2 21.Juni; 1840

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Derweil wurde eine Art Podest in die Manege getragen, auf der eine junge Dame, mit kurzen, violetten Haaren stand und mit leerem Blick zur Decke des Zeltes schaute. Eine liebliche Melodie begleitete ihr Auftreten. Die Scheinwerfer, welche die Bühne beleuchteten, wurden langsam dunkler, bis sie schließlich ganz aus waren. Eine ungewöhnliche Stille trat ein, nur noch die sanften Klänge der Hintergrundmusik waren zu vernehmen.

„ Eine Geige... ein Cello... Ja ja, sehr edle Musikauswahl ach ja, da höre ich auch noch die Harfe heraus", vermerkte der Bürgermeister. „ Shh Henry!", sagte seine Frau und schaute wieder voller Spannung nach vorne. Sie alle erwarteten eine genauso waghalsige Show wie bei Lucas, doch so etwas kam nicht.

Faye trat einzig alleine ein paar Schritte vor und schaute direkt ins Publikum, ihre eisblauen Augen brachten eine Gänsehaut über einige der Besucher. „ Was führt sie uns vor?", fragte der junge Herr das kleine Mädchen neugierig. „ Sie wird gar nichts vorführen junger Herr, bis es nicht toten still ist vom Publikum her", beantwortete sie knapp. „ Mhmpf...", machte der junge Mann und drehte sich erneut nach vorne.

Nachdem es also noch ein bisschen ruhiger geworden war, ging die Show los. Die Musik im Hintergrund schlug schlagartig in einen wilden Rhythmus um und Faye öffnete den Mund um zu singen: „ I see all of you, all your stories and all your pain", besang sie die erste Strophe des Orchesters. Und etwas tat sich augenblicklich im Publikum, die Mienen der Zuschauer veränderten sich mit jeder Veränderung des Liedes. So wurde das Lied zum Beispiel schneller und wilder, so schlugen auch die Herzen des Publikums schneller und aufgeregter. Wurde die Melodie traurig und damit auch die Stimme von Faye, dann wurden auch die Menschen auf den Sitzreihen trauriger, fingen an zu weinen, ohne sich erklären zu können warum sie das taten. Selbst der eingebildete junge Herr in der Loge fing an dieser Liedpassage an Tränen zu vergießen. Als das Lied fröhlicher wurde, wischte er sich diese verwirrt weg.

„ So meine sehr geehrten Zuschauer, das war unsere liebe Faye, hoffentlich hat ihnen diese etwas ruhigere Einlage des Abends genauso gut gefallen, wie die Action geladene Show von Lucas. Verabschieden wir nun unsere kleine Fee des Gesangs mit einem tosenden Applaus!" rief der Direktor am Ende des Liedes von Faye aus. Während ihrer Gesangseinlage hatte sich niemand getraut auch nur einen Ton von sich zu geben, sie alle waren gefesselt gewesen von ihrer wunderschönen Stimme. Nur langsam erhob sich dieses Mal der Applaus von den immer noch verwirrten und gefesselten Menschen im Publikum. Man applaudierte ihr schließlich solange bis auch dieser Applaus wild und laut geworden war, genau wie bei Lucas.

Anschließend, als der Applaus aufgehört hatte und Faye verschwunden war, trat der Direktor vor und kündigte die nächste Nummer an.

„ Damit nun wieder etwas Spannung in die ganze Sache hinein kommt, möchte ich ihnen die nächste Nummer vorstellten. Hier kommt Rose und ihre Wölfe! Bei dieser Nummer bitte ich sie aus Rücksichts Gründen wegen der Tiere erst ganz zum Schluss zu applaudieren. Auch wenn es manches Mal schwer Fallen dürfte", kündigte der Direktor breit lächelnd an, und verschwand wieder in den Schatten der Manege. Das Publikum applaudierte dieses Mal wie erbeten nicht und starrte nur voller Spannung auf die Manege hinab.

Das erste was man sah war ein schneeweißer Wolf, der in die Manege gerannt kam. Hinter ihm zwei schwarze, größere Wölfe. Sie versammelten sich in der Mitte der Bühne und setzten sich nieder. Zwei weitere Wölfe trabten hinein. Der eine war weiß/grau, der andere grau/weiß. Sie taten es den ersten dreien gleich und setzten sich auf den sandigen Boden nieder. Ganz ruhig saßen die Fünf Wölfe nun da und warteten. Keiner von ihnen machte auch nur die kleinste Anstalt sich zu bewegen. Erst als drei hell braune Wölfe die Manege betraten sprangen sie plötzlich auf und rannten aufeinander zu, fast so als wollten sie sich begrüßen. Hinter den drei Wölfen kam ein junges Mädchen von circa 12 Jahren entlang. Sie hatte Schulterlange, dunkelrote Haare und trug ein schwarzes Halsband mit silbernen Kreuzen. Sie trat nun auch in die Mitte der Bühne und hob die Arme. Die Acht Wölfe verteilten sich brav in einem Kreis um sie herum und stellten sich auf die hinteren Pfoten.

„ Mädchen, ich... ich müsste mal... einen gewissen Ort aufsuchen...", flüsterte der junge Herr leicht rot werdend im Gesicht zu dem Mädchen neben sich. Sie beugte sich wieder zu ihm hin und seufzte leise. „ Dann folgt mir bitte, junger Herr", antwortete sie und ging ein paar Schritte zur Seite, damit der Junge aus der Loge treten konnte um ihr zu folgen. Er stand rasch von seinem Sitzplatz auf und wartete darauf, dass das Mädchen vorgehen würde, was sie dann auch tat. Mit flinken Schritten bahnte sie sich einen Weg durch die Zuschauerreihen hinaus aus dem Zelt. Der junge Herr hatte leichte Schwierigkeiten ihr durch die engen Sitzplätze zu folgen.

Und so dauerte es etwas bis sie zum Ausgang des Zeltes kamen und in die halbwegs frische Luft hinaus treten konnten. „ So und wo jetzt hin?"', fragte der Junge immer noch mit einem leichtem rot stich im Gesicht. Außerdem presste er die Beine X-Förmig aneinander. Er schien wirklich dringend zu müssen. Das Mädchen unterdessen genoss für einen Moment die kühle, frische Abendluft, welche durch tränkt war von dem süßlichen Geruches des Popcorns und der Zuckerwatte.

„ Hier am Verkaufsstand vorbei und dann links. Es ist ausgeschildert also können sie es nicht verfehlen, junger Herr", gab sie ihm genervt zur Antwort und der Junge verschwand fast Augenblicklich den angewiesenen Weg entlang.



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⏰ Last updated: Apr 05, 2017 ⏰

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