Kapitel 1

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Die Biologie des Lebens ist unglaublich faszinierend und komplex. Die Biologie kann erklären, wann etwas lebt, und wann etwas nicht leben kann. Ebenso erklärt sie, wie zwei Menschen ein Kind zeugen können - oder eben nicht.

Im Alter von zwei Wochen wurde ich adoptiert, weil meine Mutter das Gefühl hatte, finanziell nicht für mich sorgen zu können. So kam ich dann zu meiner, ich sage mal, richtigen Familie. Kurz darauf brach der Kontakt zu meiner leiblichen Mutter ab. Die "neue" Familie nahm mich auf wie einen leiblichen Sohn, so fühlte ich mich in dieser Familie wohl und akzeptierte sie sofort als meine eigene. Meine Eltern machten jedoch nie ein Geheimnis aus der Adoption - sie erklärten es mir, sobald ich es verstehen konnte.
Bis heute habe ich größten Respekt für die Entscheidung meiner leiblichen Mutter. Ein eigenes Kind abzugeben, das quasi ein Teil von einem selbst ist, ist sicherlich eine der schwersten Entscheidungen des Lebens.

Schon in meiner Kindheit zeigte ich überdurchschnittliche Intelligenz. Ich habe mir damals selbst lesen beigebracht und wurde deshalb ein Jahr früher eingeschult. Das hatte zur Folge, dass ich in den nächsten Jahren immer der Jüngste war. Egal ob in der weiterführenden Schule, im Studium, oder danach...
In der Schulzeit habe ich dann oft spezielle Arbeiten bekommen. Ich habe den Mathekurs der höheren Klasse besucht und in vielen Fächern eigene Aufgaben bekommen.
In der Grundschule hatte ich es nicht wirklich leicht. Auch wenn ich mich an diese Zeit eher dunkel erinnere, weiß ich noch, dass ich mich ständig mit einem Klassenkameraden angelegt habe, was letztendlich ausgeartet ist bis hin zum Werfen von Scheren auf den Anderen.
Das alles zeichnete sich in meinen Zeugnissen durch gute Leistungen und gute Noten in den Schulfächern, jedoch grenzwertige soziale Einschätzungen ab.

Von der weiterführenden Schule habe ich dann gehofft, dass sie Besserung bringen würde. Ich bin wegen der sozialen Einschätzung knapp an der Sonderschule vorbei gerutscht und kam so auf ein kirchlich-privates Gymnasium in meiner Stadt. Die erhoffte Besserung blieb aus - dort war nämlich nicht ich sozial auffällig, sondern die anderen Schüler. Bis zur Oberstufe gab es erschreckend viele Vorfälle von Übergriffen, leichten Gewaltakten und leichter bis mittelschwerer Verletzungen.
Abseits dessen gab mir die Schule sonst aber alles, was ich zu der Zeit brauchte. Ich hatte geistige Forderung und Förderung, einen recht großen Freundeskreis und war insgesamt ziemlich zufrieden.

Was die Schule auch bot, waren sämtliche Möglichkeiten, sich auf bestimmten Gebieten weiterführend zu beteiligen. Im Alter von 12 Jahren machte ich so meinen ersten Erste-Hilfe-Schein, und merkte schnell, wie sehr mich dieses Thema und diese Tätigkeit begeisterte. So kam ich in den Schulsanitätsdienst, dessen Leitung ich nach kurzer Zeit übernahm. Teil dessen waren regelmäßige Fortbildungen, sodass ich schon mit 14 ein ausgeprägtes medizinisches Grundverständnis besaß.

Nach einem durchaus guten Abitur fing ich an, Medizin zu studieren. Dies brachte mir die lang ersehnte Besserung. Ich war nur noch von Menschen umgeben, die Spaß und Interesse für das zeigten, was sie taten. Das Universitätsklinikum war ein Ort, an dem ich mich endlich wohl fühlte. An jedem Tag, an dem ich zur Uni ging, überquerte ich fast das gesamte Gelände des Uniklinikums, um zu den Lehrgebäuden zu gelangen.

Das Gefühl, genau dort zu sein, wo man hingehört, ist unbeschreiblich. Zu wissen, dass man das richtige tut. Vor Augen zu haben, was man erreichen kann.

Wenn ich nur gewusst hätte, wie viel Schlechtes man mit gutem Willen anrichten kann.

Copied - Wenn Menschlichkeit unmenschlich wirdDär berättelser lever. Upptäck nu