Oblivion

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"Du hast es verkaufen lassen?"

Erfüllt mit brennender Wut stieß er den Mahagoni Schreibtisch, an welchen er noch zuvor gesessen hatte mit einem einfachen Handstoß gegen die gegenüberliegende Wand, Putz bröselte wie ein sanfter Schneefall zu Boden während die Überreste des Holzes sich darüber verteilten. 

Sein Bester Freund, welcher ihm so eben die Hiobsbotschaft überbracht und das Feuer in ihm mit Kanistern voller höchst explosiven Öl genährt hatte, zuckte nicht eine Sekunde mit der Wimper.

"Luc es musste sein, du wirst niemals ein befreites Leben führen wenn..."

"Unsinn! Was tue ich wenn Ophelia wiederkommt? Wie soll ich ihr erklären das unser Haus an vollkommen beliebige Menschen verkauft wurde?!" durchschnitt er die leeren Worte seines Freundes.

Verächtlich lachte dieser auf und schüttelte fassungslos den Kopf.

"Ophelia ist seid Jahrhunderten tot, sie wird nicht wiederkommen!"

Verzweifelt fuhr Luc sich durch das dunkle Haar, die muskulösen Arme bebten angestaut vor roher, ungenutzter Kraft. Jeder andere würde mit diesen Worten mit seinen Kopf zahlen müssen.

"Cassian, sie wird wiederkommen. Sie muss wiederkommen."

Mitfühlend trat dieser näher, legte stützend eine Hand auf die muskulöse Schulter seines Gegenübers. Sie fehlte ihm mit jedem Tag mehr, jede Sekunde die verging in welcher er nicht mit der Liebe seines Lebens vereint war riss seine Seele Stück für Stück in Einzelteile. Das Haus war die letzte Erinnerung an das Mädchen gewesen, welches es geschafft hatte das Herz seines Besten Freundes vollkommen einzunehmen. Seelenverwandschaft nannten die Menschen es. Doch Fakt war das Ophelia das Licht Luc's gewesen war und mit ihrem Tod war es vollkommen erloschen.

"Hör zu, die Familie ist vollkommen sauber. Ich habe sie überprüfen lassen. Sie kommen aus England morgen an, wir können sie aus dem Schatten beobachten." schlug Cassian versöhnlich vor.

Schweigend trat Luc an das kleine Schmuckkästchen auf der alten Kommode und griff vorsichtig nach der silbernen Edelstein kette, welche in seinen Händen zu pulsieren schien. Wenigstens die Kette würde ihm erhalten bleiben.


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"Verflucht Dad, seid wann sind wir die Addams Family?"

Lachend begutachtete mein älterer Bruder Dean das Haus, unser neues Haus.

"Ich finde es schön." grinste meine Mutter und griff nach einem Karton.

" Und es war zu einem unschlagbaren Preis, ein wahres Schnäppchen." setzte Dad hinzu.

Das Schnäppchen war ein altes Herrenhaus, so wunderschön märchenhaft als wäre es aus Tausendundeine Nacht entsprungen. Es war riesig, bestückt mit drei Stockwerken, während jeder Zentimeter aus einem einzigen Grund entstanden zu sein schien.

"Das sagen sie doch immer am Anfang von einem schlechten Horrorfilm" feixte Dean und schulterte seine Reisetasche, worauf ich ohne zu zögern zu ihm aufschließen wollte, als mich etwas bestimmtes verwirrt inne halten ließ.

Ein eigensinniger Geruch hatte sich in meinem Geruchssinn breit gemacht, welcher mich mit einer seltsamen spezifischen Gewissheit an wildes Hufen Getrampel und frisches Heu erinnerte. Ein Geruch welcher mir so lebhaft erschien, als wäre es mehr als bloß ein Trugbild meiner selbst.

"Gab es hier Pferde?"

Meine Frage durchschnitt zusammenhanglos die Debatte meines Bruders und Vaters ob es in diesem Haus Geister gab und wie hoch seine Lebensversicherung war. Überrascht hielten sie inne ehe mein Vater verneinend den Kopf schüttelte.

"Nein Schätzchen wie kommst du darauf?"

Unbewusst zuckte ich mit den Schultern.

"Reine Neugierde"

Lachend stieß Dean mit seiner breiten Schulterpartie gegen die meine, ehe er mir geschickt den Karton aus den Händen nahm.

"Klein Violet will wohl reiten lernen, was?" 

"Sei doch still du ungebildete Erdnuss"

Wütend fixierte ich Dean, schnaubte undamenhaft auf. Blutsverwandt oder nicht, mein Bruder wusste genau wie man ein Vollidiot erster Klasse sein konnte.

"Violet, Dean! Hört auf zu streiten und kommt rein!" rief unsere Mutter von innen und beendete inflagranti unseren Schlagabtausch

🌹

Schnaufend stellte ich die letzten Kartons ab und blickte mich in meinem neuen Zimmer um. Es war ein viktorianisch eingerichteter Raum, welcher meine innersten Sehnsüchte perfekt zu wiederspiegeln schien. Das Himmelbett in der Mitte war verziert mit fein säuberlich geschnitzten Rosenranken, ebenfalls wie der Kleiderschrank und die Kommode mit dem traumhaften Schminktisch.

Lächelnd stieß ich die Balkon Türen auf und trat an die frische Luft. Greenvalley war eine wunderschöne Kleinstadt, für manch einen vermutlich zu abgeschieden doch ich fand es perfekt. Der Wald welcher die Kleinstadt umgab schien auf seine eigene Art und Weise magisch. Mir ging es gut, seid einer langen Zeit schimmerte das Licht durch die dunklen Risse welche sich in den letzten Monaten gebildet hatten. Es war ein Neuanfang, welcher meiner Familie geradezu gelegen kam.

Seufzend stieß ich mich von dem Geländer ab und wollte mich zurück in mein Zimmer begeben als ein helles, kindliches Lachen die harmonische Stille durchbrach. Verwirrt blickte ich auf den leeren Vorhof, doch wie nicht anders zu erwarten konnte ich keine andere Gestalt ausmachen.

"Ophelia, sieh nur ein Schmetterling!"

Erschrocken fiel mein Blick auf eine fremde, kleine Gestalt welche mit baumelnden Füßen auf der Lehne des Balkons kauerte. Ein Junge, keine Sieben Jahre alt blickte mich aus großen, hellblauen Augen an, das kindliche runde Gesicht fröhlich verzogen und der zierliche Körper in einer seltsamen Kluft steckend. Er kam mir auf eine Art und Weise bekannt vor, welche sie wie eine Eisenfaust um mein Herz schloss.

"Micah, Frechdachs du sollst hier doch nicht rauf klettern, was wenn du stürzt?"

Ich glaubte zu träumen, als ein Mädchen an mir vorbei zog, in einem wunderschönen Kleid welches in dem reinsten lavendel Ton den ich je zu Gesicht bekommen hatte und aus einer viktorianischen Zeitepoche zu entstammen schien einfach nicht ins Bild passte - ebenso wie der kleine Junge selbst. Das blasse Gesicht schimmerte im Sonnenlicht Alabastern und die großen, klaren hellblauen Augen glänzten voller Liebe. Dieses Mädchen sah mir bis auf den unterschied des lockigen Haares zum Verwechseln ähnlich. 

Denn während ihres so wild gelockt, identisch zu dem des kleinen Jungen schimmerte, war meines seid meiner Geburt aalglatt gewesen. 

"Du würdest mich doch immer auffangen, oder Ophelia?"

"Ich würde dich überhaupt nicht fallen lassen, Frechdachs"

"Violet? Erde an Violet, bist du noch anwesend?"

Das Bild vor mir löste sich so bruchartig auf wie es gekommen war und während ich langsam zurück in die Realität zu Dean kehrte, welcher mich aus feixenden Augen musterte, war das einzige was von diesem Trugbild übrig geblieben war, die Zentnerschwere Leere in mir selbst.


Dark AgesWhere stories live. Discover now