Prolog

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„Willst du dich jetzt auch noch umbringen, verdammt?!"

Eine wilde Stimme lässt mich innehalten. Ich kenne sie, die Stimme. Langsam drehe ich meinen Kopf in die Richtung des Mädchens, welches ich heute Abend erst kennen gelernt habe. Das schwache, verschwommene Leuchten der Sterne scheint in weite Ferne zu rücken.

„Was?", frage ich verwirrt, während ich mich mit den Händen an den kalten Stein klammere.

„Wehe, du bewegst dich auch nur einen Millimeter, dann gebe ich dir persönlich den letzten Stoß von diesem blöden Dach!", ihre Stimme klingt ziemlich wütend, gemischt mit einer leichten Spur von Angst.

Wie befohlen versuche ich mich nicht zu rühren, was in meinem Zustand gar nicht so leicht ist.

Auf einmal spüre ich feste Hände, die sich um meine Hüfte legen, und mich bestimmt von der Mauer herunter ziehen. Trotzdem sind sie unglaublich vorsichtig.

In meinem Inneren breitet sich Panik aus. Ich kenne diese Panik. Wenn ich betrunken realisiere, dass ich eine Person nicht sehen kann, nicht weiß was sie macht, dann fühle ich mich verdammt hilflos. Wie ein kleines Kind, welches immer wieder von neu lernen musste, dass es nicht fliegen konnte.

Meine Füße gleiten gestützt durch ihren Körper an der niedrigen Mauer hinunter, hinter deren Abgrund ich nach ihrer Vorstellung soeben beinahe verschwunden wäre.

Ängstlich schlage ich ihre Hände beiseite, kaum, dass ich wieder festen Boden unter mir spüre: „L..lass das!"

Jetzt habe ich noch nicht einmal meine Stimme unter Kontrolle. Warum hatte ich auch bloß so viel getrunken? Du bist so ein Idiot, dachte ich mir bitter.

„Mal ganz ehrlich, was hast du dir dabei gedacht?!", ihre Stimme klingt schon wieder wütend, doch da ist immer noch ein leichtes, verräterisches Zittern.

„Bist duuu eigentlich immer so schlecht gelaunt?", verwirrt hebe ich eine Augenbraue und drehe mich zu ihr um. Der Abstand zwischen uns ist plötzlich ziemlich gering, fast meine ich die Wärme von ihrer Haut abstrahlen zu spüren.

„Jetzt schweif' nicht vom Thema ab!", zischt sie, doch ich bemerke in ihrer Stimme eine gewisse Nachdenklichkeit.

„Pff"

„Erst die Drogen, und jetzt willst du dich auch noch umbringen!", sie klingt immer noch ziemlich aufgeregt und seufzt bei meinem Anblick lauf auf. Ihr Atem fegt mir über das Gesicht. Sie sah mich also tatsächlich an.

„Wwill ich doch gar nicht!", lalle ich und fange unkontrolliert an zu lachen. Das ist echt ein komischer Gedanke! Ich und Selbstmord begehen?

„Du kannst jemand anderen deine Lügenmärchen erzählen, aber nicht mir!", fährt sie aufgebracht fort und setzt einen Finger gegen meine Brust. Die plötzliche Berührung lässt mich still werden und der leichte Druck gegen meinen Körper löst ein ungewöhntes Gefühl in mir aus, doch ich kann es noch nicht einordnen.

„Oder hast du etwa ein Alkoholproblem?" Sie klingt wie eine Ermittlerin von CSI.

„Natürlich nicht! Nur heute...ein wenig getrunken", brabbele ich wie ein Kleinkind, das zu viel Süß auf einmal gegessen hat. Heimlich.

„Ein wenig getrunken?", ihre Stimme klingt ziemlich anmaßend und ich kann ihren prüfenden Blick förmlich auf meiner Haut spüren, der wie ein Skanner über meinen Körper gleitet. Dafür muss ich sie nicht sehen können.

„Wie heißt du noch ein...mal?", frage ich, um vom Thema abzulenken. Natürlich weiß ich die Antwort, doch ich will wenigstens einmal einen ruhigeren, netten Ton von ihr hören.

„Ein gutes Gedächtnis hast du ja nicht!", fährt sie mich auf ihre ruppige Art an. Oh boy, da habe ich mich zu früh gefreut. Zu meiner Überraschung antwortet sie dann jedoch tatsächliche etwas leiser. „Shy."

Ich nicke, wie zur Bestätigung, und stelle dann ziemlich frustriert fest: „Da haben deine Eltern aber üüüüberhaupt nicht nachgedacht!"

„Wieso das denn?", sie klingt fragend. Verwirrt. Ist ihr nicht klar, dass sie sich gerade mit einem betrunkenen Idioten unterhält, der soweiso nur Scheiße labert?

„Na, wenn du eins nicht bist, dann schü...chtern", zufrieden grinsend schließe ich meine ach so tolle Beobachtung der letzten Minuten ab und fühle mich dabei wie Sherlock Holmes.

„Du bist echt so ein Idiot!"

Sag ich doch!

„Drogen, Alkohol und Suizid Probleme. Oh man, da kommt echt einiges zusammen...", ich spüre, dass Shy ihre eigenen Worte nicht mehr ganz  so ernst nimmt wie noch vor wenigen Minuten. Da ist ein grinsender Unterton in ihrer Stimme. Ihr Schemen nimmt ein wenig Abstand zu mir.

„Zusammen wofür?", hakte ich verwirrt nach und runzele nachdenklich die Stirn. Es soll zumindest so aussehen, als würde ich nachdenken. Dabei bringt mein vollgedröhnter Schädel zur Zeit nicht gerade sinnvolle Sätze zu stande.

„Na für die Klapse natürlich!", und sie sagt das mit solch einer Überzeugung in der Stimme, dass mir vor Schreck die Kinnlade hinunter fällt.

~ Bild oben: Leke ~

Vorwort:

Ich will nur eins vorher klar machen, damit ihr nicht enttäuscht seit. Mit einem blinden Hauptcharakter habe ich mir eine sehr große Herausforderung gestellt.

Und mich, zumindest zu diesem Zeitpunkt, darauf geeinigt, dennoch manchmal Beschreibungen der Umgebung oder Verhalten von Figuren zu erzählen, die Leke vielleicht gar nicht sehen kann.

Ich finde nämlich, solche Sätze machen den Text erst lebendig und anschaulich. Ich hoffe, ihr versteht das! Vielleicht findet ihr auch ein paar Theorielücken, aber letztenendes ist das hier auch nur eine Geschichte. :) Also nicht wundern. Es gibt manche, die sagen, dass meine Storyline vernünftig sein sollte. Doch dann frage ich gerne: Was machen dann Aliens in weltberühmten Romanen?  Oder Superhelden in unserer  "wahren Welt". Muss ich deswegen  angeben, Science Fiction zu schreiben? Ich hoffe nicht.  :P 

Und jetzt viel Spaß beim Lesen!



The blind BadboyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt