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Ich sitze in der Kälte auf dem Dach. Es ist nass und der Regen peischt von oben herab. Meine Zähne klappern, aber ich habe nicht vor, rein zu gehen. Heute habe ich die Potenzialanalyse wiederbekommen. Meine Handy habe ich unter die Couch geschleudert, weil ich mir das dumme Gerede meiner Klassenkameraden nicht anhören wollte. Irgendwie war jeder überdurchschnittlich. Jeder, außer mir. Natürlich musste mein Ergebnis unter dem Durchschnitt liegen. Die Analyse liegt in meinem Zimmer, im Trockenen. Es ist grausam, dass Kindern, in der achten und in der neunten Klasse schon gesagt wird, worin wir scheiße sind und was wir nicht können. Und sie testen ja nicht alles. Ausmalen mit Acrylfarbe, einen Draht verbiegen, Schrauben ein- und aufschrauben und natürlich Linien mit einem Lineal ziehen. Voll wichtig. Ich musste das verhauen.
Warum kann ich bloß einfach gar nichts?
Warum muss ich zu dumm für diese Welt sein?
Ich stehe auf und schwinge mich wieder in mein Zimmer. Die Analyse, die auf dem Nachtspeicher liegt, schleudere ich aufs Dach, damit ich sie nie wieder sehen muss. Dann schließe ich das Fenster wieder, um nicht hinaus zu klettern und diese Zettel wieder zu holen.
Ich gehe ins Wohnzimmer, um den Fernseher anzuschalten und nicht mehr über meine Unfähigkeit in allen nachzudenken. Um diese Uhrzeit laufen 'Die Simpsons', die einzige Serie, die mich wirklich von allem ablenken kann.
Ich sehe sie mir an, bis der Regen aufhört und die Sonne hervor kommt. Sie bescheint den Himmel und alles, was darunter liegt. Und ein Regenbogen ziert den Himmel. Ein wirklicher Bogen, mit Anfang und Ende. Ich sehe, wo er anfängt und wo er endet. Schnell stehe ich auf, um auf den Balkon zu gehen. Von den bunten Blumen, die im Regen standen, perlen noch Regentropfen ab. Es sieht wunderschön aus. So schön, dass Freude mich durchfährt, wahre Freude. Ich fühle mich urplötzlich ganz leicht.
Ein Spaziergang, weil ich jetzt noch frei sein will. So frei, wie es eben geht.
Mit Gummistiefeln und Regenjacke bewaffnet, verlasse ich die kleine Wohnung. Draußen atme ich tief die Luft ein. Sie ist so schwer, irgendwie, und sie trägt den Duft von Regen.
Mir ist egal, was die Leute denken, ich renne einfach los. An der Straße entlang. So lange, bis ich nicht mehr kann und ich unter der Jacke schwitze. Die frische Luft, kein Auto. Alles erscheint für einen Moment perfekt.

Wir brennen, weil wir Freude empfinden. Wir brennen für große und kleine Freuden. Niemand kann mir sagen, er hätte noch nie Freude empfunden.

Warum wir brennenWhere stories live. Discover now