Part 2

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Scarletts Pov

Mit meinem brandneuen Stundenplan in der Hand verlasse ich das Sekretariat und stehe sofort vor dem nächsten Problem. Wo zum Teufel ist Raum 48? Ich verfluche mich innerlich dafür, dass ich Elisabeth nicht nach ihrer Nummer gefragt habe. Sonst könnte ich ihr jetzt einfach schreiben. So aber bleibt mir nichts anderes übrig, als alle Gänge abzuklappern und darauf zu hoffen, den Raum vor Ende der Stunde zu finden. Ich blicke auf ein Schild vor mir und stelle fest, dass ich anscheinend gar nicht so weit von meinem Ziel entfernt bin. Raum 44. Vielleicht einfach vier Räume weiter? Ich habe Glück und werde fündig. Jetzt heißt es Augen zu und durch. Ich habe noch nie die Schule gewechselt und habe daher überhaupt keine Ahnung, wie es ist, die Neue zu sein, die niemand kennt. Vorsichtig klopfe ich und öffne die Tür. Ein Lehrer schreibt gerade etwas an die Tafel. Ich räuspere mich, um seine Aufmerksamkeit auf mich zu lenken und merke, dass ich von sämtlichen Schülern angeglotzt werde. Haben die etwa noch nie einen Menschen gesehen? Der Lehrer dreht sich zu mir um.

„Wie kann ich Ihnen helfen?“, fragt er und blickt mich abwartend an. Na toll. Der weiß noch nicht mal, dass er eine neue Schülerin in seinem Kurs hat. „Ich bin Scarlett. Mein Stundenplan sagt, dass ich jetzt hier Unterricht habe.“, presse ich hervor und blicke mich vorsichtig im Raum um. An einem der vorderen Tische erblicke ich Elisabeth, die mir aufgeregt zuwinkt. Na toll. Ich dachte, ich wäre sie los.

„Dann heiße ich Sie herzlich willkommen. Sie können sich an den freien Platz neben Ashley setzen. Mein Name ist Mr. Clark “ Ich nicke und gehe auf den einzigen freien Platz in der Mitte des Raums zu. Meine zukünftige Tischnachbarin blickt mir misstrauisch entgegen. Ich erwidere ihren Blick mit Ekel. Blond gefärbte, geglättete Haare, Ausschnitt bis zum Bauchnabel und aufgeklebte Fingernägel. Barbies gibt es also auch in einem Kaff wie Stratford.  Ich bemühe mich, sie für den Rest der Stunde so gut es geht zu ignorieren und nehme mir vor, den Raum nach dem Klingeln so schnell es geht zu verlassen, damit Elisabeth sich nicht an meine Fersen hängen kann. Doch als es endlich so weit ist, schaffe ich es gerade mal bis zum Ende des Gangs, bis ich ihre hohe Stimme neben mir höre.

„Soll ich dir zeigen, wo dein Schließfach ist? Die sind nicht so leicht zu finden.“, fragt sie und lächelt. Sie lächelt immer. So viel ist mir schon aufgefallen. Erst jetzt merke ich, dass mein Rucksack schwer an meinen Schultern zieht. Ich brauche wirklich ein Schließfach. Dringend.

„Wenn es dir keine Umstände bereitet?“, antworte ich und versuche zurückzulächeln. Sie meint es ja gut, sage ich mir. Sofort wird ihr Lächeln noch strahlender, wenn das überhaupt möglich ist.

„Ach Quatsch! Ich habe jetzt gleich sowieso Sport und muss deshalb in die Richtung.“ Sie nickt mir aufmunternd zu und bedeutet mir damit, ihr zu folgen. Wenigstens nimmt sie dieses Mal nicht meine Hand.

„Kann ich dich irgendwie Lissy oder so nennen? Elisabeth ist so lang.“, frage ich, als wir einen Gang im Erdgeschoss entlang gehen, an dessen Ende ich schon die Schließfächer erblicke. Elisabeth bleibt stehen und überlegt kurz. Dann strahlt sie wieder. Was auch sonst.

„Klar. Ich hatte noch nie einen Spitznamen und Lissy hört sich cool an.“, flötet sie und setzt ihren Weg fort. Ich krame meine Unterlagen hervor und lese das Kleingedruckte unter meinem Stundenplan um herauszufinden, welches der Schließfächer meins ist.

„Siehst du irgendwo Nummer 3?“, frage ich und Lissy deutet auf ein Fach ganz am Anfang der Reihe.

„Hier. Ganz vorne.“, ruft sie und ich drängele mich an ein paar jüngeren Schülerinnen vorbei um zu ihr aufzuschließen. Dabei fällt mein Blick auf eine Gruppe von Jungs am anderen Ende des Gangs. Sie scheinen etwas älter als wir zu sein und unterhalten sich ziemlich angeregt über irgendetwas. Schnell schaue ich wieder zu Lissy.

„Was ist mit dieser Ashley eigentlich los? Ist die aus irgendeinem Barbiefilm ausgebrochen?“, frage ich sie während ich meine Bücher ins Schließfach lege. Ausnahmsweise antwortet sie einmal nicht mit einem Lächeln auf etwas, was ich sage. Scheint ein ernstes Thema zu sein.

„Halt dich fern von der. Die macht mich seit der ersten Klasse fertig. Denkt, sie wäre was Besseres, nur weil sie mit den älteren Jungs abhängt.“, sagt sie und ich wundere mich darüber, dass Lissy in der Lage ist, schlecht über jemand anderes zu reden. Dann nicke ich und wende mich wieder der Gruppe Jungs zu.

„Wer ist der da drüben?“, frage ich und deute quer durch den Gang auf einen tättowierten Jungen, der mir schon seit einigen Minuten aufgefallen ist. Ich merke, wie sich ein verträumter Ausdruck auf Lissys Gesicht breit macht.

"Das ist Jason. Jason McCann“, antwortet sie. Als sie merkt, dass ich sie anstarre, wendet sie ihren Blick sofort wieder von ihm ab.

„Von dem hältst du dich besser auch fern. Er ist zwei Jahre älter als wir und wiederholt die letzte Klasse. Hat nicht so den besten Ruf.“ Bei dem Namen klingelte es bei mir.

„Ist das nicht der, der uns heute morgen die Tür ins Gesicht gerammt hat?“, frage ich und drehe den Schlüssel in meinem Schließfach um.

„Genau der.“, sagt sie und nimmt mir meinen Stundenplan aus der Hand.

„Lass mal sehen, was du jetzt hast. Das darf nicht wahr sein.“, 

„Was?“, frage ich verwirrt.

„Wir sind im selben Sportkurs. Du hast jetzt auch Sport. Super. Dann hab ich endlich eine Freundin in Sport.“ Moment mal. Das ging mir zu schnell. Freundin? So weit war ich noch nicht. Würde ich auch nie sein.

„Komm. Die Halle ist gleich hier!“, ruft Lissy mir da aber auch schon zu und läuft vor direkt auf die Gruppe Jungs zu. Als wir an ihnen vorbeigehen wende ich meinen Blick absichtlich zur Seite. Ich möchte nicht, dass sie denken, ich würde sie anstarren. Die Umkleide ist groß. Trotzdem erblicke ich Ashley sofort. Sie ist ja auch nicht zu übersehen in ihrer knallroten Unterwäsche. Sie sieht aus, als hätte sie vor sich an den Strich zu stellen. Als sie mich sieht, tippt sie das Mädchen neben sich an und flüstert ihr etwas ins Ohr. Danach fangen die beiden an zu kichern. Schlampen.

„Wenn du mir irgendwas zu sagen hast, kannst du das ruhig laut machen, Ashley.“, rufe ich quer durch den Raum, damit es auch jeder hört. Ashley läuft knallrot an und verdreht die Augen.

„Passt schon, Süße.“, ruft sie zurück und wendet sich ihrer Sporttasche zu. Sporttasche. Moment mal.

„Ich habe überhaupt keine Sportsachen dabei.“, sage ich an Lissy gewandt, die mich völlig perplex anstarrt. Die Umkleide füllt sich mit weiteren Mädchen, sodass wir uns unterhalten können, ohne dass Ashley alles mitbekommt.

„Wieso hast du das gemacht? Ich hab  dir doch gesagt, du sollst dich von der fernhalten.“, zischt sie mir zu. Im Ernst?

 „Wenn sie über mich lästert werde ich das garantiert nicht einfach so hinnehmen.“, zische ich zurück. „

Die macht dich fertig. Ich sags dir. Das kriegst du alles zurück.“, murmelt Lissy während sie sich das Top über den Kopf zieht.

„Soll sie doch. Sag mir lieber mal wo ich Sportsachen herbekomme.“, antworte ich. Sie schüttelt nur den Kopf.

„Nirgendwo. Setz dich einfach auf die Bank und schau zu. Mr Miles wird das verstehen. Du bist ja schließlich neu.“, sagt sie. Super. Jetzt darf ich auch noch zwei Stunden auf irgendeiner dummen Bank rumsitzen und Ashley beim Laufen zusehen. Der Tag kann echt nicht schlimmer sein.

„Aber ich warne dich. Setz dich nicht neben den Basketballkorb. Da spielen Jason und die anderen Jungs immer und die haben kein Problem damit dir einen Ball in die Fresse zu werfen.“, fügt sie noch hinzu. Jetzt bin ich verwirrt.

„Ich dachte, die gehen eine Stufe über uns?“, frage ich und hänge meine Jacke an den Haken neben mir.

„Ja. Aber Sport haben wir mit denen zusammen. Soll unsere sozialen Kompetenzen fördern oder so.“, klärt sie mich auf und hält die Tür auf, damit ich hinter ihr die Umkleide verlassen kann. Sofort ertönt vom anderen Ende des Raums her ein spitzer Schrei.

„Mach sofort die Tür zu, Elisabeth! Oder willst du, dass mich irgendwer in Unterwäsche sieht?“, höre ich Ashley kreischen, bevor ich die Tür hinter mir zu knalle. 

He Ain't All BadWo Geschichten leben. Entdecke jetzt