68,5kg

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Es ist nicht der beste Weg, aber anders geht es nicht! Ich habe ins Badezimmer eine kleine Kamera eingebaut. Ich muss sie beobachten. Ich denke, dass sie auf dem falschen Wege ist. Ich beobachte sie nicht durchgehend, aber versuche in ihrer Nähe zu bleiben, auch wenn sie es merken wird. Ich muss sie retten bevor es zu spät ist. Nur was soll ich machen wenn es irgendwann vielleicht mal wirklich so weit ist? Wie soll ich ihr helfen? Wenn man einmal Magersüchtig ist, kommt man da nicht mehr alleine raus und ich kann ihr nicht helfen. Ich muss selbst mit mir kämpfen nicht rückfällig zu werden. Meine Mutter hält mich sowieso schon für verrückt, sie findet mich immer noch zu dünn, aber ich nicht. Ich bin vielleicht noch normal, aber für mich schon wieder zu dick. Ich darf nicht rückfällig werden, auch wenn ich die Krankheit geliebt habe, hat sie mich kaputt gemacht.

68,5 kg
Morgens: 2 Brötchen mit verschiedenem Belag
Mittags:  2 ½ Teller Brühnudeln mit Hühnerfleisch,
1 Scheibe Roggenbrot mit Butter, 1 Schälchen Schokopudding
Nachmittags: 1 Stück Obstkuchen, 1 Stück Buttercremetorte, 1 Stück Marmorkuchen, 3 Tassen Milchkaffee, 2 cl Amarettolikör
Abends: je 1 Portion Kartoffel – und Nudelsalat, 2 Scheiben Baguette mit Kräuterbutter, 1 Scheibe kalter Braten, 2 Wiener Würstchen, Mixed Pickles, 2 Glas Cola
Zwischendurch: mehrere Hände vol Salzgebäck, Chips, Erdnüsse

Ich weiß nicht wo das bei ihr alles hin kommt, aber gut. Eigentlich ist es nicht richtig von mir, sie so zu beobachten, aber ich weiß nicht wie ich es anders machen soll. Sie würde mir nicht einfach so sagen wie viel sie wiegt, also muss ich es anders herausbekommen, auch wenn ich mich jetzt schlecht fühle. Ich versuche ihr nur zu helfen wenn es notwendig ist.

Meine Oma läuft total aufgedreht zur Tür und dann wieder in die Küche. „Kann ich dir helfen?“, frage ich sie. „Wenn du möchtest mein Kind.“ „Natürlich, was soll ich machen?“ „Schneide schon mal die Torte in der Küche an.“ Ich folge ihr in die Küche. Gerade als wir angekommen sind klingelt es schon wieder und meine Oma hechtet zur Tür. Ich suche mir das Kuchenmesser aus der Schublade und fange an. Die Torte ist weich und leicht zum schneiden. Mein Kopf hingegen fängt sofort an darüber nachzudenken wie viele Kalorien er wohl haben wird. Auch wenn ich es nicht will, ich kann es mir nicht mehr abgewöhnen. Ich muss die Kalorien wissen um richtig essen zu können. „Danke Mira du bist ein Schatz“, ruft mir meine Oma die gerade wieder auf dem Sprung ist. „Wo ist eigentlich deine Schwester, die könnte auch mal helfen“, fragt mich meine Mutter die gerade mit einer leeren Kaffeekanne in die Küche kommt. „Weiß ich nicht, soll ich sie suchen?“ „Nee, nee geht schon. Mache ich gleich.“ Das kann ja was werden, wenn meine Mutter meine Schwester sucht. Sie füllt die Kanne auf und läuft schon wieder raus. Ich höre sie schimpfen. „Du könntest mir ruhig ein bisschen zur Hand gehen. Du siehst doch wie viel hier zu tun ist und das ist echt zu viel für mich und Oma.“ „Felix und Mira machen auch nichts“, brummt sie. „Mira ist schon in der Küche und schneidet die Torte und dein Bruder spielt mit deinem Cousin, du könntest auch jemanden beschäftigen, dann müsstest du auch nicht in der Küche helfen. „Okay, was soll ich machen?“ „Du kannst die Spülmahrschiene schon mal ausräumen.“ Ich höre wie jemand in Richtung Küche kommt und wende mich schnelle wieder der Torte zu. „Warum kann ich mich nicht eigentlich einfach um Opa oder so kümmern“, meckert sie rum. „Ich weiß es nicht“, antworte ich. „Du hast gut reden. Du schneidest Torte und denkst nicht mal dran gleich davon ein Stück zu essen.“ „Das stimmt gar nicht.“ „Doch, du hast nie Hunger und dir passen alle Hosen und einfach alles.“ „Sina, hör auf, das stimmt überhaupt nicht.“ „Ach ja genau, meine passen dir nicht, aber sonst.“ „Sina, du erzählst da nur Müll.“ „Mache ich nicht, du bist schön dünn.“ „Ich bin nicht dünner als du.“ „Doch bist du, du wiegst 20 Kilo weniger als ich und deine Rippen gucken überall raus. Was würde ich nur für so eine Körper tun“, schwärmt sie. Okay sie hat recht. Ich wiege mehr als 20 Kilo weniger als sie, aber das kann ich ihr ja schlecht sagen. Wenn sie will kann sie ja abnehmen, nur nicht so viel wie ich. So wie ich aussehe, ist es schon lange nicht mehr gesund. Ich bin Untergewichtig und das auch nicht mehr so gerade eben, aber ich will damit nicht zum Arzt oder so. Ich will nicht in eine Klinik also versuche ich mich so zu retten. Ich will es schaffen und zwar ohne Ärzte nur wie?
„Der Kuchen schneidet sich nicht von selbst Mira, nur weil du davon nichts essen willst muss er trotzdem geschnitten werden“, ruft mir meine Mutter zu. Ich schneide ihn schnell zuende und bringe ihn dann ins Wohnzimmer und setzte mich an den langen Tisch der für unsere ganzen Verwandten extra aufgebaut wurde um den achtzigsten Geburtstag von meinem Opa zu feiern, der leider kaum etwas davon mitbekommt. Wenn wir alleine sind redet er immer mit mir und es ist fast so als wäre er noch gar nicht so alt, aber so ist er sehr ruhig und man hat das Gefühl, dass er schon fast tot ist. Was er zum Glück nicht ist.

Ich hasse Geburtstage von meinen Großeltern. Es gibt immer viel zu viel Essen und ich muss immer sagen nein ich will nicht mehr. Heute auch meine Schwester. Sie ist jetzt glaube ich schon vier mal ins Bad gelaufen. Ich werde mir mal später angucken was sie da gemacht hat. So oft war sie in den letzen Jahren noch nie in 4 Stunden auf dem Klo. Also irgendwas stimmt hier nicht. Und die Luft ist immer noch total stickig. Man kann nicht richtig Atmen. Ich bin froh wenn wir endlich wieder nach Hause fahren. Ich mag meine Familie, aber manchmal hab ich das Gefühl, dass sie im achtzehnten Jahrhundert stehen geblieben sind. Ich sitze hier in einem schwarzen Seidenkleid. Es ist relativ neu, aber zu fein für die Schule. Meine Schwester hingegen sitzt in einem Rock der länger ist als ihre Knie und einer Strumpfhose die echt nicht mehr modern ist da. Genauso wie meine restliche Familie auch. Keiner hat mehr was modernes an, alles nur solche „Säcke“ oder wie auch immer man die Sachen nennen soll. Egal wo ich hingucke sehe ich das Fett nur so schwabbeln. Meine Familie sollte mal eine groß Diät machen. Und meine Schwester einen Styling Kurs. Okay das war jetzt ein bisschen sehr gemein, aber irgendwie ist es so. Es ist ja nicht mehr ganz normal wenn man so viel Fett an sich hat, das man es selbst in einem „Sack“ sehen kann. Also ich finde das nicht wirklich so appetitlich, kein Wunder das bei uns 15 Torten im nu weg sind.

„Ich gehe in die Küche sauber machen“, rufe ich. Und laufe mit ein paar Tellern in die Küche. Ein paar Minuten später kommt auch meine Schwester in die Küche. „Oh Gott sind die alle peinlich“, ruft sie. „Was haben sie gemacht?“, frage ich und muss lachen. „Unsere Mutter, wollte mit mir und Onkel Erich, den ich bis heute noch nicht mal kannte, tanzen oder so.“ „Onkel Erich, kenne ich auch nicht. Das ist irgendwie gruselig, dass wir erstens Onkels und Tanten haben die wir nicht kennen und zweitens macht mir unsere Mutter in letzter Zeit auch immer mehr Angst.“ „Stimmt, sie wird komisch.“ „Wenn wir nur mal wüssten warum, wäre das irgendwie alles schon mal viel leichter, aber ich weiß nicht wie.“ „Sorry ich auch nicht“, plötzlich hört sie auf zu reden. Unsere Tanten stehen vor der Tür. „In der Pubertät verändern sich die Mädchen“, erzählt eine von den beiden, „da müssen die Eltern schon mal Grenzen setzen. Das ist ja nicht Fisch, nicht Fleisch, sondern eine Fünfzehjährige.“ „Jaja“, sagt die andere, „obwohl gerade Sina sich sehr herausgemacht hat. Ihre Figur ist allerdings fast zu fraulich geworden. Ich war in dem Alter graziler.“ Ich sehe wie sich ihr Gesicht verzieht. „Ich natürlich auch. Wenn ich daran zurückdenke, was für schmale Fesseln ich zu meiner Tanzschulzeit hatte... Sinas Beine sind recht stämmig, das stimmt. So geht es gerade noch, aber dicker sollte die Kleine nicht werden.“ Ich könnte ihnen den Kopf abreißen. Wenn sie schon lästern sollten sie gucken ob keiner in der Nähe ist der sie hören könnte. „Hör nicht auf die“, sage ich zu ihr. „Du hast leicht reden, du bist spargeldünn und ich, ich bin fett. Die werden sich noch wundern. Ich werde abnehmen. Dann bin ich dünner als die je in ihrem Leben mal waren.“ „Beruhig dich mal wieder.“ „Nein. Warum sollte ich.“ „Sei mal kurz ruhig. Sie reden weiter.“ „Na ja ihre Schwester ist ja auch nicht besser“, sagt die erste, „sie sieht aus wie ein Storch.“ Ich schnappe empört nach Luft. „Na ja, aber ihr Kleid ist hübsch. Aber stimmt schon sie ist viel zu dünn. Also ich weiß nicht was, aber deren Mutter hat was falsch gemacht.“ Es reicht mir ich lasse die Torte die ich gerade auf einen Teller packe stehen und gehe in den Flur. Die beiden bemerken mich erst gar nicht. „Findet ihr es schön über uns zu reden?“ „Was machst du den hier, Mira?“, fragt mich die eine erschrocken. „Ich helfe in der Küche. Ich rate euch, wenn ihr lästern wollte macht es da wo euch keiner hören kann. Sina und ich sind so richtig wie wir jetzt sind. Ich finde es schön, dass dir meine Kleid gefällt, aber abfällige Bemerkungen brauchen wir nicht und unserer Mutter hat ganz sicher nichts falsch gemacht. Eure wahrscheinlich schon. Sorry, aber Sina passt in jeden von euch mindestens 3 Mal rein. Bevor man über andere lästert oder herzieht sollte man sich mal an seine eigene Nase fassen. Ihr seit selber nicht die dünnsten und wenn ihr früher dünn wart ist das schön, seit ihr nur leider nicht mehr“, beende ich meine Predigt und gehe wieder in die Küche. „Du warst cool, danke“, sagt Sina, als ich wieder da bin und umarmt mich. Ich hoffe mal sie meint es nicht erst damit, dass sie bald weniger wiegen würden als sie je gewogen haben. Ich hoffe nicht.

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hoffe es hat euch gefallen:DDD

freue mich über Votes und Komis :DDD

Dann bin ich eben Weg (FF) Geschichte einer Magersucht LANGSAMES UPDATENWhere stories live. Discover now