Mitternachtsgespräch

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„Bella?“

Alices Stimme holte mich zurück ins Hier und Jetzt, in die Wirklichkeit, die noch keineswegs perfekt, aber immerhin besser als die andere Vorstellung war.

„‘tschuldige, was?“ Ich war noch ganz benommen.

Sie lächelte sanft. „Der Grund?“

Leise räusperte ich mich und versuchte, einen klaren, gut zu hörenden Ton von mir zu geben. Vergebens. „Ich wollte eine Bestätigung“, erklärte ich flüsternd. „Einen Beweis, dass wieder etwas wahr wurde, was ich nur in meinem Traum gesehen hatte. Und ein winziger Funken in mir hatte gehofft, ihn … dort zu …“ Weiter konnte ich nicht sprechen, die Tränen erstickten meine Stimme.

Ich schluchzte eine Weile lang, und Alice saß einfach nur neben mir, hielt meine kleine, zerbrechliche Hand in ihrer eisigen, strich mir mit der anderen über den Rücken und summte ein Lied. Ich kannte es nicht und darüber war ich froh. Jedes Mal, wenn sie den Druck in ihrer Hand um meine festigte und mich dieser kalte Stromschlag durchfloss, erinnerte ich mich an die zahlreichen Nächte, in denen Edward und ich hier gelegen hatten, ich in meine Daunendecke gehüllt, er daneben. Meistens lag er über der Decke, damit seine Kälte nicht völlig an meine Haut drang, aber mir war das immer zuwider gewesen. Der Abstand war für mein Befinden zu groß, zu unbequem gewesen, er hatte es immer als Sicherheitsmaßnahme durchgehen lassen. Einzig und allein das Wissen, dass er gern umschlungener bei mir gewesen wäre, ließ mich bei Vernunft bleiben.

Ich stieß einen lauten Seufzer aus. Dann wischte ich die Tränen weg und blickte wieder in Alices besorgte, schwarze Augen.

„Alice?“

Sie wartete.

„Seit wann bist du nicht mehr jagen gewesen?“ Ich wusste, sie würde mich niemals beißen, doch man musste doch nie ein zu großes Risiko eingehen, oder?

„Vor ein paar Wochen“, sagte sie und ihre sopranartige Stimme tänzelte durch das Zimmer und hüllte mich in sich, obwohl sie nur gedämpft sprach. „Ich kann dich hier nicht einfach allein lassen. Entweder bist du am Rande des Wahnsinns und wirklich kurz davor, den Verstand zu verlieren, oder du bringst dich in Lebensgefahr. Glaub mir, es ist nicht einfach, in Ruhe zu essen, wenn du nebenbei mitkriegst, wie jemand fast vor ein Auto läuft oder nur knapp einer Verbrennung entkommt.“ Ihr Blick wurde wieder ernst. „Womit wir wieder beim eigentlichen Thema wären …“

Ich schluckte. Wie sollte ich ihr bloß etwas erklären, wofür ich selbst keinen wirklichen Grund kannte? „Ich weiß nicht …“

„Sag es mir einfach so, wie es ist“, sagte sie, ihre Stimme immer noch gedämpft.

„Warum?“

Sie schlug ihre Augen nieder. „Damit ich dich besser verstehe, Bella. Ich kann oder konnte noch nie Gedanken lesen, aber das muss ich nicht können um zu wissen, dass du anders bist als die anderen schäbigen Mädchen um uns herum. Du tust, denkst oder fühlst nie das, was ich von dir erwarte.“

Das gleiche hatte Edward immer gesagt. Oder wird es immer sagen? Zu verwirrend für mich.

„Aber eigentlich kennst du mich ja schon.“ Ein für mich ziemlich gutes Argument.

Sie seufzte leise. „Das stimmt, aber das heißt nicht, dass deine Taten völlig vorhersehbar sind. Du darfst nicht vergessen, dass ich nicht diese Brandgeschichte vorhergesehen habe, sondern nur als sie unmittelbar passierte. Damit hattest du in unseren beiden Visionen nie etwas zu tun. Was wir beide wissen, wird nicht so geschehen wie wir es gesehen haben.“

Meine Augen leuchteten auf. „Es wird nicht so passieren, schon klar. Aber es wird irgendetwas passieren? Damit es so endet, wie wir es wollen?“ Die Vorstellung brachte mein Herz wieder zum Rasen und mein Blut unter meiner Haut zum pulsieren. Alices Kiefer spannte sich an. „‘tschuldige.“

Bis(s) zum Erwachen - Wie ein Déjà-vuWhere stories live. Discover now