Kapitel 1 - Es war einmal

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Danach änderte sich das Leben im Dorf dramatisch. Sie besetzten die Häuser, die ihnen gefielen und begannen, uns alle zu terrorisieren. Sie rekrutierten Magier für ihre Sache und versklavten die Menschen, sowie deren Sympathisanten. Es gab nur eine Handvoll, die sich ihnen anschloss. Ein gewisses Maß an Idiotie muss wohl in meinen Genen vorhanden sein, denn... ihr könnt sicherlich erraten, welche Seite ich gewählt habe. Von meiner Mutter kann ich diesen Anteil nicht geerbt haben, denn sie war clever genug, sich für die "richtige" Seite zu entscheiden. Dank ihres genetischen Materials wird sie nicht wie ein Mensch behandelt. Sie hat sich einen von ihnen geschnappt und erwartet demnächst mein kleines Geschwisterchen. Auch mich wird dieses Schicksal einmal ereilen, denn mein "reines" Blut dürfe nicht verschwendet werden. Einmal war ich bei einem ihrer Kupplertreffen anwesend. Ich musste ihren Anführern Getränke servieren. Zuerst wurde ich ignoriert, aber als sie das schwarze Armband sahen, das mich als Magierin ausweist, konnte ich mich vor ihren durchbohrenden Blicken nicht mehr retten. Aber bevor ich mich einem von denen freiwillig ausliefere, friert die Hölle zu. Die haben meinen Vater umgebracht! Und meine Mutter, dieses treulose Stück hat nichts Besseres zu tun als die Beine für einen von ihnen breit zu machen!

Wütend balle ich meine Hand zur Faust. Wann immer ich daran denke, könnte ich ausrasten. Mit der Hand schlage ich auf das Fensterbrett. Dabei rutscht das schwarze Armband ein kleines Stückchen meinen Arm hinauf. Hasserfüllt starre ich es an. Diese dummen Bänder haben sie jedem von uns angehängt, sobald sie uns "sortiert" hatten, wie sie es nannten. Menschen trugen ein rotes Armband. Magier mit schwächerem Magieanteil bekamen violette Bänder und alle von einem mittleren Niveau an aufwärts haben schwarze bekommen. Aber das war nicht das einzige, was sie getan hatten. Alle Roten und Violetten lebten in einem Teil des Dorfes, das seit ihrer Invasion als Ghetto gilt. Dort sieht es nicht anders aus, abgesehen von den nun ramponierten Häusern. Die Schäden kommen aber nicht von den dort Lebenden, sondern von ihnen und ihren Anhängern, die immer wieder in unser Dorf kommen und meinen, es wäre lustig, dort ihre vandalistische Seite auszuleben. Drecksäcke!

"Florence!", schallt plötzlich eine raue männliche Stimme durchs Haus.

Der wütende Ausruf lässt mich erschrocken zusammenzucken. Ich löse meine Augen von dem Anblick des Waldes und erhebe mich von meinem Stuhl. Während ich mich der Tür zuwende, streift mein Blick mein altes Jugendzimmer, das nun mehr als mein Gefängnis dient. Von der einst altersgemäßen Einrichtung ist nicht viel übrig geblieben. Vieles haben sie einfach mitgenommen, weil sie es in einem anderen Haus brauchten. Verblieben sind eine Kommode meines ehemaligen Kleiderschranks, mein Bett exklusive Nachttisch, ein kleiner Tisch und ein Stuhl. Meinen geliebten Flauscheteppich haben sie mir ebenfalls genommen. Alles in allem sieht mein Zimmer nur noch kahl und traurig aus. Jeder Funke Leben ist aus ihm gewichen - aus ihm und aus mir.

"Florence! Beeil dich, Cameron wartet nicht ewig." Dieses Mal klingt die Stimme schon wesentlich ungeduldiger.

Mit hängendem Kopf schlurfe ich zur Tür und die Treppe hinunter. Am Fuße steht ein eher kleiner Mann mit Hakennase und Ziegenbart. Der Millimeterhaarschnitt wertet sein Aussehen nicht unbedingt auf.

"Was hast du so lange dort oben gemacht?", schnauzt er mich nicht gerade freundlich an.

Meine Antwort besteht aus einem Schulterzucken. Ich habe mal wieder geträumt. Das passiert mir häufiger.

"Mach, dass du in den Wald kommst. Hier hast du eine Liste der Tränke, die du brauen sollst. Cameron begleitet dich."

Begleiten war ihr beschönigender Ausdruck für bewachen. "Ich muss zuerst im Laden vorbei und sehen, was noch dort ist", entgegne ich schnippisch und reiße ihm den Zettel mit der Liste aus der Hand.

Unter Magiern: Feuerrot [Leseprobe, Entwurf]Where stories live. Discover now