Teil 2

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Teil 2

Eine halbe Stunde später lief ich aus dem Krankenhaus raus, auf den leeren Parkplatz, um dann in Richtung meiner winzigen Wohnung zu laufen.
Mein Auto war seit ein paar Tagen in Reparatur, weshalb ich zu Fuss gehen musste. Das war aber nicht weiter schlimm, weil meine Wohnung knappe 20 Minuten vom Krankenhaus entfernt lag. Das einzig blöde an meinem Nachhauseweg war, dass wenn man nicht durch eine Gasse ging, in der sich oft recht zwielichtige Gestalten aufhielten, fast die doppelte Zeit für den Nachhauseweg benötigte. Bis jetzt war noch nie etwas passiert und ich glaubte oder hoffte, dass das auch weiterhin so bleiben würde, aber das unwohle Gefühl, wenn ich den dunklen Weg entlang laufe ist trotzdem immer da.
Einige Minuten später betrat ich auch schon die eben genannte Gasse und lief mit einem unbehaglichen Gefühl weiter. Vorne waren ironischer Weise wirklich zwei betrunkene Männer, die herum torkelten und irgendetwas miteinander lallten.
Ja, ich weiss richtig klischeehaft oder? Eine dunkle Gasse, ein Mädchen und zwei unheimliche Typen mitten in der Nacht.
Ich beschleunigte meine Schritte, um möglichst schnell an ihnen vorbei zu kommen. Als ich schon dachte, dass ich es geschafft hätte ohne Zwischenfälle von ihnen weg gekommen zu sein, spürte ich eine Hand auf meinem Hintern.
Empört drehte ich mich um und verpasste dem einen, der mich angefasst hatte eine Ohrfeige.
„Was fällt dir ein du miese Schlampe" schrie mich sein Freund an und kam auf mich zu.
Ängstlich wich ich einige Schritte zurück, bis ich eine Wand am Rücken spürte.
Scheisse. Ich habe aus angst nicht nachgedacht. Warum bin ich nicht einfach aus der Gasse rausgerannt? Nun sass ich in der Falle.
Der Typ näherte sich mir und als er die Hand hob um mich zu schlagen, überkreuzte ich schützend meine Arme vor meinem Gesicht und schloss meine Augen. Aber auch nach einiger Zeit spürte ich immer noch keinen Schlag.
Auf einmal hörte ich einen lauten Schrei und das Brechen eines Knochens.
Geschockt riss ich meine Augen auf und senkte meine Arme wieder.
Vor mir stand der Unbekannte aus dem Krankenhaus und die betrunkenen Männer lagen beide mit schmerzverzerrtem Gesicht auf dem Boden. Ich wusste in diesem Moment echt nicht ob ich schockiert oder erleichtert sein sollte.
Ich betrachtete dem gut aussehenden Mann mir an und bemerkte, dass er mich wiederum wütend anfunkelte.
Huch was hatte er denn? Ich habe ihm doch nichts getan...
Er packte mich grob am Oberarm und zog mich aus der Gasse raus. Danach schubste er mich gegen die nächst beste Wand und stemmte seine muskulösen Armen links und recht neben meinem Kopf gegen die kalte Mauer.
„D...danke, dass du mir eben geholfen hast" flüsterte ich leicht verunsichert von seiner bedrohlich wirkenden Präsenz.
Er musterte mich nur mit seinen eiskalten Augen 
„Wieso zum Teufel gehst du alleine, mitten in der Nacht durch solche Gassen Zoey?" zischte er mich durch zusammengebissene Zähne an.
„I... ich... Es kann dir doch egal sein was ich tue, schliesslich kennen wir uns nicht einmal wirklich!" Erwiderte ich schnippisch, mit einem plötzlich erlangten Mut. Ich war genervt davon, dass mich ein Fremder belehren wollte.
Sein wütender Gesichtsausdruck änderte sich schlagartig in einen amüsierten. „Ach Kätzchen... in dem Augenblick, in dem du die Notfallstation betreten hast, gehörtest du mir und ich passe auf mein Eigentum auf. Somit kann es mir also nicht egal sein. Ausserdem das mit dem kennen können wir leicht ändern" Sagte er grinsend während er mir mit seinem Gesicht immer näher kam.
Warte mal! Notfallstation... Er hatte doch vor gerade mal einer halben Stunde noch eine Schussverletzung? Sollte er also nicht jetzt, gerade in dem Moment genau dort liegen anstatt zwei Typen zu verprügeln, komische Andeutungen zu machen und mir zu sagen, dass ich ihm gehöre? Aber warte was?! Was laberte dieser Kerl für einen Mist? Von wegen ich gehöre ihm.
„Jetzt hör mir mal gut zu! Ich gehöre niemandem ausser mir selbst und am allerwenigsten gehöre ich dir!" rief ich.
Blitzschnell änderte sich sein Gesichtsausdruck von belustigt wieder zu wütenden.
Mein Gott, konnte er sich nicht einmal für einen Gesichtsausdruck entscheiden und den etwas länger als für eine Minuten behalten?
„Wir werden sehen, Honey." flüsterte er bevor er sich umdrehte, hinter der nächsten Ecke verschwand und mich alleine zurück liess.
Irritiert über das eben Geschehene blieb ich noch eine Weile an die Wand angelehnt stehen. Danach machte ich mich auf den Weg zu meiner eigenen bescheiden Wohnung.

Ich schloss die Tür auf und trat ein.
In Gedanken war ich immer noch bei dem Vorfall von vorhin. ‚Wir werden sehen, Honey.' Dies waren seine letzten Worte bevor er gegangen war. Es klang wie eine Drohung, aber das war doch lächerlich oder?
Wieso sollte er etwas von mir wollen? Ich war eine ganz normale Krankenpflegerin, hatte langweiliges braunes Haar, welches mir leicht gewellt, bis knapp über die Schultern reichte. Das einzige, was an mir nicht ganz so gewöhnlich war, könnten höchstens noch meine leuchtend grünen Augen sein, die ich von meiner Mutter geerbt hatte, aber das war dann auch schon alles.
Bettfertig lief ich von meinem Badezimmer in mein Schlafzimmer, kletterte in mein Bett. Ich beschloss nicht weiter über die Geschehnisse der vergangenen Stunden nachzudenken und verfiel schon bald darauf in einen traumlosen Schlaf.

Be mineWo Geschichten leben. Entdecke jetzt