Prolog

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~ •♡ • ~ Dieses Buch widme ich allen dort draußen, die noch immer an Wunder glauben ~ •♡ • ~

Der kleine Junge, der mit fest zusammengekniffenen Augen und angehaltenem Atem in seinem viel zu großen Bett kauerte, lauschte angestrengt in die Dunkelheit seines Zimmers hinein. In die Finsternis, die ein Eigenleben zu führen schien.

Eine leichte Brise ließ den schweren Stoff des Vorhangs leise rascheln. Eine Katze miaute kläglich. In der Ferne schlug die Kirchturmuhr drei Mal laut und dröhnend. Grillen zirpten ihr klagendes Lied in der lauen Julinacht. Dann war wieder alles still. Totenstill, um genau zu sein. Man konnte nichts Verdächtiges ausmachen. Nur das leise Flattern eines Kinderherzens, das wie ein erschreckter Vogel verzweifelt gegen sein Gefängnis schlug, als wollte es daraus hervorspringen und so in die Freiheit entschwinden. Was also hatte den Jungen geweckt?

Vorsichtig lugte er unter seiner blauen Decke hervor, die er sich bis knapp unter die Nasenspitze gezogen hatte. Zwar begannen sich bereits vereinzelte, klebrige Schweißperlen auf seiner Stirn zu bilden, aber es gab ihm zumindest ein kleines Gefühl der Sicherheit. Er brauchte einfach etwas, um sich vor den Kreaturen der Nacht verstecken zu können. Diese griffen mit ihren langen Armen und klauenbesetzten Händen nach ihm. Dabei kam es ihm beinahe so vor, als wollten sie ihn mit Haut und Haar verschlingen. Die Schatten schienen lebendig gewordene Monster zu sein. Mehrmals schluckte er schwer. Seine Kehle war völlig ausgetrocknet und rau. Mehr als alles andere in der Welt, sehnte er sich in diesem Moment das warme Licht der Sonne herbei. Doch der nächste Morgen lag noch in weiter, unerreichbar erscheinender Ferne.

Mittlerweile lief dem Jungen der Schweiß in Bächen den Nacken hinunter und kitzelte seinen Hals. Am liebsten wäre er daraufhin aus dem Bett gesprungen und zu seinen Eltern geeilt, die zwei Zimmer weiter tief und fest schliefen. Sie träumten friedlich, ohne das Grauen zu bemerken, das ihren Sohn packte.

Am Ende beließ er es jedoch dabei, einfach wie erstarrt liegen zu bleiben. Er durfte seinen Eltern nicht zeigen, wie viel Angst er vor der Dunkelheit hatte. Schließlich war er vor einigen Tagen dreizehn geworden und daher alt genug, alleine in seinem eigenen Zimmer zu schlafen. Das musste er ihnen beweisen.

Plötzlich durchbrach da ein gespenstisches Knarren die Stille, das laut in den Ohren des Jungen widerhallte. Er zuckte erschrocken zusammen und riss entsetzt die Augen auf. Ein weinerliches Wimmern entwich seiner Kehle. Haltsuchend krallte er sich an seiner flauschigen Bettdecke fest. Es kostete ihn einiges an Überwindung, nicht einfach loszuschreien. Das Verlangen jemanden zur Verstärkung an seine Seite zu holen, war immens groß.

Was war das eben nur für ein Geräusch gewesen? War jemand unbemerkt in sein Zimmer gekommen? Was, wenn man ihn entführen wollte? Vielleicht sollte er doch lieber nach seinen Eltern rufen?

In diesem Moment ertönte das Geräusch erneut und ihm fiel ein tonnenschwerer Stein vom Herzen. Ein gigantischer Felsbrocken, um genau zu sein. Vor Erleichterung hätte er beinahe laut aufgelacht. Wie so oft fragte er sich, warum er eigentlich so ein Angsthase war. Er kannte keinen anderen, der sich in seinem Alter noch vor der Nacht fürchtete.

Die Holzbalken der Zimmerdecke hatten sich, wie so oft, bemerkbar gemacht und den Jungen damit beinahe zu Tode erschreckt. Es war das leise Seufzen des Holzes, das laut den Worten seines Vaters von seinen glorreichen Tagen im Wald träumte. Dies erklärte er ihm zumindest immer wieder geduldig, wenn er nachts panisch aus dem Schlaf gerissen wurde, da sein Sohn von irgendetwas Gruseligem geweckt worden war. Und das war, um ehrlich zu sein, keine Seltenheit.

Zum Glück war der Junge dieses Mal jedoch etwas mutiger gewesen und hatte seine Eltern nicht schon wieder wegen so etwas Unwichtigem, wie einem knarrenden Holzbalken, zu sich geholt. Er wollte ihnen nämlich endlich beweisen, dass er alt genug war, um keine Beschützer mehr an seiner Seite zu brauchen. Er konnte alleine in seinem eigenen Zimmer schlafen, genau wie seine zwei Jahre ältere Schwester Hannah, die damit augenscheinlich noch nie irgendwelche Probleme gehabt zu haben schien. Er war immerhin schon beinahe erwachsen!

Darkness on the Wall Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt