Traumwelten

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Ich stand auf einer Wiese. Sie erstreckte sich in alle Himmelsrichtungen unendlich weit und die weißen Blumen die überall auf ihr blühten, leuchteten im Mondschein so hell wie die Sterne am pechschwarzen Himmel. Eine kühle Briese wehte mir entgegen und blies meine ebenfalls weiß leuchtenden Haare von meiner Schulter. Ich trug ein weißes Sommerkleid, welches allerdings kaum heller war als meine Haut. Doch sowohl der Himmel als auch das Gras in dem ich stand, war beinahe pechschwarz. Erst als ich einen Schritt nach vorn machte, schien die Dunkelheit von dem Licht, das von mir ausging verdrängt zu werden und alle Halme, die ich mit meinen Füßen berührte, wurden ebenfalls weiß und begannen zu leuchten. Erschrocken zuckte ich zurück, doch als nichts weiter passierte, machte ich einen weiteren Schritt. Wieder begannen das Gras um meinen Fuß herum zu strahlen. Ich lächelte vor Entzückung und machte noch einen Schritt und noch einen und noch einen, bis ich im Zickzack über die gesamte Wiese rannte und mich letztendlich ins Gras schmiss, um einen Lichtengel zu machen. Der Boden war ungewöhnlich warm und die Halme kitzelten sachte an meinen Armen und Beinen. Lächelnd betrachtete ich mein Werk. Der ganze Boden schien zu leuchten. Erst als ich mich an einen zweiten Lichtengel machen wollte, damit der erste nicht so alleine war, bemerkte ich, dass der Boden zwar umso mehr leuchtete, doch dafür am Himmel beinahe jedes Licht erloschen war. Verwirrt stand ich auf und suchte vergeblich nach dem Mond oder zumindest irgendeinem Stern. Für einen Moment war ich enttäuscht. Dann beugte ich mich nach unten, pflückte eine der leuchtenden Blumen und legte sie auf meine flache Hand. Ich betrachte sie einige Sekunden lang, dann schloss ich die Augen und pustete das Pflänzchen von meiner Handfläche. Doch statt einfach auf den Boden zu fallen, drehte sie sich mehrere Male im Wind und stieg mit jeder Böe einige Zentimeter weiter hoch. Immer schneller und immer weiter, bis sie schließlich aus meinem Blickfeld verschwunden war. Erwartungsvoll starrte ich an die Stelle, wo noch wenige Sekunden zuvor die Blume geflogen war, und schließlich blinkte genau dort ein Stern auf. Ich lächelte. Dann hockte ich mich hin, die Hände so weit wie möglich ausgestreckt und begann mich langsam zu drehen und währenddessen wieder aufzustehen. Mit jeder Drehung, die ich vollführte, lösten sich mehr Blühten von ihren Stängeln und bewegten sich mit mir mit. Als ich schließlich aufrecht stand, waberte ein weißes Licht in meinen Händen. Ich betrachtete es fasziniert, bevor ich meine Arme nur kurz fallen ließ, um sie dann umso energischer in die Höhe zu reisen. Die Blühten folgten immer noch meiner Bewegung und erst als sich meine Arme senkrecht zu meinem Körper befanden, schwebten sie genau wie die erste Blühte entschlossen gen Himmel. Zwischen ihnen huschte das weiße Licht aus meinen Händen hin und her und schien sie immer wieder erneut anzutreiben. Als sie sich dann alle auf einmal als strahlende Sterne am Himmel zeigten, war ich von dem Anblick komplett überwältigt. Erstaunt stolperte ich einige Schritte zurück. Ich hatte in meinem gesamten Leben noch nie so viele Sterne auf einmal gesehen. Von der Schönheit des Himmels überwältigt, hätte ich beinahe die Gestalt am plötzlich aufgetauchten Waldrand übersehen. Sichtlich verwirrt blickte ich zu ihr herüber und ... erkannte sie. Sie rief meinen Namen ... Langsam bewegte ich mich in ihre Richtung, wurde dann schneller, begann zu rennen und ... stolperte und fiel der Länge nach auf den harten Boden.

"Ellie?! Alles ok? Hast du dir weh getan?!" Stöhnend vor Schmerzen robbte ich zu dem Stuhl, über den ich offenbar gerade gestolpert war und zog mich daran hoch. Sofort kam mir Tom zu Hilfe und bewahrte mich vor einem weiteren schmerzhaften Sturz, während ich versuchte, wie ein Kleinkind auf beiden Beinen stehen zu bleiben. "Geht schon", presste ich gequält hervor und versuchte energisch die Sternchen vor meinen Augen wegzublinzeln. Mit besorgtem Blick legte er meinen Arm um seine Schultern und half mir aus der Küche zurück ins Wohnzimmer, damit ich mich auf die Couch setzen konnte. "Ist wirklich alles in Ordnung?", fragte er mich dann noch einmal und fasste mir an die Stirn. Genervt stieß ich seine Hand weg und fuhr mir durch die Haare. "Jaja, alles gut. Tut schon gar nicht mehr weh.", log ich, um meinen großen Bruder wenigstens ein bisschen zu beruhigen. Er bedachte mich mit einem mehr als nur misstrauischen Blick. "Was ist den hier unter los? Warum macht ihr hier so einen Krach?" Josh war nur in Boxershorts bekleidet die Treppe hinunter geschlürft und wäre ich nicht von meinem Traum so bedeppert gewesen, hätte ich wahrscheinlich gar nicht gewusst, wohin mit meinen Augen. "Alles gut. Ich bin nur ein bisschen schlafgewandelt. Mehr nicht.", versuchte ich auch ihn zu beruhigen, allerdings mit noch weiniger Erfolg. Mit einem Schlag verschwand die Müdigkeit aus seinen Augen und er war hellwach. "Du bist geschlafwandelt? Passiert das öfter?", fragte er diesmal an meinen Bruder gewandt, doch der schüttelte nur den Kopf. Josh's Blick nahm nervöse Züge an. "Und kannst du dich noch daran erinnern, was du geträumt hast?" Ich überlegte kurz. Die Erinnerung war sehr verschwommen und ich konnte mich kaum noch an Details erinnern. "Irgendwas mit leuchtenden Blumen, die dann zu Sternen geworden sind", antwortete ich missmutig und wollte mich wieder in meine Decke einkuscheln, doch als ich sie hoch hob, fielen hunderte weiß leuchtender Blühten heraus und verteilten sich auf dem ganzen Wohnzimmerboden. Mit offenem Mund starrte ich sie an. "Wie zur Hölle ... ?", murmelte ich fassungslos. Tom lachte trocken auf. "Scheint ganz so, als hättest du das vielleicht doch nicht nur geträumt." Immer noch geschockt starrte ich auf die funkelnden Blüten zu meinen Füßen hinab. Josh seufzte schwer und stapfte dann zielstrebig in die Küche. "Also ich brauch jetzt erstmal einen Kaffee. Wie sieht das bei euch aus?", fragte er währenddessen und ohne sich noch einmal zu uns umzudrehen. Etwas unbeholfen befreite ich meine Füße von den Blüten und folgte ihm zusammen mit Tom. "Kann ich auch zwei haben?", fragte ich, nachdem ich meinen Schock erst einmal überwunden hatte. Er schmunzelte, holte das Kaffeepulver aus dem Schrank und schaltete das entsprechende Gerät ein. Grummelnd sprang die Maschine an und für eine Weile hörte man kein anderes Geräusch. Stur beobachtete ich, wie sich die Kanne langsam aber sicher mit der schwarzen Flüssigkeit füllte. "Sie hat es auch, oder?", flüsterte Tom und riss mich damit aus meiner Fixierung der Kaffeemaschine. Ruckartig schaute ich zu ihm hinüber und blickte mit einmal in unglaublich traurige und vor allem müde Augen. Mit einem Mal wirkten sie nicht mehr wie die eines Achtzehnjährigen, sondern wie die eines sehr alten Mannes. Und Josh wirkte nicht viel anders. "Das Gleiche wie du ...", fügte Tom nach einigen Sekunden noch hinzu und blickte nun direkt zu seinem ehemaligen Kumpel hinüber. Verwirrt runzelte ich die Stirn. "Was meinst du damit?", fragte ich leise und mit der Befürchtung, dass meine Stimme jeden Moment versagen würde und meine eigentlich sinnvolle Frage nur in einem hilflosen Gekrächzte endete. Wieder herrschte eine unangenehme Stille. "Das ... ist eine verdammt lange Geschichte...", wurde sie von Josh durchbrochen. Der Kaffee war mit einem leisen Klicken fertig und ich stand von meinem Stuhl auf, um ihn in Tassen umzufüllen. "Hast du heute noch was vor?", fragte ich mit einem unbeholfenem Lächeln an ihn gewandt und stellte ihm eine Tasse hin.

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⏰ Last updated: Oct 02, 2016 ⏰

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Silver of MoonWhere stories live. Discover now