0. Prolog

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Diesen Augenblick sollte er nie vergessen.

Da stand sie, entspannt, gelassen, als könne sie nichts aus der Bahn werfen. Den schlanken Körper ein wenig nach links geneigt, ruhte ihre linke Hand auf der leicht schräg stehenden Hüfte, während der andere Arm in der Luft baumelte. Die zarten Finger des Mädchens umschlossen fest einen Volleyball.

Ihr athletischer Körperbau machte sie attraktiv; vor allem ihre glatten Beine hatten es ihm angetan. Sie trug ein violettes T-Shirt mit V-Ausschnitt – eng genug, um ihre Körperform zu betonen, aber weit genug, um sich gut darin bewegen zu können. Und dann ihr Gesicht! ...Oder zumindest das, was man davon sehen konnte: Ihre schwarzen Haare bedeckten ihre rechte Gesichtshälfte, was an sich schon reizvoll war. Ihre zarten Gesichtszüge und die blasse Haut harmonierten auf eine mysteriöse Art und Weise mit der Schwärze ihrer Haare. Ein schönes Gesicht... Wären da nicht diese Augen gewesen. Rund und weiblich... Und violett. Er fühlte sich unwohl, wenn er ihr in die Augen sah. Es war so... ungewöhnlich. So... unnatürlich! Und ihr Gesichtsausdruck – Fast, als wäre sie ihm überlegen. Ihre Lippen formten ein amüsiertes, fast verspieltes Lächeln, während ihr sichtbares Auge herausfordernd leuchtete.

Was ihm den Atem nahm, war jedoch nicht ihre Schönheit. Es war nicht ihre Figur, nicht ihre Beine, nicht ihr Gesicht, nicht ihr Lächeln. In jenem Augenblick, in dem er sie ansah, begann sie zu glühen. Wie ein Funke vor dem Nachthimmel. Zuerst ganz zart und fast unbemerkt, wurde das orange Licht immer kräftiger: Ihre Haut begann zu glühen, ihre Kleidung wurde vom Licht durchschienen, dann leuchtete ihre komplette Gestalt. Schließlich schien sie so hell, dass selbst ihre Konturen kaum noch zu erkennen waren. Ihre Figur war eine einzige, orange leuchtende Silhouette geworden! Und doch hörte das Licht nicht auf, heller zu werden – er hatte die Augen bereits geschlossen, aber seine Lider hielten das Licht nicht länger auf. Er nahm den rechten Arm zu Hilfe. Plötzlich spürte er einen kalten, starken Windstoß – und dann war alles still.

Als er schließlich die Augen wieder öffnete, blieb ihm die Luft weg. Das Mädchen stand nicht mehr am Boden: Es schwebte in der Luft, etwa einen halben Meter über der Wiese. Sie leuchtete nun nicht mehr – zumindest nicht am Körper. Zwei riesige Flügel umrahmten das Mädchen. Diese Flügel, ein jeder größer als das Mädchen selbst, bestanden aus verschieden großen Fragmenten. Sie hatten die Form von Blütenblättern, waren an den Spitzen etwas dunkler und schimmerten rosa. Insgesamt ging ein lila Schimmer von dem Flügelpaar aus, das mit jeder seiner sanften Bewegungen eine Prise silbern schillernder Pollen abwarf. Diese glitten sachte zu Boden.

Er kannte diesen Anblick... Aus einem Videospiel. Aber das hier war kein Videospiel: Das war die Realität! Überraschung, Schreck, Faszination – all das empfand er gleichzeitig, als er diesen fremdartigen Anblick einzuordnen versuchte. Das Mädchen ließ ihm jedoch keine Zeit dafür, denn schon folgte das nächste Wunder! Sie hielt noch immer den Volleyball in der rechten Hand. Bewegte ihren linken Arm mit einer schwungvollen Drehung nach vorne. Und die silbernen Pollen wehten hinter dem Arm her. Als sie nun ihre linke Hand ebenfalls an den Volleyball legte, umhüllten die Pollen ihre Hände und den Ball: Zuerst schwebten sie um die Kugel wie eine Horde silberner Glühwürmchen, dann setzten sie sich auf Ball und Händen ab, sodass eine Schicht aus Silberstaub daran klebte. Sogleich begann die Schicht, sich von den Händen zum Ball zu bewegen – es sah fast so aus, als würde der nun silbern glitzernde Ball jede schillernde Verfärbung auf der weißen Haut des Mädchens einsaugen und verschlingen. Jetzt sah sie ihn an, diesmal mit kaltem Lächeln und mit berechnendem Auge. Fast im selben Moment drehte sie sich von ihm weg, sodass er auf ihre linke Seite blickte, und holte mit der rechten Hand Schwung. Ein Aufblitzen in ihrem Auge, eine schnelle Drehung des schönen Körpers, ein dynamischer Stoß ihres rechten Arms nach vorne, ein lautes, pfeifendes Geräusch, wie ein Pfeil, der die Luft durchschneidet und sie dabei zerteilt – und schon explodierte ein brennender Schmerz in seiner Magengrube. Er krümmte sich zusammen und presste beide Arme an seinen Leib, fiel auf die Knie und schließlich ins Gras. Der Schmerz brannte wie Feuer und breitete sich im ganzen Körper aus. Seine Sicht verschwamm – ihm strömten Tränen in die Augen. Und während er wie gelähmt am Boden lag, rang er mit seiner Fassung, versuchte zu verstehen, was gerade passiert war, versuchte zu begreifen, wie einem Menschen Flügel wachsen konnten. Sein Verstand wehrte sich – aber der brennende Schmerz in seinem Bauch machte ihm klar, dass alles...real war.

Ein Erlebnis, dass sich für immer in sein Gedächtnis brennen sollte.

CrossfireWhere stories live. Discover now