ich freue mich richtig."
Das Tat ich wirklich. Wer bereits die ersten zwei Wochen der Sommerferien Daemons Stimmungsschwankungen aushalten hatte müssen, verstand mich wohl. Und seid dem die neuen Nachbern eingezogen waren, entwickelte er sich auch noch langsam zu Stalker.
Ich verabschiedete mich von Katy und brauste nach Hause. Währenddessen überlegte ich, welchen Outfit sich wohl zum gärtnern eignete.

Obsidian aus Dees SichtWhere stories live. Discover now