Kapitel 40 - Blut fremder Brüder

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~Sabrina~

»Wendy?«
Sabrina duckte sich, um sich den Kopf nicht an den schaukelnden Messingpfannen, die an der Decke hingen anzuschlagen. Überall an der Decke der Kombüse waren kleine Haken angebracht, an denen Schöpfkellen, Bratpfannen, lange Gabeln, Siebe und allerlei anderes Kochaccessoire hing.
Überall hing der Geruch von fremdartigen Gewürzen aus der ganzen Welt. Leider wurde dieser Duft von dem Gestank nach Fisch verunreinigt, doch trotzdem war der Geruch angenehm.
»Wendy?«, rief sie erneut.
»Na, aber hallo! Und schon sieht man sich wieder, du alte Schneewehe! Und, wie läuft's im Land der Piratenprinzessinen?«, kreischte da plötzlich eine wohlbekannte Stimme.
»Ich hätte wissen müssen, dass ich dich hier treffen werde!«, lachte Sabrina, als sie den Nachtmahr entdeckte.
Er streckte seinen Kopf aus dem angrenzenden Zimmer.
»Kein Wunder, dass der Proviant so schnell aufgebraucht ist, wenn du die ganze Speisekammer leer frisst. Ich hoffe, Wendy weiss, dass du ihre ganzen Zutaten verputzt, Faritales.«
»Du wirst mich doch nicht verpetzen, oder?«, bettelte der Nachtmahr.
Sabrina grinste. »Vielleicht...«
Nachdem Hook ihr seinen Schatz gezeigt hatte, hatte sie sich gleich auf den Weg gemacht, um Wendy zu finden. Sie wollte mit dem Mädchen sprechen, denn jedes Mal, wenn sie ihr begegnete, schien sie so traurig. Und das liess ihr keine Ruhe! Was war es, dass Wendy so fertig machte?
»Was machst 'n eigentlich hier? Hat die junge Eisprinzessin Hunger? Sabrina, ich schwöre dir, die Würste hier sind einfach der Hammer!«, kreischte der Dämon und stopfte sich eine der eben erwähnten Würstchen in den Mund. Und zwar die ganze Wurst auf einmal. Quer steckte sie jetzt zwischen seinen Wangen, was ihn ein wenig wie die Grinsekatze aussehen liess...
»Nö, eigentlich suche ich Wendy. Weisst du zufällig, wo ich sie finden kann?«, fragte Sabrina ging um die Kücheninsel, auf der sich das eigenartigste Gemüse stapelte, herum. Da war ein Salatkopf, dessen Blätter blau und der Stängel weiss waren. Oder die neonorangene Banane! Himmel, diese Welt war wirklich voll von den absurdesten Dingen!
Der Nachtmahr überlegte, dann schmatzte er, die Wurst noch immer im Maul: »Keine Ahnung, wo die Kleine hin ist. Sie war vorher noch da. Ja, jetzt fällt es mir wieder ein! Da war jemand bei ihr. Genau, sie... Sie haben gestritten, glaube ich. Und dann... Äähm... Dann gab es einen ziemlichen Knall. Irgendetwas ist runtergefallen...«
»Das sehe ich...«, meinte Sabrina düster und blickte zu Boden, wo, neben einer zerbeulten Pfanne, die Überreste einer Pilzsuppe den Boden zierte.
Der Nachtmahr flatterte, beladen mit drei weiteren Würstchen und einem ganzen Schinken, zu ihr herüber.
»Ach, ist nicht schlimm. Ich hasse Pilzsuppe sowieso wie die Pest!«
»Weisst du noch, wer mit ihr gestritten hat oder um was der Streit ging?«, fragte Sabrina und schubste den Dämon von ihrer Schulter, auf die er sich gerade niedergelassen hatte. Faritales stank nach Salami...
»Ich weiss noch, dass es ein Kerl gewesen ist. Aber gesehen habe ich ihn nicht, weil ich in dem Moment nämlich diesen wundervollen Schinken...«
»Hast du wenigstens gehört, um was der Streit ging? Fari, konzentrier dich doch bitte!«, unterbrach sie den Dämon.
»Ääähm, sorry«, nuschelte er, dann fuhr er Schulterzuckend fort: »Vielleicht hat der Typ auch was gegen die Pilzsuppe gehabt...«
Oh, wie gerne sie diesem Dämon manchmal den Hals umdrehen würde...
»Das heisst also«, seufzte sie, »du hast keine Ahnung, wieso wir hier das Suppen-Massaker vor uns haben?«
Der Nachtmahr biss herzhaft in seine Schinkenkeule hinein. Meine Güte, das Ding war genauso gross wie er.
»Nö«, schmatzte Fari und spuckte dabei Schinken.
»Kannst du mir wenigstens sagen, wie lange das ganze her ist?«
»Hmm... So lange, wie es dauert, drei Salamis, zehn Speckrollen und zwanzig Würstchen zu essen«, mampfte der Dämon.
Anscheinend hatten Dämonen anstelle von Mägen schwarze Löcher...
»Also«, schätzte Sabrina, »etwa vor vier Stunden?«
Wo war Wendy nur?
Doch der Nachtmahr lachte nur und rief dann: »Kein Wunder, dass du nur Haut und Knochen bist, Kleine. Wenn du so langsam isst, verfault dir das Essen ja schon auf dem Teller! Nein, das war vor etwa einer halben Stunde...«
»Von wegen! Das erklärt höchstens deine Wampe, Fari!«
»Welche Wampe?!«, rief der Dämon empört und liess sogar einen Moment von seinem Schinken ab.
»Hast du schon einmal in einen Spiegel gesehen? Du siehst aus wie 'ne Bowlingkugel!«, kicherte sie.
Faritales glotzte sie aus grossen Augen an. »Echt?«
Sie lächelte, streichelte seinen Wuschelkopf und meinte: »Keine Angst. Ich habe dich trotzdem lieb.«
Da wurde der Dämon ein kleines Bisschen rot. Sabrina lief lächelnd aus der Kombüse, um weiter nach der verschwundenen Wendy zu suchen.
»Guten Appetit!«, rief sie noch beim Hinausgehen.
Bevor die Türe hinter ihr ins Schloss fiel, hörte sie den Nachtmahr noch überglücklich »Schinken!« rufen...

Uralte Fassung (1): Twos - Die Prophezeiung von Feuer und EisWhere stories live. Discover now