Notausgang

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Die Tür fällt ins Schloss.

Ich lasse alles hinter mir.

Der Motor heult auf.

Ich verlasse die altbekannte Straße,

und mit ihr den Graus.


Verlasse die Stadt.

Die Autobahnen dieser Welt bringen mich,

wie Blutbahnen pulsierend,

näher meinem Ziel.

Einfach nur weg.


Mein Handy versenke ich tief im Meer,

ich bin frei, - und doch nicht,

denn die Vergangenheit

sie hängt nicht von Äußerlichkeiten ab.

Sie ist Teil meiner Identität.


Diese Erkenntnis tut unfassbar weh!


Denn ich will doch nur weg,

einen Neustart,

einen anderen Namen

und eine neue Steuernummer.

Ist das denn zu viel verlangt?


Ich spüre Sand unter meinen Füßen,

Wind in meinen Haaren

und Salz auf meiner Haut.

Aber unter meiner Handfläche, dort,

fühle ich den altbekannten Herzschlag.


Das Herz schlägt munter weiter,

und es tut weh, denn es hat nicht begriffen,

dass wir einen Neustart wagen.

Mein Herz es ist vernarbt und

theoretisch dürfte es gar nicht mehr klopfen.


Denn es ist vor langem kaputt gegangen.

Nein!Nicht kaputt gegangen,

sondern du hast es getreten,

in den Dreck geworfen,

als ich dir alles hingegeben habe.


Ich will doch einfach nur weg!

Aber mein Herz und all die Erinnerungen

habe ich wie selbstverständlich in meinen Koffer gepackt.

Und die schlaflosen Nächte suchen mich auch, hier,

in Südfrankreich heim.


Heimsuchen.

Das hat nichts mit dem Wohnort zu tun,

sondern da, wo mein Herz schlägt,

da bin ich zuhause,

habe quasi nur mein Wohnzimmer verlagert.


Scheinbar hat mein Drang nach Freiheit nichts mit dem Wohnort zu tun

nicht mit der öden Kleinstadt

oder der Familie, die versuchte

mich Tag für Tag zu erdrücken.

Auch mein Job ist nicht Schuld -


Sondern ich.


Ganz allein ich.


Ich bin das Problem,

denn auch wenn ich dich unendlich hasse,

hasse ich mich noch mehr,

denn ich bin das Problem.

Der Mensch den ich hasse!


Und mein Herz verspottet mich,

indem es munter weiter schlägt,

während ich mit Weinflasche am Strand

darauf hoffe, morgen in einem anderen Körper aufzuwachen,

der nicht unfassbar wehtut.


Doch dieser Moment wird nicht kommen.


Die Situation ist ausweglos.

Suche verzweifelt nach dem Notausgang.

Die Flasche kippt um, als ich aufstehe.

Drauflosgehe,

mit dem Wind in den Haaren drauf losrenne.


Auf das leuchtende Schild - „Exit" steht darauf

Plötzlich sehe ich das Licht im Dunkel,

habe mein Ziel genau vor Augen.

Einfach nur weg.

Bin bereit, die Probleme zu bereinigen.


Mit Salzwasser,

das um meine Waden peitscht.

Und schon bald spüre ich den Boden nicht mehr.

Ich schwimme dem Ziel entgegen

und den Wellen, sie peitschen mir ins Gesicht.


Ein letztes Mal atme ich tief ein und dann,

gebe ich mich den Wellen hin,

tauche unter,

immer tiefer und tiefer,

bis ich den Notausgang gefunden habe.



Exit.

Bittersüße PoesieWhere stories live. Discover now