Montag

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Ich liege in meinem Bett und beobachte die in weiß gestrichene Decke. Es ist eigentlich nicht schlecht hier so zu liegen, aber in mir steigt doch langsam ein Gefühl der Langeweile auf! Während mir bewusst auffällt, dass ich mich langweile, bemerke ich, dass sich meine Hand, innerhalb der letzen fünf Minuten, selbstständig gemacht haben muss. Denn aus irgendeinem Grund halte ich meine Smartphone in der Hand und beobachte wie ich ganz routiniert Wischbewegungen über mein Display mache. Die meisten davon gehen von rechts nach links, aber gelegentlich scheint mein Daumen auch die Gegenbewegung von links nach rechts auszuführen.

»Verdammt! « verfluche ich mein Unterbewusstsein. »Jetzt bist du schon wieder auf Tinder! «

Eigentlich hatte ich mir doch geschworen, diese App nie wieder zu öffnen geschweige denn überhaupt wieder zu installieren. Ich vermute, dass die Installation ebenfalls nicht von meinem Bewusstsein gesteuert wurde, denn ich kann mich kein bisschen daran erinnern.

»Aber! Wenn ich schon einmal hier bin, kann ich ja mal schauen, was es so an Frauen gibt. « flüstere ich mir selbst zu.

Also fange ich an, auch mein Bewusstsein auf die bunten Bildchen in meinem Handy zu richten. Wenn ich Glück habe, kann ich somit die schlechten Entscheidungen meines, ganz offensichtlich triebgesteuerten, Unterbewusstseins verhindern. An dieser Stelle fällt mir ein, dass es auf jeden Fall Zeit wird, die bisherigen Entscheidungen einmal rückwirkend zu kontrollieren. Ich tippe rechts oben in die Ecke auf ein kleines Sprechblasensymbol um meine bisherigen Matches anzusehen. Ein kleiner roter Punkt zeigt mir dabei an, dass es Neuigkeiten gibt. Anscheinend habe ich bisher 85 Matches und drei davon scheinen neu zu sein. Ich klicke diese Neuen an und lese die Beschreibung, die sich die Frauen selbst unter ihre Profilbilder geschrieben haben:

Kathi (21), 427 km entfernt, schreibt:

»Live, love, laugh, travel the world, music., festivals.
I wanna see every part of the world.
Not looking for a boyfriend, neither for a ONS.
Don't like men who eat meat, eggs or any other animal products. Vegan!!!

Es wundert mich wie dieser Match zustande kommen konnte, denn auf einem meiner Profilbilder ist zu sehen, wie ich genüsslich in ein 500g schweres Rumpsteak beiße. «

Ich fühle mich in meinen Fleischkonsum kritisiert und entferne deswegen die Verbindung zu dieser Person.

Madlen (27), Dualer Student, 2690km entfernt, schreibt:

»In Squats we trust! When nothing goes right, go Lift!
#lachen#lesen#sport#tanzen#freunde#leben#172#ehrlichkeit#selbstbewusst«

Ich schaue mir das Bild an und denke mir: »#110kg #sportnureinmalimjahr #wiesoschreibtmichniemandan« Ich klicke hier ebenfalls auf »Verbindung entfernen« und widme mich, mit dem letzten  Funken Hoffnung, dem dritten neuen Match.

Shaniqua (26), 2268 km entfernt, schreibt:

»Miau.«

Unter ihrem Profil zeigt es mir circa 500 Instagram-Bilder an, auf denen jedoch weder Katze noch Kater zu sehen sind. Vermutlich hat die Beziehung mit ihrem Ex-Kater ein dramatisches Ende genommen. Denn dieser hat wohl Shaniquas Smartphone in die Hände bekommen und aus Rache, alle gemeinsamen Instragram Bilder gelöscht und zudem Shaniquas ursprünglichen Profiltext durch eine wüste Beschimpfung ersetzt.

Ich beschließe, dass die bisherigen Profile noch nicht ganz meinen Erwartungen entsprechen und gehe deshalb zurück auf die Hauptseite der App. Hier wird auch schon das nächste Profil eines potentiellen Matches angezeigt. Ich sehe die 24 jährige Ina, die gerade auf einem Pferd davon galoppiert. Ich wische von rechts nach links und entscheide mich somit gegen Jolly Jumper und seine Reiterin.
Direkt danach erscheint das Profil von Sabrina (22) auf dem Monitor. Sabrina trägt ein Septum. Ganz selbstverständlich wische ich abermals nach links.

Ich merke wie ich langsam müde werde und einschlafe. Mein Daumen zuckt dabei rhythmisch von links und rechts.

Nie wieder Tinder!Where stories live. Discover now