„Klar, ich hab' nichts gegen Körperkontakt", meinte der Torhüter. Um seine Aussage zu unterstreichen, griff er nach der Hand Kimmichs, welcher bereits rot angelaufen war.

Thomas konnte seinem Essen nichts mehr abgewinnen. Er hatte zwar noch keine Gelegenheit gehabt, es zu probieren, jedoch war ihm der Appetit eindeutig vergangen. Deshalb stocherte er nun mehr halbherzig darin herum. Das stechende Gefühl in seiner Brust ignorierte er großzügig. Er war in einer Art Trance und bekam deshalb auch nicht mit, wie sich der Saal leerte und sein Teller verschwand. Erst als er ganz alleine dort saß, bemerkte er es.

Obwohl der Mittelfeldspieler immer noch keinen Hunger hatte, beschloss er sich trotzdem etwas zu essen zu holen. Schließlich hatte er heute noch Training und wollte das nicht wirklich mit leerem Magen bestreiten. Also ging Thomas in die Küche. Schnell fand er eine Banane.

Seufzend schälte er diese auf, als er plötzlich Schritte hinter sich hörte. Schnell drehte er sich um. Dort stand ein Mann, in seinem Alter, vielleicht etwas jünger. Er hatte dunkles Haar, braune Augen und wirkte sehr trainiert. Dieser musterte ihn misstrauisch, bevor er fragte:

„Ist alles okay bei dir?"

„Klar", erwiderte Thomas halbherzig.

Der Unbekannt hob nur ungläubig eine Augenbraue. Sein Verarschen-kann-ich-mich-auch-selber-Blick traf den Mittelfeldspieler.

„Okay gut, ich hab mich in jemanden verliebt. Mir wurde aber gerade ziemlich deutlich vor Augen geführt, dass ich nie auch nur den Hauch einer Chance haben werde", erzählte nun Thomas. Augenblicklich schossen den Bayer Tränen in die Augen. Die Banane in seiner Hand war vergessen.

„Wie kannst du dir da so sicher sein?", fragte nun der Fremde.

„Er hat vor meinen Augen ziemlich heftig mit einem anderen geflirtet", schluchzte er.

Ohne darüber nachzudenken, ging der Unbekannt auf Thomas zu und nahm ihn in den Arm. Nach einer Weile meinte der Fremde:

„Ich würde die Hoffnung nicht aufgeben. Vielleicht solltest du einfach mal mit ihm reden. Es könnte doch auch ein Missverständnis sein"

Der Bayer blickte ungläublich zu ihm. Wieder brach er in Tränen aus:

„Du hast es nicht miterlebt, sonst würdest du anders darüber reden"

„Kann schon sein... Vielleicht wollte er dich einfach nur eifersüchtig machen?", versuchte der Braunäugige es erneut.

Daraufhin schwieg der Mittelfeldspieler für einen Moment. Unbewusst drückte er sich näher an den Unbekannten.

„Wieso sollte er mir so etwas antuen?", murmelte Thomas eher zu sich selbst.

Wieder herrschte eine Stille, in der jeder seinen eigenen Gedanken nachhing.

„Bei wem habe ich mich da eigentlich ausgeheult?", fragte nun Thomas leicht peinlich berührt.

„Daniel, kannst mich aber ruhig Dani nennen. Und wer hat mir da gerade etwas sehr privates anvertraut?", wollte nun Daniel lächelnd wissen.

„Thomas", stellte sich nun auch der Bayer vor.

„Arbeitest du hier?", fragte nun der Mittelfeldspieler.

Daniel, der wusste, dass Thomas sich mit diesem Gespräch ablenken wollte, ging sofort darauf ein.

„Ja, ich bin hier fürs Putzen und für die Küche zuständig", erklärte dieser nickend.

„Dann weiß ich wenigstens, bei wem ich mich beschweren muss, wenn's mal nicht schmeckt", kam es nun frech grinsend von Thomas. Man konnte klar sehen, dass seine Augen immer noch pure Traurigkeit ausstrahlten.

„Ich hoffe doch, dass es dazu nie kommen wird", meinte nun der Dunkelhaarige schmunzelnd.

Bevor Thomas noch etwas erwidern konnte, begann Daniels Handy zu klingeln. Entschuldigend blickte dieser den Mittelfeldspieler, der immer noch dicht an ihn gepresst war, an, bevor er den Anruf annahm:

„Ja?... Zufälligerweise schon... Okay, in fünf Minuten spätestens... Tschüss"

„Wer war das?", wollte der Bayer sogleich wissen.

„Dein Trainer, du hast wohl schon etwas Verspätung, weswegen sie dich schon gesucht haben", erklärte der Daniel ruhig.

Geschockt riss Thomas die Augen auf und starrte den Angestellten an.

„Du bist ja glücklicherweise schon umgezogen. Das heißt, wir müssen dich nur noch zum Treffpunkt bringen", sprach der Dunkelhaarige weiter und zog den Mittelfeldspieler mit sich.

„Ich will nicht dahin. Es wird so wehtun, ihn zu sehen", protestierte der Bayer verzweifelt.

„Du kannst so oder so nicht ewig von ihm davonlaufen, also komm", entkam es Daniel nun streng.

Zielstrebig setzte er seinen Weg fort. Kurz vor der Tür, die zur Eingangshalle führte, blieb er stehen.

„Ich weiß, dass es hart für dich ist. Darum wollte ich dir noch sagen, dass du jederzeit zu mir kommen kannst, wenn du willst", sagte der Braunhaarige. Während er diese Worte aussprach, nahm er Thomas Hand in seine.

„Danke", hauchte Thomas leise.

EM 2016 - Das Trainingslager davorWhere stories live. Discover now