Der Begleiter

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Ich begegnete ihm drei Mal in meinem Leben. Jede Begegnung war seltsam, unheimlich und doch verspürte ich nie Furcht; Sie waren schlicht mysteriös.

Das erste Mal traf ich ihn 1965 in der Sahara, genauer noch in einer Oase in Libyen. Es war ein kleines Wüstendorf mit einigen winzigen Häusern. Wanderer, wie ich, die die Wüste durchquerten, machten hier halt, rasteten, füllten ihre Vorräte an Wasser und Speisen auf und planten die nächste Etappe ihrer beschwerlichen Reise. Die brennende Sonne stand in ihrem Zenit, als ich die Oase erreichte. Ein leichter Küstenwind fegte durch die breiten Gassen zwischen den Lehmhäusern hindurch und wirbelte den glühenden Sand in kleinen Wolken auf. Ich betrat das Gasthaus. Im Inneren war es recht dunkel und der Raum, an dessen Wänden mehrere getrennte Tische standen, wurde nur durch einige Kerzen erleuchtet. Es war erstaunlich kühl, bestimmt 10 – 15 Grad weniger als in der sengenden Hitze draußen. Ich kaufte etwas Wasser und begann mit dem Mann hinter dem Tresen zu reden: „Guten Tag." „Guten Tag, mein Herr." „Ich bin aus Griechenland mit einem Boot vor einigen Wochen in Kairo angekommen. Den Weg bis hier her habe ich gut meistern können, doch für meinen weiteren Weg brauche ich einen Begleiter, der mich durch die Wüste führen kann und sich dort auskennt." Er dachte nach und zögerlich bewegten sich seine trockenen Lippen. In gebrochenem Englisch antwortete er: „Nun, der Großteil der Wüstenführer scheint bereits unterwegs. Aber sehen sie den Mann dort hinten." Er deutete auf eine noch spärlicher beleuchtete Ecke, in der ein Mann saß und Pfeife rauchte. „Der Herr dort hinten ist der letzte übrige Begleiter hier. Vielleicht hilft er ihnen." Ich bedankte mich bei dem Wirt, legte ein paar Geldstücke auf den Tresen und ging zu ihm hinüber. Das Lehmhaus hatte keine Fenster, lediglich Nischen durch die der Wind heulte und die einen Blick auf den flimmernden, trockenen Boden freigaben. Der Mann der dort in der Ecke saß und rauchte, hatte ein langes Gewand an, dass in der Mitte durch einen Gürtel gesichert wurde. Er war älter, jedoch noch kein Greis. Den Hut tief ins Gesicht gezogen und zur Nische gewandt, konnte ich nicht viel seines Gesichts sehen. Jedoch drehte er seinen Kopf mit einem Lächeln leicht in meine Richtung, als ihn ansprach: „Guten Tag, der Wirt sagte, sie könnten mir vielleicht Geleit durch die Wüste geben." „Guten Tag." Seine Stimme war unheimlich durchdringend und gleichzeitig friedlich. Sie verzauberte mich gerade zu und so war es das gute, freundliche Gefühl, das von ihm ausging, welches mich zögern ließ. „Sie brauchen also einen Begleiter.", fuhr er fort. „Ich helfe ihnen sehr gerne, mein Freund. Aber es wird sie etwas kosten." „Natürlich! Ich bin bereit ihre Summe zu bezahlen." Seine Antwort verwunderte mich etwas: „Aber, aber...sie müssen nur meine Verpflegung, sowie kleine Kosten für die Reise bezahlen. Allerdings möchte ich von ihnen eine Gegenleistung." Er hob die Hand und zeigte auf die Polaroid Kamera, die um meinen Hals hing. „Machen sie mir ein Foto von sich." Ich stimmte zu, machte ein Foto und gab es ihm. Er hielt es in den kleinen Lichtstrahl, der durch die Nische in der Lehmwand fiel und begutachtete es. Der Mann bereitete alles vor und am nächsten Morgen brachen wir, nach einer reichlichen Portion Schlaf, früh Richtung Nord-Westen auf. Die nächsten zwei Wochen wanderten wir bei einer unglaublichen Hitze durch das feine Sandmeer. Manchmal hatte ich das Gefühl in einer gelbkörnigen Hölle zu sein. Er brachte mir jedoch viel über das Überleben in der Wüste bei. Wir mieden die Mittagshitze und nutzen die kühlen Morgen- und Abendstunden. Wir fingen das Wasser auf, das nachts an unseren Zeltplanen verdunstete und nutzen jede Quelle, jede Oase und jede Regenwolke, um unseren Wasservorrat aufzustocken. Und so war die Wüste, dank meines Begleiters keine Hölle mehr, sondern wurde zu einem großen Abenteuer. Dann und wann zog er seine Pfeife heraus und rauchte. Er trug immer dasselbe lange Gewand, den Hut sodass die Hälfte seines Gesichtes verdeckt war. Einmal gingen wir auf einer Düne, als er plötzlich innehielt. „Setzen sie ihren Fuß nicht dahin, der Sand wird abrutschen. Machen sie einen kleinen Bogen, mein Freund." Und tatsächlich: Im nächsten Moment rutschte eine kleine Sandlawine die Düne herunter. Ich war verblüfft: Ohne hinzusehen, hatte er gewusst wo ich hintreten würde, während ich hinter ihm her lief. Wir redeten viel auf den Wanderungen, allerdings wirkte er etwas distanziert, da er immer vor mir lief und ich hinter ihm her trottete, wie ein Pferd, dass von seinem Besitzer geführt wird. Am Ziel meiner Reise, in Tripolis, der Hauptstadt Libyens, angekommen, verschwand der ältere Mann schnell. Ein flüchtiges und doch wahr klingendes: „Auf Wiedersehen, ich wünsche ihnen eine gute Reise.", war das letzte, das ich von ihm hörte. Er drehte mir noch einmal seinen Kopf zu und lächelte mich wieder an, wie in der Gaststätte.

Der BegleiterWhere stories live. Discover now